Mittlerweile gibt es immer mehr europarechtliche und nationale Vorschriften für mehr Nachhaltigkeit auf den Finanzmärkten. Diese sind auch für den Mittelstand relevant.

Der Trend zu grünen Finanzmärkten ist das Ergebnis zahlreicher Initiativen der Politik, wie eine Studie von Ebner Stolz mit der Transformationsberatung Stakeholder Reporting über die Regulierung in puncto Nachhaltigkeit veranschaulicht. Während bisher politisch noch zurückhaltend und primär über die CSR-Richtlinie und die überarbeitete Aktionärsrechterichtlinie Einfluss auf die Nachhaltigkeit der Unternehmen genommen wurde, fokussiert sich die Politik nun zusätzlich auf die Kapitalmarkt-Akteure.
Ausgangspunkt dieser Entwicklung ist der Aktionsplan der EU-Kommission zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums Anfang 2018. Damit sollen insbesondere die Kapitalströme in nachhaltige Investitionen umgelenkt werden, um den zur Erreichung der EU-Klima- und Energieziele geschätzten Investitionsbedarf von jährlich 180 bis 270 Mrd. Euro zu decken. Hierzu wurden diverse Verordnungsvorschläge veröffentlicht, die von einer einheitlichen Klassifikation sog. nachhaltiger Investments („Taxonomie“) über ein EU-Kennzeichnungssystem für umweltfreundliche Finanzprodukte („Green Bond Standard“) bis hin zu einer verpflichtenden Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in der Beratung privater und institutioneller Anleger reichen.
Banken und Versicherungsgesellschaften kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, da sie wesentlich zur Finanzierung der Unternehmen beitragen. Gleichzeitig sind ihre Investitionen in möglicherweise nicht (mehr) nachhaltige Geschäftsmodelle auch für die Stabilität des EU-Finanzsystems relevant und somit von aufsichtsrechtlicher Bedeutung: Laut Aktionsplan sind fast 50 % der Risikoexponierung der Banken im Euro-Währungsgebiet direkt oder indirekt mit klimawandelbedingten Risiken verbunden. Um dem zu begegnen, soll das Risikomanagement von Finanzdienstleistern auch die finanziellen Risiken aus Klimawandel und Umweltschäden transparent machen. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hat im Dezember 2019 ein Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken veröffentlicht, das über die „Good-Practice-Ansätze“ für Banken, Versicherungen und Pensionsfonds im Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken hinaus insbesondere deren Einbindung in das Risikomangement zum Gegenstand hat. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) stellt Klimarisiken in den Kern der Mission jeder Institution.
Was bedeutet diese Entwicklung für die Unternehmen außerhalb der Finanzbranche? Ihnen drohen neben den Reputationsrisiken für nicht nachhaltige Produkte, Einkaufs- und Produktionsbedingungen auch schlechtere Finanzierungskonditionen. Erste Banken erhöhen die Finanzierungskosten oder kürzen CO2-intensiven Unternehmen die Kreditlinien. Zusätzlich ziehen sich die ersten großen Kapitalgeber aus der Finanzierung nicht nachhaltiger Investments zurück.
Gleichzeitig nimmt der Einfluss der Nachhaltigkeit auf die Geschäftsstrategie weiter zu, und zwar auch für Unternehmen, die nicht wie börsennotierte Konzerne über Nachhaltigkeitsrisiken berichten müssen. Denn die Berichtspflichten für Konzerne strahlen immer stärker auf den Mittelstand aus: Nachhaltigkeit wird zu einem verpflichtenden Vergabekriterium für Zulieferer gemacht. Bei Verstößen gegen Menschenrechte und Sorgfaltspflichten - auch der eigenen Zulieferer - drohen drastische Strafen. Auch bereitet die Bundesregierung mit dem sog. Lieferkettengesetz weitere gesetzliche Maßnahmen vor.
Im Gegenzug bieten sich Chancen für Unternehmen, die sich und ihre Produkte nachhaltig aufstellen. Von den Plänen der EU-Kommission, die im Rahmen des sog. Green Deal eine Billion Euro für Investitionen in den Klimaschutz bereitstellen möchte, können bspw. Projekte für das Recycling von Batterien sowie die Produktion und Nutzung nachhaltiger alternativer Kraftstoffe profitieren. Zu Gute kommen kann dies auch Vorhaben, um Strom aus erneuerbaren Energien besser speichern und transportieren zu können oder die Stromnetze an die höheren Temperaturschwankungen anzupassen.
Laut der Nachhaltigkeitsstudie von Ebner Stolz und Stakeholder Reporting hat der Mittelstand noch großen Nachholbedarf, seine Bemühungen und Einzelmaßnahmen in eine Gesamtstrategie und messbare Ziele zu übersetzen und damit einen klaren Handlungs- und Orientierungsrahmen zu schaffen. Die neuen Regeln für Sustainable Finance sollten der Startschuss sein, eine ESG-Strategie (Strategie für „environment, social and governance“-Fragen) zu erarbeiten, die in Aufwand und Kosten zum Unternehmen passt. Nicht nur im Hinblick auf die Finanzierungskonditionen wird immer mehr zur Gewissheit: Ohne Nachhaltigkeit kein wirtschaftlicher Erfolg.
Wesentliche Ergebnisse der Studie sind in der Broschüre „Nachhaltigkeit im Mittelstand“ zusammengefasst.