Grundzüge der geplanten Mindeststeuer
Entsprechend den OECD-Vorgaben beinhaltet eine neue EU-Richtlinie, die derzeit in einer überarbeiteten Entwurfsfassung vom 28.03.2022 vorliegt, Regelungen zur Umsetzung der globalen Mindeststeuer. Damit soll sichergestellt werden, dass Unternehmensgewinne mit einem effektiven Steuersatz von 15 % besteuert werden. Konkret von der Richtlinie erfasst werden Unternehmenskonzerne mit Umsätzen in mindestens zwei der vier vorangehenden Wirtschaftsjahre von 750 Mio. Euro oder mehr, die mindestens eine Mutter- oder Tochtergesellschaft in einem EU-Mitgliedstaat haben. Grundsätzlich zielt die globale Mindeststeuer auf internationale Konzerne ab. Mit der Richtlinie soll der Anwendungsbereich aber auch auf rein nationale Konzerne ausgeweitet werden.

Technisch wird die globale Mindeststeuer durch die Erhebung einer Ergänzungssteuer („top-up tax“) auf Ebene der Konzernmuttergesellschaft umgesetzt. Betroffen sind Gewinne einer Konzerngesellschaft in einem Steuergebiet, die nicht mit dem Mindeststeuersatz belastet werden. Erreicht werden soll dies in erster Linie durch eine Ertragseinbeziehungsregelung („Income Inclusion Rule“). Im Ergebnis wird die Differenz zwischen dem Mindeststeuersatz von 15 % und einem darunter liegenden effektiven Steuersatz, mit dem Gewinne einer Konzerngesellschaft tatsächlich besteuert wurden, nacherhoben. Auf diese Weise soll die Steuerbelastung auf das Mindeststeuerniveau hochgeschleust werden.
Weitere legislative Schritte
Dem Vernehmen nach soll die Richtlinie noch in der ersten Jahreshälfte 2022 zum Abschluss gebracht werden. Anschließend sind die Richtlinienvorgaben von den EU-Mitgliedstaaten in deren nationales Recht zu überführen. Konkret bedarf es dazu u. a. in Deutschland eines Umsetzungsgesetzes, mit dem die Vorgaben zur globalen Mindeststeuer in die bestehenden steuerrechtlichen Regelungen eingebunden werden. Die nationalen Gesetzgebungsverfahren sollen bis 31.12.2023 abgeschlossen sein.
Zur Anwendung gelangen soll die globale Mindeststeuer im EU-Raum grundsätzlich ab 2024.
Klassischer Anwendungsfall
Aus deutscher Sicht könnte sich ein klassischer Anwendungsfall für die globale Mindeststeuer wie folgt darstellen: Eine in Deutschland ansässige Konzernmuttergesellschaft hält zu 100 % Beteiligungen an Tochtergesellschaften in Frankreich, Irland, Österreich und in der Schweiz, Kanton Zug.
Bei einer erstmaligen Anwendung der Vorgaben in 2024 wäre somit zu prüfen, ob die Gewinne der einzelnen Konzerngesellschaften in den jeweiligen Jurisdiktionen einem effektiven Steuersatz von 15 % unterlegen haben. Dazu ist auf den jeweiligen Gewinn der einzelnen Tochtergesellschaft nach Konzernrechnungslegungsstandards vor Konsolidierung abzustellen, allerdings modifiziert um in der Richtlinie und in nationales Recht zu übertragende Hinzurechnungen und Kürzungen. Auch der für den effektiven Steuersatz maßgebliche Steueraufwand der einzelnen Tochtergesellschaft kann nicht ohne weiteres der Konzernrechnungslegung entnommen werden. Hier ist zunächst zu klären, welche Steuern einzubeziehen und in welcher Weise diese ggf. noch zu adjustieren sind. Erst nach Bestimmung dieser Werte kann der für die Prüfung der globalen Mindeststeuer maßgebliche effektive Steuersatz ermittelt werden.
Insb. bei den Tochtergesellschaften in Irland und in der Schweiz könnte eine Nachversteuerung wegen der geringen dortigen Unternehmenssteuersätze greifen. Die Prüfung des effektiven Steuersatzes ist jedoch keineswegs auf diese beiden Fälle beschränkt. Vielmehr kann auch dann nicht auf die Prüfung verzichtet werden, wenn der nominelle Steuersatz des jeweiligen Staates deutlich über dem Mindeststeuersatz von 15 % liegt, wie im Beispielsfall in Frankreich und Österreich. Eine Ausnahmeregelung für „nominelle“ Hochsteuerländer ist im Richtlinienentwurf nicht vorgesehen, so dass die deutsche Konzernmuttergesellschaft Daten von allen Tochtergesellschaften abfragen und prüfen müsste. Zu beachten ist außerdem, dass sich aufgrund der vorgesehenen vielfältigen Modifikationen der Bemessungsgrundlage für die Berechnung des effektiven Steuersatzes auch in traditionellen Hochsteuerländern ein effektiver Steuersatz von 15 % oder weniger ergeben kann.
Zudem wäre die Konzernmuttergesellschaft (und ggf. auch die Tochtergesellschaften) verpflichtet, bis 30.06.2025 eine Steuererklärung abzugeben. Grundsätzlich beträgt die Abgabefrist 15 Monate nach Ende des Wirtschaftsjahres, die aber für das Erstjahr der Anwendung auf 18 Monate verlängert werden soll.
Anwendung aber auch in Inbound-Fällen
Betroffen von der geplanten Neuregelung können aber auch Unternehmen in Deutschland sein, die einem internationalen Konzern mit ausländischer Konzernmuttergesellschaft angehören. Werden z. B. die Anteile an der deutschen Tochtergesellschaft vollständig von einer in einem Drittstaat ansässigen Muttergesellschaft gehalten und bestehen in deren Ansässigkeitsstaat keinerlei Mindeststeuer- oder gleichwertige Regelungen, kann die deutsche Konzerngesellschaft hinsichtlich der ihr nachgeschalteten Konzerngesellschaften zur Erhebung der Ergänzungssteuer verpflichtet sein. Dies wäre etwa der Fall bei einer in den USA ansässigen Konzernmuttergesellschaft, da momentan davon auszugehen ist, dass das dort geltende GILTI-System nicht als gleichwertige Regelung anzusehen sein könnte.
Die deutsche Konzerngesellschaft müsste dann prüfen, ob die Gewinne der ihr nachgeschalteten Konzerngesellschaften im In- und Ausland einem effektiven Steuersatz von mindestens 15 % unterliegen und entsprechenden Erklärungspflichten nachkommen.
Praktische Herausforderungen
Ungeachtet einer drohenden Steuermehrbelastung im Konzern ist mit einem deutlich höheren Compliance-Aufwand zu rechnen. Erforderlich wird sein, von den Konzerngesellschaften eine Vielzahl von Daten zur Berechnung des effektiven Steuersatzes abzufragen. Diese ergeben sich nicht ohne weiteres aus den Jahresabschlussdaten, die von den Tochtergesellschaften für Zwecke des Konzernabschlusses übermittelt werden. Ferner sind mögliche Wechselwirkungen aus einer eventuellen Steuermehrbelastung aufgrund der globalen Mindeststeuer bei der Konzernbilanzierung zu berücksichtigen. Insb. im Erstjahr der Anwendung werden betroffene Konzerne vor der Herausforderung stehen, ihre Arbeitsprozesse frühzeitig anzupassen, so dass die Datenermittlung und Datenverarbeitung rechtzeitig vor Ablauf der Erklärungsfrist erfolgen kann.
Damit einhergehen wird, dass bestehende IT-Systeme zum Unternehmensreporting zumindest um die neuen erforderlichen Angaben ergänzt und die Prozesse angepasst und sinnvoll verknüpft werden sollten.
Auch wenn die konkrete nationale Ausgestaltung der globalen Mindeststeuer derzeit noch nicht vorliegt, ist betroffenen Unternehmensgruppen dringend anzuraten, sich zeitnah mit den künftigen Herausforderungen auseinander zu setzen. Fundierte Kenntnisse zu den materiellrechtlichen Vorgaben der globalen Mindeststeuer und IT-gestütztes Know-How zur prozessualen Umsetzung sollten dabei eng ineinandergreifen. Wir von Ebner Stolz unterstützen Sie mit unseren Experten im internationalen Steuerrecht und der Konzernrechnungslegung sowie im Bereich Tax Technology.