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Grundstückskauf: besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung

BGH 24.1.2014, V ZR 249/12

Ist die Klage auf § 138 BGB gestützt und wird in­so­weit ein gro­bes Miss­verhält­nis be­haup­tet, gibt der Kläger da­mit zu er­ken­nen, dass er sich auf die tatsäch­li­che Ver­mu­tung stützen will. Von einem be­son­ders gro­bes Miss­verhält­nis zwi­schen Leis­tung und Ge­gen­leis­tung, das ohne das Hin­zu­tre­ten wei­te­rer Umstände den Schluss auf eine ver­werf­li­che Ge­sin­nung des Begüns­tig­ten er­laubt, kann bei Grundstücks­kauf­verträgen grundsätz­lich erst ab ei­ner Ver­kehrs­wertüber oder -un­ter­schrei­tung von 90% aus­ge­gan­gen wer­den.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger hatte im Ok­to­ber 2006 ge­genüber dem Be­klag­ten ein no­ta­ri­ell be­ur­kun­de­tes An­ge­bot zum Kauf ei­ner Ei­gen­tums­woh­nung nebst Tief­ga­ra­gen­stell­platz für 118.000 € ab­ge­ge­ben. Der Be­klagte, der die Woh­nung zwei Mo­nate zu­vor für 53.000 € er­wor­ben hatte, nahm das An­ge­bot an. Un­ter Be­ru­fung auf eine sit­ten­wid­rige Überhöhung des Kauf­prei­ses for­derte der Kläger den Be­klag­ten dar­auf­hin zur Rück­ab­wick­lung des Ver­tra­ges auf und machte zu­dem Scha­den­er­satz gel­tend.

LG und OLG wie­sen die Klage ab. Das Be­ru­fungs­ge­richt ging von einem Ver­kehrs­wert der Woh­nung i.H.v. 65.000 € aus. Ein vom Kläger nachträglich ein­ge­hol­tes Pri­vat­gut­ach­ten schätzte den Wert hin­ge­gen auf 61.000 €. Auf die Re­vi­sion des Klägers hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und wies die Sa­che zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das OLG zurück.

Gründe:
Aus­ge­hend von einem be­son­ders gro­ben Miss­verhält­nis zwi­schen Leis­tung und Ge­gen­leis­tung hatte das Be­ru­fungs­ge­richt rechts­feh­ler­haft an­ge­nom­men, der Kläger habe zu den sub­jek­ti­ven Vor­aus­set­zun­gen des wu­cherähn­li­ches Rechts­ge­schäfts nach § 138 Abs. 1 BGB nicht aus­rei­chend vor­ge­tra­gen.

Die bei Vor­lie­gen ei­nes be­son­ders gro­ben Miss­verhält­nis­ses zwi­schen Leis­tung und Ge­gen­leis­tung be­ste­hende Ver­mu­tung für das Vor­lie­gen ei­ner ver­werf­li­chen Ge­sin­nung be­freit die nach­tei­lig be­trof­fene Ver­trags­par­tei zwar nicht von der Be­haup­tungs­last für das Vor­lie­gen des sub­jek­ti­ven Merk­mals ei­nes wu­cherähn­li­chen Rechts­ge­schäfts. An ih­ren Vor­trag sind aber keine ho­hen An­for­de­run­gen zu stel­len. Sie muss die ver­werf­li­che Ge­sin­nung der an­de­ren Ver­trags­par­tei nicht ausdrück­lich be­haup­ten; es genügt, wenn aus dem Kon­text mit dem Vor­trag zu einem gro­ben ob­jek­ti­ven Miss­verhält­nis von Leis­tung und Ge­gen­leis­tung er­sicht­lich ist, dass sich die da­von be­nach­tei­ligte Ver­trags­par­tei auf die dar­aus begründete Ver­mu­tung ei­ner ver­werf­li­chen Ge­sin­nung der an­de­ren Ver­trags­par­tei be­ruft.

Ist die Klage auf § 138 BGB gestützt und wird in­so­weit ein gro­bes Miss­verhält­nis be­haup­tet, gibt der Kläger da­mit zu er­ken­nen, dass er sich auf die tatsäch­li­che Ver­mu­tung stützen will. So war es auch im vor­lie­gen­den Fall. Der Kläger hatte seine Klage mit der Sit­ten­wid­rig­keit des Kauf­ver­tra­ges begründet. Darüber hin­aus hatte er sich un­ter Hin­weis auf die ein­schlägige Se­nats­recht­spre­chung ausdrück­lich auf die durch ein gro­bes ob­jek­ti­ves Miss­verhält­nis von Leis­tung und Ge­gen­leis­tung begründete Ver­mu­tung ei­ner ver­werf­li­chen Ge­sin­nung der an­de­ren Ver­trags­par­tei be­ru­fen. Ei­nes wei­ter­ge­hen­den Sach­vor­tra­ges be­durfte es so­mit nicht. In­fol­ge­des­sen konnte das an­ge­foch­tene Ur­teil kei­nen Be­stand ha­ben.

Von einem be­son­ders gro­bes Miss­verhält­nis zwi­schen Leis­tung und Ge­gen­leis­tung, das ohne das Hin­zu­tre­ten wei­te­rer Umstände den Schluss auf eine ver­werf­li­che Ge­sin­nung des Begüns­tig­ten er­laubt, kann bei Grundstücks­kauf­verträgen grundsätz­lich erst ab ei­ner Ver­kehrs­wertüber oder -un­ter­schrei­tung von 90% aus­ge­gan­gen wer­den. Das lag bei den vom Be­ru­fungs­ge­richt zu­grunde ge­leg­ten Wert­verhält­nis­sen von 118.000 € zu 65.000 € noch nicht vor. Das Ge­richt war aber - aus sei­ner Sicht fol­ge­rich­tig - den vom Kläger un­ter Hin­weis auf das nachträglich ein­ge­holte Pri­vat­gut­ach­ten, das den Ver­kehrs­wert auf 61.000 € ge­schätzt hatte und da­mit zu ei­ner für die An­nahme ei­nes be­son­ders gro­ben Miss­verhält­nis­ses aus­rei­chen­den Über­teue­rung von 93 % ge­langt war, er­ho­be­nen Ein­wen­dun­gen ge­gen die in dem Ge­richts­gut­ach­ten vor­ge­nom­mene Wert­fest­stel­lung nicht nach­ge­gan­gen. Dies wird es nun nach­zu­ho­len ha­ben.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BGH veröff­ent­licht.
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