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Grunderwerbsteuer: Rückgängigmachung eines Erwerbsvorgangs bei anschließendem Anteilsverkauf

FG Hamburg 1.2.2016, 3 K 130/15

Ein Grundstücks­kauf­ver­trag ist auch dann vollständig "rückgängig ge­macht" i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, wenn er zi­vil­recht­lich auf­ge­ho­ben wird und in der­sel­ben Ur­kunde die An­teile an der grundstücks­veräußern­den Ka­pi­tal­ge­sell­schaft zu 94 Pro­zent an die Mut­ter­ge­sell­schaft der Er­wer­be­rin veräußert wer­den. Die für den vollständi­gen Er­werb der An­teile am Ge­sell­schafts­vermögen ei­ner Per­so­nen­ge­sell­schaft auf­ge­stell­ten Grundsätze sind auf die­sen Fall nicht zu über­tra­gen.

Der Sach­ver­halt:
Zwi­schen den Be­tei­lig­ten ist strei­tig, ob ein Grundstücks­kauf­ver­trag i. S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG rückgängig ge­macht wurde. Die Kläge­rin hatte mit ei­ner GmbH einen Kauf­ver­trag über ein Gebäude auf frem­dem Grund und Bo­den ge­schlos­sen. Als der Grundstück­ei­gentümer die er­for­der­li­che Zu­stim­mung zum Ein­tritt der Kläge­rin in den be­ste­hen­den Grundstücks­miet­ver­trag ver­wei­gerte, hob man den Grundstücks­kauf­ver­trag wie­der auf. In der­sel­ben Ur­kunde wurde die Über­tra­gung der An­teile an der GmbH zu 94 Pro­zent auf die Mut­ter­ge­sell­schaft der Kläge­rin und zu 6 Pro­zent auf eine dritte Ge­sell­schaft ver­ein­bart.

Das Fi­nanz­amt lehnte die Auf­he­bung des be­reits er­gan­ge­nen Grund­er­werb­steu­er­be­scheids mit der Begründung ab, der Kauf­ver­trag sei nicht rückgängig ge­macht wor­den, weil die Kläge­rin eine be­herr­schende Be­tei­li­gung an der GmbH er­wor­ben habe. Hier­ge­gen wen­det sich die Kläge­rin mit ih­rer Klage. Sie trägt vor, dass die Vor­aus­set­zun­gen für eine Auf­he­bung des Grund­er­werb­steu­er­be­schei­des gem. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vorlägen. Der Kauf­ver­trag über das Gebäude sei in­ner­halb von zwei Jah­ren rückgängig ge­macht wor­den, be­vor das Ei­gen­tum auf sie, die Kläge­rin, über­ge­gan­gen sei. Die von der Recht­spre­chung ent­wi­ckel­ten Vor­aus­set­zun­gen für eine "Rückgängig­ma­chung" in die­sem Sinne seien erfüllt.

Das FG gab der Klage statt. Der Ge­richts­be­scheid ist nicht rechtskräftig. Die beim BFh anhängige Re­vi­sion wird dort un­ter dem Az. II R 10/16 geführt.

Die Gründe:
Der Be­klagte ist gem. § 16 Abs. 1 Nr. 1 FGO zur Auf­he­bung des Grund­er­werb­steu­er­be­schei­des ver­pflich­tet.

Die Recht­spre­chung des BFH zu den sog. Wei­ter­veräußerungsfällen ist auf den vor­lie­gen­den Fall nicht zu über­tra­gen. Nach ihr liegt keine Rückgängig­ma­chung ei­nes Kauf­ver­trags i.S.d. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vor, wenn der Käufer die Ver­trags­auf­he­bung zum an­schließen­den Er­werb des Grundstücks bzw. der Grundstücks­ge­sell­schaft an eine von ihm aus­gewählte dritte Per­son nut­zen konnte.

Le­dig­lich an die un­mit­tel­bare oder mit­tel­bare Be­tei­li­gung von min­des­tens 95 Pro­zent wer­den grund­er­werb­steu­er­recht­li­che Fol­gen geknüpft (vgl. § 1 Abs. 3 und 3a GrEStG). Diese 95 %-Grenze ist der Vor­schrift des § 327a AktG ent­lehnt. Sie räumt dem In­ha­ber eine Rechts­macht ein, die die vollständige Be­herr­schung der Ka­pi­tal­ge­sell­schaft er­laubt, so­dass die fik­tive Gleich­stel­lung mit dem Ei­gentümer des Ge­sell­schafts­grundstücks ge­recht­fer­tigt ist

Da­her ließe sich die Recht­spre­chung des BFH grundsätz­lich auf Ka­pi­tal­ge­sell­schaf­ten über­tra­gen. Al­ler­dings wäre hier­bei eine ver­gleich­bare "wirt­schaft­li­che Zu­eig­nung" des Grundstücks durch die Ge­sell­schaf­ter der Ka­pi­tal­ge­sell­schaft nur ge­recht­fer­tigt, wenn un­mit­tel­bar oder mit­tel­bar min­des­tens 95 Pro­zent der An­teile der grund­be­sit­zen­den Ge­sell­schaft über­tra­gen würden, weil es nur so zu ei­ner grund­er­werb­steu­er­recht­lich re­le­van­ten Ände­rung der Rechts­zuständig­keit und der wirt­schaft­li­chen Be­rech­ti­gung käme.

Bei ei­ner Über­tra­gung von we­ni­ger als 95 Pro­zent der An­teile an der grund­be­sit­zen­den Ka­pi­tal­ge­sell­schaft liegt da­ge­gen un­ge­ach­tet der ge­sell­schafts­recht­li­chen Möglich­keit ei­nes Ge­sell­schaf­ters mit ei­ner Mehr­heits­be­tei­li­gung un­ter­halb die­ser Schwelle, auf das wei­tere Schick­sal des Grundstücks Ein­fluss zu neh­men, keine grund­er­werb­steu­er­recht­lich re­le­vante Ver­wer­tung der Rechts­po­si­tion aus dem rückgängig ge­mach­ten Er­werb im Sinne ei­ner "wirt­schaft­li­chen Zu­eig­nung" des Grundstücks vor.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des FG Ham­burg veröff­ent­licht.
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