Der britische Insolvenzverwalter versucht aufzuarbeiten, wie Vermögen den Schulden von Becker gegenüberstehen, um die Gläubiger zu befriedigen. Die Insolvenz innerhalb eines EU-Staates gilt europaweit und so hat auch das Amtsgericht Heidelberg das Insolvenzverfahren gegen den ehemaligen Tennisspieler bekannt gegeben. In Deutschland kooperiert die britische Kanzlei Smith & Williamson mit Jan Hendrik Groß, Partner von Ebner Stolz aus Köln. Der Insolvenzfachmann arbeitet für die englischen Kollegen Beckers Vermögensverhältnisse in Deutschland auf. Wir wollen herausfinden, was die Aufgaben von Herrn Groß sind und welchen Herausforderungen er sich zu stellen hat.

Herr Groß, wie kam es dazu, dass Sie von der englischen Kanzlei im Fall Boris Becker beauftragt wurden?
Die britische Kanzlei Smith & Williamson ist eine Partnerkanzlei von Ebner Stolz. Beide sind Mitglieder des internationalen Netzwerkes Nexia. Wir arbeiten mit Smith & Williamson in vielen Bereichen zusammen. So kam es, dass die dortigen Kollegen aus dem Restrukturierungs- und Insolvenzbereich bei mir angefragt haben, ob wir sie im Fall Boris Becker unterstützen können.
Welche Konsequenzen hat die Bankrupterklärung des britischen High Court für Boris Becker?
Der High Court hat ein Insolvenzverfahren nach englischem Recht über das Vermögen von Herrn Becker eröffnet. Die Kollegen von Smith & Williamson wurden zu Trustees, vergleichbar mit Insolvenzverwaltern nach deutschem Recht, bestellt. Diese haben nun die Aufgabe, die Gläubiger von Herrn Becker bestmöglich zu befriedigen. Wichtig zu verstehen ist, dass das englische Insolvenzverfahren Wirkungen in allen Mitgliedsstaaten der europäischen Union hat. Herr Becker ist damit nicht nur in England, sondern in allen Mitgliedsstaaten insolvent. Auch in Deutschland befindliches Vermögen ist von der englischen Insolvenz betroffen.
Wie gehen Sie vor, um die in Deutschland befindlichen Vermögenswerte des früheren Tennisprofis festzustellen - ist das reine Detektivarbeit?
Der erste Schritt war, die Veröffentlichung des Insolvenzverfahrens durch das Amtsgericht Heidelberg in Deutschland zu bewirken. Damit gilt das Verfahren in Deutschland als jedermann bekannt. Im nächsten Schritt galt es, Abfragen bei den öffentlichen Registern zu starten sowie die uns bekannten Geschäftspartner zu kontaktieren. Der Rest ist in der Tat Detektivarbeit, wobei uns die öffentliche Publizität zugegebenermaßen sehr zugute kommt. So haben wir von Dritter Seite bereits vielversprechende Hinweise bekommen, denen wir nachgehen. Nicht zu vernachlässigen sind aber auch die Auskünfte, die Herr Becker selbst gibt. Er steht in regelmäßigem Kontakt zu den Kollegen von Smith & Williamson, denen er seine Vermögensverhältnisse offenzulegen hat.
Und was passiert dann mit den festgestellten Vermögenswerten?
Wenn wir Vermögenswerte feststellen, nehmen wir sie für die englischen Verwalter in Beschlag. Über die Verwertung entscheiden dann die Kollegen von Smith & Williamson. Deren Bestreben ist es, soweit wir es beurteilen können, insbesondere in Bezug auf private Vermögensgegenstände einvernehmliche Regelungen mit Herrn Becker zu finden.
Was geschieht etwa mit Gagen, die Becker aus der Teilnahme an Fernsehshows o.ä. bezieht. Kommen diese den Gläubigern zu Gute oder fließt das Geld in seine eigene Tasche?
Es gilt der Grundsatz, dass solche Zahlungen nicht mehr an Herrn Becker geleistet werden können. Gagen und ähnliche Zahlungen sind daher an die Insolvenzverwalter oder an uns als deren rechtliche Vertreter zu leisten. Werden dennoch Zahlungen an Herrn Becker geleistet, läuft der Vertragspartner Gefahr, unter Umständen zweimal zahlen zu müssen, nämlich das zweite Mal an den Insolvenzverwalter.
Wenn es in Deutschland noch Gläubiger gibt, die eine Rechnung mit Becker offen haben - was müssen diese tun? Können sich diese einfach an Sie wenden?
Wir sind nicht die deutschen Insolvenzverwalter. Wir unterstützen Smith & Williamson lediglich bei der Realisierung von Vermögenswerten. Forderungen müssen zentral bei den englischen Verwaltern angemeldet werden. Wir sind aber gerne bei der Weiterleitung von Forderungsanmeldungen nach England behilflich.
Die Insolvenz von Boris Becker hat ja ein erhebliches Echo in den Medien erfahren. Und auch Sie sind ein gefragter Gesprächspartner. Wie geht die Öffentlichkeit mit dem Thema um?
Rechtliche Zusammenhänge, insbesondere da es sich um Fragen des europäischen Insolvenzrechts handelt, sind in den Medien nicht immer einfach zu vermitteln. Auch Rechtsanwaltskollegen, die mit der Materie nicht betraut sind, fragen mich, ist Herr Becker denn jetzt insolvent. Ich habe mich daher bemüht, die sachlichen Hintergründe zu erläutern. Man darf aber bei alle dem nicht vergessen, dass vor allem die Person Boris Becker im Interesse der Öffentlichkeit steht. An derartigen Diskussionen beteilige ich mich nicht. Ein Insolvenzverfahren stellt schließlich einen erheblichen Eingriff in das Privatleben einer Person dar, das es zu schützen und zu respektieren gilt.