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Steuerberatung

Gewinnrealisierung bei Vorschussentnahme durch Insolvenzverwalter?

BFH v. 7.11.2018 - IV R 20/16

Bei dem An­spruch des In­sol­venz­ver­wal­ters nach § 9 In­sVV han­delt es sich um einen An­spruch auf Vor­schuss auf die (endgültige) Vergütung, der bei einem bi­lan­zie­ren­den In­sol­venz­ver­wal­ter noch nicht zur Ge­winn­rea­li­sie­rung führt. Die Berück­sich­ti­gung von Ge­winn­an­tei­len ei­nes Un­ter­be­tei­lig­ten als Son­der­be­triebs­aus­ga­ben des Haupt­be­tei­lig­ten setzt vor­aus, dass der Un­ter­be­tei­ligte eine Ein­lage leis­tet.

Der Sach­ver­halt:

Die Kläge­rin zu 1) ist eine GbR, an der zu je 50 % A und B, der Kläger zu 2), be­tei­ligt sind. Die GbR ist auf dem Ge­biet der Un­ter­neh­mens­be­ra­tung/In­sol­venz­ver­wal­tung tätig. Zum 1.5.2008 hatte sie ih­ren Be­trieb an eine KG ver­pach­tet, wo­bei sich der Um­fang der ab­ge­tre­te­nen An­sprüche aus noch nicht vollständig ab­ge­wi­ckel­ten In­sol­venz­ver­fah­ren - wie u.a. aus dem In­sol­venz­ver­fah­ren der Y-GmbH - er­gab; da­nach stan­den auch et­waige An­sprüche aus dem Ver­fah­ren der Y-GmbH der GbR zu.

So da­tierte eine vom 6.7.1997 als "Ver­trag über die Er­rich­tung ei­ner In­nen­ge­sell­schaft" be­zeich­nete Ver­ein­ba­rung zwi­schen dem Ge­sell­schaf­ter B und sei­ner Ehe­frau E. Seit dem 1.1.2008 (Streit­jahr) er­mit­telt die GbR ih­ren Ge­winn durch Be­triebs­vermögens­ver­gleich. Im Jah­res­ab­schluss auf den 31.12.2008 pas­si­vierte sie als "er­hal­tene An­zah­lun­gen" einen Vor­schuss auf die Vergütung des B als In­sol­venz­ver­wal­ter in dem In­sol­venz­ver­fah­ren der Y-GmbH, den das AG mit Be­schluss vom 4.6.2008 be­wil­ligt hatte.

Das Fi­nanz­amt erhöhte den Ge­winn um die er­hal­tene An­zah­lung, da es mit dem Zu­fluss i.S.d. § 252 Abs. 1 Nr. 4 Hs. 2 HGB rea­li­siert wor­den sei. Die gel­tend ge­machte Un­ter­be­tei­li­gung wurde steu­er­lich nicht an­er­kannt, da diese un­ter na­hen An­gehöri­gen ge­schlos­sene Ver­ein­ba­rung einem Fremd­ver­gleich nicht stand­halte. Die In­nen­ge­sell­schaft sei da­her steu­er­lich nicht an­zu­er­ken­nen, so dass auch die Son­der­be­triebs­aus­ga­ben des B zu ver­min­dern seien.

Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ins­ge­samt ab. Auf die Re­vi­sion der Kläger hob der BFH das Ur­teil auf und gab der Klage statt, so­weit sie sich ge­gen die ge­winn­rea­li­sie­rende Berück­sich­ti­gung des Vor­schus­ses wen­dete. Da­ge­gen wies er die Re­vi­sion hin­sicht­lich der steu­er­li­chen An­er­ken­nung der Un­ter­be­tei­li­gung als un­begründet zurück.

Gründe:

Bi­lan­zie­rung des Vor­schus­ses

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG hat die GbR in ih­ren Bi­lan­zen das Be­triebs­vermögen an­zu­set­zen, das nach den han­dels­recht­li­chen Grundsätzen ord­nungsmäßiger Buchführung (GoB) aus­zu­wei­sen ist. Zu die­sen GoB gehört das in § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halb­satz 2 HGB ge­re­gelte Rea­li­sa­ti­ons­prin­zip, dem­zu­folge Ge­winne nur dann zu berück­sich­ti­gen sind, wenn sie am Ab­schluss­stich­tag rea­li­siert sind.

Ge­winn­rea­li­sie­rung ist ge­ge­ben, wenn der Leis­tungs­ver­pflich­tete die von ihm ge­schul­dete Erfüllungs­hand­lung er­bracht hat, d.h. seine Ver­pflich­tung "wirt­schaft­lich erfüllt" hat. Da­mit steht dem Leis­ten­den der An­spruch auf die Ge­gen­leis­tung (die Zah­lung) so gut wie si­cher zu. Sein Ri­siko re­du­ziert sich dar­auf, dass der Empfänger im Ein­zel­fall Gewähr­leis­tungs- oder Scha­dens­er­satz­an­sprüche gel­tend macht oder sich als zah­lungs­unfähig er­weist. Dann aber ist der Schwe­be­zu­stand des zu­grunde lie­gen­den Ge­schäfts be­en­det und der Ge­winn aus die­ser Leis­tungs­be­zie­hung gemäß § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB rea­li­siert.

Eine Dienst- oder Werkleis­tung ist da­nach "wirt­schaft­lich erfüllt", wenn sie - ab­ge­se­hen von un­we­sent­li­chen Ne­ben­leis­tun­gen - er­bracht wor­den ist. Bei Werk­verträgen i.S.d. § 631 BGB be­darf es außer­dem der Ab­nahme des Werks durch den Be­stel­ler, um die han­dels- und steu­er­recht­li­che Ge­winn­rea­li­sie­rung her­bei­zuführen. Ohne Be­deu­tung ist hin­ge­gen, ob am Bi­lanz­stich­tag die Rech­nung be­reits er­teilt ist, ob die gel­tend ge­mach­ten An­sprüche noch ab­ge­rech­net wer­den müssen oder ob die For­de­rung erst nach dem Bi­lanz­stich­tag fällig wird.

Hat der Leis­tungs­ver­pflich­tete bis­her nur Teil­leis­tun­gen er­bracht, ist die Ge­winn­rea­li­sie­rung zu be­ja­hen, so­weit es sich um selbständig ab­re­chen­bare und vergütungsfähige Teil­leis­tun­gen han­delt, auf de­ren Vergütung ein selbständi­ger Ho­no­raran­spruch nach ei­ner Gebühren­ord­nung oder auf­grund von Son­der­ab­ma­chun­gen be­steht.

Von ei­ner (Teil )Ge­winn­rea­li­sie­rung kann hin­ge­gen nicht aus­ge­gan­gen wer­den, wenn es sich bei dem für die (Teil)Leis­tung ent­stan­de­nen An­spruch le­dig­lich um einen sol­chen auf Zah­lung ei­nes Ab­schlags oder ei­nes Vor­schus­ses han­delt. An­zah­lun­gen in die­sem Sinne sind Vor­leis­tun­gen ei­nes Ver­trags­teils auf schwe­bende Ge­schäfte. Sie lie­gen folg­lich im All­ge­mei­nen nur dann vor, wenn es sich um Vor­leis­tun­gen auf eine noch zu er­brin­gende Lie­fe­rung oder Leis­tung han­delt.

Der In­sol­venz­ver­wal­ter er­bringt seine Leis­tung zwar nicht auf­grund ei­nes Werk- oder Dienst­ver­trags oder ei­nes sons­ti­gen ge­gen­sei­ti­gen schuld­recht­li­chen Ver­trags. Auch er er­bringt aber eine Leis­tung (Ge­schäftsführung), für die er durch eine Vergütung ent­lohnt wird. In­so­weit ist es ge­recht­fer­tigt, die dar­ge­stell­ten Grundsätze zur Ge­winn­rea­li­sie­rung ent­spre­chend auch auf den In­sol­venz­ver­wal­ter an­zu­wen­den.

Da­nach han­delt es sich bei dem An­spruch des In­sol­venz­ver­wal­ters nach § 9 In­sVV um einen bloßen An­spruch auf Vor­schuss auf die (endgültige) Vergütung, der noch nicht zur Ge­winn­rea­li­sie­rung führt. § 9 In­sVV nor­miert kei­nen selbständi­gen Vergütungs­an­spruch für eine selbständig ab­re­chen­bare und vergütungsfähige Teil­leis­tung. Die Norm will le­dig­lich ver­hin­dern, dass der In­sol­venz­ver­wal­ter, der mit sei­ner Tätig­keit zunächst auf ei­gene Kos­ten und ei­ge­nes Ri­siko vor­leis­tungs­pflich­tig ist, allzu hohe Vor­leis­tun­gen er­bringt, und will ihn zu­dem vor einem Aus­fall we­gen Mas­se­un­zuläng­lich­keit schützen.

Zu die­sem Zweck kann der In­sol­venz­ver­wal­ter be­zo­gen auf sei­nen Vergütungs­an­spruch für seine ins­ge­samt zu er­brin­gende Tätig­keit einen Vor­schuss be­an­tra­gen, der sich le­dig­lich der Höhe nach da­nach be­misst, was nach der­zei­ti­gem Stand von der erst später fest­zu­set­zen­den Vergütung vor­aus­sicht­lich auf die be­reits ge­leis­tete Tätig­keit entfällt. Es han­delt sich nicht um die Vergütung des In­sol­venz­ver­wal­ters als sol­che, son­dern nur um einen Vor­schuss auf diese. Das In­sol­venz­ge­richt trifft im Rah­men der Ent­schei­dung nach § 9 In­sVV keine endgültige, son­dern nur eine vorläufige Ent­schei­dung über die Vergütung. Die Zu­stim­mung zur Ent­nahme ei­nes Vor­schus­ses nach § 9 In­sVV bin­det das In­sol­venz­ge­richt dem­ent­spre­chend auch hin­sicht­lich der Höhe der endgülti­gen Fest­set­zung nicht.

Er­gibt sich bei Fest­set­zung der (endgülti­gen) Vergütung, dass diese ge­rin­ger ist als dar­auf be­reits ge­leis­tete Vor­schüsse, hat der In­sol­venz­ver­wal­ter die Dif­fe­renz zu er­stat­ten. Bei dem in § 9 In­sVV vor­ge­se­he­nen Be­trag, den der In­sol­venz­ver­wal­ter mit Zu­stim­mung des In­sol­venz­ge­richts aus der In­sol­venz­masse ent­neh­men darf, han­delt es sich also nicht um die Vergütung für eine selbständig ab­re­chen­bare und vergütungsfähige Teil­leis­tung, son­dern - wofür nicht zu­letzt auch der Wort­laut der Norm spricht - um einen bloßen Vor­schuss auf die (endgültige) Vergütung, der noch nicht zu ei­ner Ge­winn­rea­li­sie­rung führt.

Aty­pi­sch stille Un­ter­be­tei­li­gung

Bei der (ty­pi­sch) stil­len Un­ter­be­tei­li­gung am Ge­sell­schafts­an­teil ei­nes an­de­ren han­delt es sich um die Be­tei­li­gung ei­nes Drit­ten (Un­ter­be­tei­lig­ten) an dem Ge­sell­schafts­an­teil des Haupt­be­tei­lig­ten. Zwi­schen dem Haupt­be­tei­lig­ten und dem Un­ter­be­tei­lig­ten kommt eine bürger­lich-recht­li­che In­nen­ge­sell­schaft ohne Ge­samt­hands­vermögen zu­stande, in der dem Drit­ten eine schuld­recht­li­che Mit­be­rech­ti­gung zu­min­dest am Ge­winn des Ge­sell­schafts­an­teils des Haupt­be­tei­lig­ten ein­geräumt wird.

Die (ty­pi­sch) stille Un­ter­be­tei­li­gung an einem Ge­sell­schafts­an­teil kann so­wohl ent­gelt­lich er­wor­ben wer­den als auch Ge­gen­stand ei­ner Schen­kung sein. Die steu­er­li­che Berück­sich­ti­gung von Ge­winn­an­tei­len ei­nes Un­ter­be­tei­lig­ten als Son­der­be­triebs­aus­ga­ben des Haupt­be­tei­lig­ten kommt al­ler­dings nur in Be­tracht, wenn die Begründung der stil­len Un­ter­be­tei­li­gung be­trieb­lich ver­an­lasst ist (§ 4 Abs. 4 EStG). Denn Be­triebs­aus­ga­ben sind nur sol­che Auf­wen­dun­gen des Steu­er­pflich­ti­gen, die durch den Be­trieb ver­an­lasst sind. Be­zo­gen auf die Begründung ei­ner stil­len Un­ter­be­tei­li­gung an einem Ge­sell­schafts­an­teil des Haupt­be­tei­lig­ten setzt dies vor­aus, dass dem Be­trieb durch den Un­ter­be­tei­lig­ten Mit­tel zu­geführt wer­den, er also eine Ein­lage leis­tet. Da­bei kann da­hin­ste­hen, ob das Ent­gelt für die Einräum­ung der (ty­pi­sch) stil­len Un­ter­be­tei­li­gung auch in Form von Diens­ten er­bracht wer­den könnte. Denn im Streit­fall wur­den et­waige Dienste je­den­falls nicht in fremdübli­cher Weise ver­ein­bart und im Übri­gen ihre Er­brin­gung auch nicht nach­ge­wie­sen.

Nach den Fest­stel­lun­gen der Vor­in­stanz hat E nach dem Un­ter­be­tei­li­gungs­ver­trag des­sen Wort­laut nach ge­schul­dete Ar­beits­leis­tun­gen je­den­falls we­der hin­rei­chend dar­ge­legt noch glaub­haft ge­macht. Ab­ge­se­hen da­von würden fremde Dritte eine als Ent­gelt für die Einräum­ung ei­ner Un­ter­be­tei­li­gung ge­schul­dete Ar­beits­leis­tung (so­fern eine Ein­lage über­haupt in Form von Diens­ten er­bracht wer­den kann) min­des­tens dem Um­fang nach kon­kret be­zeich­nen. Eine Ver­ein­ba­rung, der zu­folge die Un­ter­be­tei­ligte "im Be­darfs­fall fall­weise ihre persönli­che Ar­beits­kraft in die In­nen­ge­sell­schaft" ein­bringt, genügt ei­ner fremdübli­chen Be­zeich­nung der ge­schul­de­ten Ge­gen­leis­tung da­nach nicht.

Un­ge­ach­tet der Frage, ob Dienste über­haupt als Ent­gelt für die Einräum­ung ei­ner Un­ter­be­tei­li­gung in Be­tracht kom­men, er­folg­ten die fa­miliären Un­terstützungs­leis­tun­gen der E, die mit der Einräum­ung der Un­ter­be­tei­li­gung ent­gol­ten wer­den soll­ten, nicht im be­trieb­li­chen In­ter­esse. Denn es fehlt schon an ei­ner Ein­lage in den Be­trieb. Die be­trieb­li­che Ver­an­las­sung der Einräum­ung der Un­ter­be­tei­li­gung kann da­her auch nicht darin ge­se­hen wer­den, dass der Ge­sell­schaf­ter B auf diese Weise dem Be­trieb keine Mit­tel für den pri­va­ten Un­ter­halt sei­ner Fa­mi­lie ent­neh­men mus­ste. Außer­dem dient die Hin­zu­rech­nung von Ent­nah­men (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG) im Rah­men des Be­triebs­vermögens­ver­gleichs nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG ge­rade dazu, pri­vat ver­an­lasste Auf­wen­dun­gen zu neu­tra­li­sie­ren.

Link­hin­weis:

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