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Haftung bei Lohnsteuerabzugspflicht Dritter

BFH 20.3.2014, VI R 43/13

Eine Haf­tung des Ar­beit­ge­bers in Fällen des § 38a Abs. 3 EStG kommt nach § 42d Abs. 9 S. 4 EStG i.V.m. § 42d Abs. 3 S. 4 Nr. 1 EStG nur in Be­tracht, wenn der Dritte die Lohn­steuer für den Ar­beit­ge­ber nicht vor­schriftsmäßig vom Ar­beits­lohn ein­be­hal­ten hat. An einem der­ar­ti­gen Fehl­ver­hal­ten fehlt es, wenn beim Lohn­steu­er­ab­zug ent­spre­chend ei­ner Lohn­steu­er­an­ru­fungs­aus­kunft oder in Übe­rein­stim­mung mit den Vor­ga­ben der zuständi­gen Fi­nanz­behörden der Länder oder des Bun­des ver­fah­ren wird.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist ein Un­ter­neh­men, das Leis­tun­gen des Mau­rer- und Be­ton­hand­werks er­bringt und sei­nen Sitz im EU-Aus­land hat. Seit Juni 2003 be­treibt sie eine im Han­dels­re­gis­ter ein­ge­tra­gene Zweig­nie­der­las­sung in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land. Ihr Ge­schäftsführer hat sei­nen gewöhn­li­chen Auf­ent­halt im EU-Aus­land. Zur Durchführung von Mau­rer- und Be­ton­ar­bei­ten ent­sandte sie ausländi­sche Ar­beit­neh­mer auf inländi­sche Bau­stel­len. Die Kläge­rin be­tei­ligte sich am Ur­laubs­kas­sen­ver­fah­ren der So­zi­al­kas­sen der Bau­wirt­schaft und zahlte den im Ta­rif­ver­trag für das Bau­ge­werbe fest­ge­leg­ten Pro­zent­satz zur Ab­si­che­rung der Ur­laubs­an­sprüche ih­rer Ar­beit­neh­mer ein.

In den Jah­ren 2005 bis 2008 er­hiel­ten Ar­beit­neh­mer der Kläge­rin von der Ur­laubs- und Lohn­aus­gleichs­kasse der Bau­wirt­schaft Ab­gel­tungs­zah­lun­gen für Ur­laub­sent­schädi­gun­gen. Für Ar­beit­neh­mer der Kläge­rin, die un­ter 183 Tage im In­land be­schäftigt wa­ren, führte die Ur­laubs- und Lohn­aus­gleichs­kasse der Bau­wirt­schaft keine Lohn­steuer und kei­nen So­li­da­ritätszu­schlag ab. Denn hierzu war ihr mit Schrei­ben vom 7.3.2005 von ih­rem Be­triebsstätten­fi­nanz­amt im Ein­ver­neh­men mit dem Hes­si­schen Mi­nis­te­rium der Fi­nan­zen u.a. fol­gen­des mit­ge­teilt wor­den:

"1. Ab­gel­tungs­zah­lun­gen im lau­fen­den Zeit­raum
Bei die­sen Zah­lun­gen ist le­dig­lich zu prüfen, ob der 183-Tage-Zeit­raum des je­wei­li­gen DBA zum Zeit­punkt der Aus­zah­lung un­ter­schrit­ten ist, be­ja­hen­den­falls ist kein Steu­er­ab­zug vor­zu­neh­men. Von wei­te­ren Zah­lun­gen in die­sem Zeit­raum ist ein Steu­er­ab­zug vor­zu­neh­men, wenn eine Über­schrei­tung des 183-Ta­ges-Zeit­raums des maßgeb­li­chen DBA er­folgt ist."

Die Kläge­rin be­hielt für die von der Ur­laubs- und Lohn­aus­gleichs­kasse der Bau­wirt­schaft an die­sen Ar­beit­neh­mer­kreis ge­leis­te­ten Ab­gel­tungs­zah­lun­gen eben­falls keine Lohn­steuer und kei­nen So­li­da­ritätszu­schlag ein. Eine An­zeige nach § 38 Abs. 4 EStG und § 41c EStG ge­genüber dem Fi­nanz­amt er­folgte in­so­weit nicht, ob­wohl ihr die Ur­laubs- und Lohn­aus­gleichs­kasse der Bau­wirt­schaft re­gelmäßig Über­sich­ten über die an die Ar­beit­neh­mer aus­be­zahl­ten Ur­laubs­vergütun­gen über­sandte, aus de­nen sich auch er­gab, ob bzw. in wel­cher Höhe für den je­wei­li­gen Ar­beit­neh­mer hier­aus Steu­ern ab­geführt wur­den.

Im An­schluss an eine Lohn­steuer-Außenprüfung bei der Kläge­rin ver­trat das Fi­nanz­amt die Auf­fas­sung, dass die Ur­laubs­ab­gel­tungs­an­sprüche der Ar­beit­neh­mer, die un­ter 183 Tage im In­land be­schäftigt wa­ren, von der Ur­laubs- und Lohn­aus­gleichs­kasse der Bau­wirt­schaft der Lohn­steuer zu un­ter­wer­fen seien und er­ließ - ohne vor­he­rige Anhörung - einen ent­spre­chen­den Haf­tungs­be­scheid über Lohn­steuer nebst An­nex­steu­ern zu Las­ten der Kläge­rin.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Die Re­vi­sion des Fi­nanz­amts hatte vor dem BFH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haf­tet der Ar­beit­ge­ber für die Lohn­steuer, die er nach § 38 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 EStG bei je­der Lohn­zah­lung vom Ar­beits­lohn für Rech­nung des Ar­beit­neh­mers ein­zu­be­hal­ten und nach § 41a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG ab­zuführen hat. Er haf­tet gem. § 42d Abs. 9 EStG auch dann, wenn ein Drit­ter nach § 38 Abs. 3a EStG seine lohn­steu­er­li­chen Pflich­ten trägt. In die­sen Fällen haf­tet der Dritte ne­ben dem Ar­beit­ge­ber. So­weit die Haf­tung des Drit­ten reicht, sind der Ar­beit­ge­ber, der Dritte und der Ar­beit­neh­mer Ge­samt­schuld­ner. § 42d Abs. 3 S. 2 bis 4 EStG ist an­zu­wen­den; § 42d Abs. 4 EStG gilt auch für die In­an­spruch­nahme des Drit­ten. Eine Haf­tung des Ar­beit­ge­bers in Fällen des § 38a Abs. 3 EStG kommt da­her nach § 42d Abs. 9 S. 4 EStG i.V.m. § 42d Abs. 3 S. 4 Nr. 1 EStG nur in Be­tracht, wenn der Dritte die Lohn­steuer für den Ar­beit­ge­ber nicht vor­schriftsmäßig vom Ar­beits­lohn ein­be­hal­ten hat.

An einem der­ar­ti­gen Fehl­ver­hal­ten des die Lohn­steu­er­pflich­ten des Ar­beit­ge­bers erfüllen­den Drit­ten - hier der Ur­laubs- und Lohn­aus­gleichs­kasse der Bau­wirt­schaft - fehlt es je­doch vor­lie­gend. Der an­ge­foch­tene Lohn­steu­er­haf­tungs­be­scheid ist da­mit rechts­wid­rig. Denn an ei­ner vor­schrifts­wid­ri­gen Ein­be­hal­tung und Abführung der Lohn­steuer fehlt es, wenn der lohn­steu­er­li­che Ar­beit­ge­ber­pflich­ten wahr­neh­mende Dritte beim Lohn­steu­er­ab­zug ent­spre­chend ei­ner Lohn­steu­er­an­ru­fungs­aus­kunft gem. § 42e EStG verfährt oder den Lohn­steu­er­ab­zug nach den Vor­ga­ben der zuständi­gen Fi­nanz­behörden der Länder oder des Bun­des vor­nimmt. In die­sen Fällen ist es nicht ge­recht­fer­tigt, den Ar­beit­ge­ber oder den lohn­steu­er­li­che Pflich­ten erfüllen­den Drit­ten für einen un­ter­blie­be­nen Lohn­steu­er­ab­zug in An­spruch zu neh­men.

Wenn die Ur­laubs- und Lohn­aus­gleichs­kasse der Bau­wirt­schaft gemäß dem Schrei­ben des Be­triebsstätten­fi­nanz­amts vom 7.3.2005, nach dem - im Ein­ver­neh­men mit dem (sei­nem) Hes­si­schen Mi­nis­te­rium der Fi­nan­zen - für Ar­beit­neh­mer, die un­ter 183 Tage im In­land be­schäftigt sind, bei Ab­gel­tungs­zah­lun­gen kein Lohn­steu­er­ab­zug vor­zu­neh­men ist, in der­ar­ti­gen Fällen keine Lohn­steuer ein­behält und abführt, hat sie folg­lich den "Wei­sun­gen und Vor­schrif­ten" des Auf­trag ge­ben­den Fi­nanz­amts Rech­nung ge­tra­gen und da­mit die Lohn­steuer vor­schriftsmäßig ein­be­hal­ten. Der Haf­tungs­tat­be­stand ist in einem sol­chen Fall nicht erfüllt 

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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