Nachdem am 24.03.2022 das Bundeministerium der Justiz den Referentenentwurf eines Gesetzes für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden vorgelegt hatte, hat nun das Bundeskabinett am 27.07.2022 einen entsprechenden Gesetzentwurf - mit lediglich geringfügigen Änderungen - beschlossen und in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht. Mit einem Inkrafttreten des Gesetzes kann somit weiterhin noch dieses Jahr gerechnet werden. Eine zeitnahe Implementierung eines Hinweisgebersystems ist für größere Unternehmen unumgänglich. Bei Verstößen gegen die gesetzlichen Vorgaben drohen u.a. empfindliche Geldbußen. Kleinere Unternehmen sollten dieses Vorhaben ebenfalls nicht auf die lange Bank schieben und zumindest schon einmal mit den Vorbereitungen beginnen.

Ab wann muss ein Hinweisgebersystem implementiert sein?
Die Richtlinie (EU) 2019/1937 (sog. „Whistleblower-Richtlinie“) hätte bereits bis zum 17.12.2021 in deutsches Recht umgesetzt werden müssen. Allerdings ist das in der vergangenen Legislaturperiode eingeleitete Gesetzgebungsverfahren zunächst gescheitert, so dass die Umsetzungsfrist nicht eingehalten wurde und die EU-Kommission bereits Anfang des Jahres ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleitete. Mittlerweile wurde bereits der nächste Schritt getan und Deutschland hat nun zwei Monate Zeit, die Bedenken der EU-Kommission auszuräumen. Andernfalls droht eine Klage vor dem EuGH. Für Unternehmen aus dem öffentlichen Sektor dürfte jedoch von einer unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinie auszugehen sein, so dass hier entsprechende Hinweisgebersysteme bereits implementiert sein müssten.
Private Unternehmen können grundsätzlich die Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht abwarten. Damit ist nun zeitnah zu rechnen, auch wenn derzeit noch offen ist, wann das Gesetz verkündet werden soll. Mangels entsprechender Übergangsfrist wird die Pflicht für Unternehmen mit mehr als 249 Mitarbeitern nach der allgemeinen Anwendungsregelung drei Monate nach der Gesetzesverkündung bestehen. Lediglich Arbeitgeber mit in der Regel 50 bis 249 Beschäftigten müssen ein entsprechendes Hinweisgebersystem erst zum 17.12.2023 implementieren, § 42 HinSchG-E.
Welche Unternehmen sind betroffen?
Die Pflicht zur Implementierung eines Hinweisgebersystems trifft grundsätzlich alle privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Unternehmen mit jeweils in der Regel mindestens 50 Beschäftigten. In § 12 Abs. 3 HinSchG-E wird die Pflicht für bestimmte Unternehmen unabhängig von ihrer Beschäftigtenzahl angeordnet. Erleichterungen bestehen hierbei grundsätzlich nur für mittelgroße Unternehmen mit einer Beschäftigtenzahl von 50 bis 249 Mitarbeitern. Nach § 14 Abs. 2 HinSchG-E können diese Unternehmen für die Entgegennahme von Meldungen und für die weiteren nach diesem Gesetz vorgesehenen Maßnahmen eine gemeinsame Stelle einrichten und betreiben. Sie bleiben aber weiterhin verpflichtet, den Verstoß abzustellen und dem Hinweisgeber Rückmeldung zu erteilen. Für konzernangehörige Gesellschaften ist insoweit eine Erleichterung vorgesehen, als dass auch bei einer anderen Konzerngesellschaft eine unabhängige und vertrauliche Stelle als „Dritter“ eingerichtet werden kann, die auch für mehrere selbstständige Unternehmen in dem Konzern tätig sein kann. Interne Meldungen müssen sodann auch in der im jeweiligen beauftragenden Tochterunternehmen vorherrschenden Arbeitssprache möglich sein. Durch die Beauftragung einer zentralen Meldestelle bei einer Konzerngesellschaft dürfen keine zusätzlichen Hürden für hinweisgebende Personen aufgebaut werden. Eine solche Auslegung widerspricht jedoch der Stellungnahme der EU-Kommission. Es bleibt abzuwarten, ob sie Bestand haben wird.
Soweit der Bund oder ein Land Beschäftigungsgeber ist, können die obersten Bundes- oder Landesbehörden Organisationseinheiten in Form von einzelnen oder mehreren Behörden, Verwaltungsstellen, Betrieben oder Gerichten bestimmen, die interne Meldestellen einzurichten und zu betreiben haben. Für Gemeinden und Gemeindeverbände richtet sich die Pflicht nach dem jeweiligen Landesrecht. Insoweit kann im jeweiligen Landesrecht auch vorgesehen werden, dass Gemeinde und Gemeindeverbände mit weniger als 10.000 Einwohnern von der Pflicht zur Einrichtung interner Meldestellen ausgenommen werden. Für diese ist bereits jetzt von einer unmittelbaren Geltung der EU-Richtlinie auszugehen.
Welche Arten von Hinweisgebersystemen sind möglich?
Für die hinweisgebenden Personen bestehen grundsätzlich zwei gleichwertig nebeneinanderstehende Meldewege. Hierbei handelt es sich zum einen um interne und zum anderen um externe Meldekanäle, § 7 HinSchG-E.
Interne Meldekanäle
Bei der genauen Ausgestaltung des internen Meldekanals besteht Gestaltungsspielraum, §§ 12 ff. HinSchG-E. Die interne Meldestelle kann eingerichtet werden, indem eine bei dem jeweiligen Beschäftigungsgeber beschäftigte Person, eine aus mehreren beschäftigten Personen bestehende Arbeitseinheit oder ein Dritter mit den Aufgaben der internen Meldestelle betraut wird. Damit kann insbesondere auch ein Rechtsanwalt als externe Ombudsperson mit den Aufgaben der internen Meldestelle beauftragt werden. In jedem Fall benötigt die betreffende Person hinreichende Kompetenzen, um die notwendige rechtliche Bewertung der Meldungen vornehmen zu können.
Zu den Aufgaben der internen Meldestelle gehört das Betreiben der Meldekanäle, die Durchführung des Verfahrens nach § 17 HinSchG-E sowie das Ergreifen von angemessenen Folgemaßnahmen.
Die Meldewege müssen so ausgestaltet sein, dass die Hinweise in schriftlicher oder mündlicher Form erfolgen können. Als Hinweisgebersystem bietet sich in erster Linie die Einrichtung einer elektronischen Meldemöglichkeit an; grundsätzlich genügt auch ein unternehmensinterner Briefkasten, wobei diese Option mit Blick auf die gesetzlichen Vorgaben einen erheblichen organisatorischen Aufwand erfordert. Außerdem muss auf Wunsch des Hinweisgebers auch eine physische Zusammenkunft innerhalb eines angemessenen Zeitrahmens ermöglicht werden. Die Möglichkeit für hinweisgebende Personen, ein persönliches Gespräch zu führen, hat insbesondere bei der Betrauung eines Dritten mit den Aufgaben einer internen Meldestelle eine herausragende Bedeutung.
Anonyme Hinweise müssen nach wie vor nicht ermöglicht werden. In § 16 Abs. 1 HinSchG-E wird nunmehr jedoch klargestellt, dass anonyme Meldungen dennoch bearbeitet werden sollen, soweit die vorrangige Bearbeitung nichtanonymer Meldungen nicht gefährdet wird. Dies darf nicht mit dem Vertraulichkeitsgebot verwechselt werden. Geht eine Whistleblower-Meldung im Unternehmen ein, ist die Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers, der Personen, die Gegenstand der Meldung sind und sonstiger in der Meldung genannten Personen, zu wahren, § 8 HinSchG-E. Ausnahmen von diesem Vertraulichkeitsgebot sind nur in sehr eng begrenzten Fällen vorgesehen, vgl. § 9 HinSchG-E.
Der interne Meldekanal muss zumindest den Beschäftigten und Leiharbeitnehmern des Unternehmens offenstehen. Freiwillig kann das Hinweisgebersystem auch solchen Personen zugänglich gemacht werden, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit mit dem jeweiligen Unternehmen in Kontakt stehen. Hierbei handelt es sich etwa um Organmitglieder und Aktionäre des Unternehmens, Bewerber, Selbstständige bzw. ehemalige Arbeitnehmer.
Externe Meldekanäle
Neben der Etablierung eines internen Meldesystems müssen die Unternehmen ihren Mitarbeitern als potenziellen Hinweisgebern aber auch verständliche und leicht zugängliche Informationen über die Möglichkeiten externer Meldungen an bestimmte Behörden erteilen.
Die interne Meldung hat keinen Vorrang. Der Hinweisgeber kann entscheiden, ob er Verstöße unternehmensintern meldet oder sich extern an eine Behörde wendet, § 7 Abs. 1 HinSchG-E. Unternehmen sollten deshalb im eigenen Interesse dafür Sorge tragen und Anreize schaffen, dass das interne Meldesystem in Anspruch genommen wird.
Welche Meldungen genießen Whistleblower-Schutz?
Das Hinweisgeberschutzgesetz geht in seinem Anwendungsbereich über die Vorgaben der EU-Richtlinie hinaus. Danach sind Hinweisgeber bei der Meldung von Verstößen geschützt, die strafbewehrt oder (mit einigen Einschränkungen) bußgeldbewehrt sind, § 2 Abs. 1 und 2 HinSchG-E. Darüber hinaus erstreckt sich der sachliche Anwendungsbereich auf sonstige Verstöße gegen Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder sowie unmittelbar geltende Rechtsakte der EU und der Europäischen Atomgemeinschaft, § 2 Abs. 3 HinSchG-E. Darunter fallen u. a. insbesondere folgende Bereiche:
- die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung,
- Produktsicherheit und -konformität,
- Verkehrssicherheit inklusive Eisenbahnsicherheit, Seeverkehr und die Luftverkehrssicherheit,
- Umweltschutz,
- Strahlenschutz und kerntechnische Sicherheit,
- Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit, Tiergesundheit und Tierschutz,
- öffentliche Gesundheit,
- Verbraucherschutz,
- Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten sowie Sicherheit von Netz- und Informationssystemen.
Der Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetz wurde nur minimal abgeändert. Erfasst sind nunmehr beispielsweise auch bestimmte Verstöße gegen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB).
Whistleblower-Meldung - und dann?
Dem Hinweisgeber muss der Eingang der Meldung innerhalb von sieben Tagen bestätigt werden. Der eingegangene Hinweis wird sodann durch die interne Meldestelle geprüft. Anschließend müssen angemessene Folgemaßnahmen nach § 18 HinSchG-E ergriffen werden. Nunmehr kann beispielweise das Verfahren zwecks weiterer Untersuchungen auch an eine bei dem Unternehmen für interne Ermittlungen zuständige Arbeitseinheit abgegeben werden, § 18 Nr. 4 HinSchG-E. Zudem wurde in den Erläuterungen klagestellt, dass zur Durchführung interner Untersuchungen - unter Wahrung der Vertraulichkeit - auch Informationen an Arbeitseinheiten bei dem Unternehmen weitergegeben werden können.
Die interne Meldestelle muss der hinweisgebenden Person innerhalb von drei Monaten nach Bestätigung des Eingangs der Meldung eine Rückmeldung erteilen. Die Rückmeldung umfasst die Mitteilung geplanter sowie bereits ergriffener Folgemaßnahmen sowie die Gründe für diese.
Die eingehenden Meldungen sind zu dokumentieren, § 11 HinSchG-E. Ggf. sollte dem Hinweisgeber die Dokumentation zum Zwecke der Verifizierung vorgelegt werden.
Da es den Hinweisgebern offensteht, den Weg der internen oder externen Meldung zu beschreiten, sollten Unternehmen dringend professionelle interne Strukturen schaffen. Nur wenn Hinweisgeber darauf vertrauen können, dass Unternehmen Hinweise ernst nehmen, ihnen sorgfältig nachgehen und Straftaten und Unregelmäßigkeiten aufklären und angemessen sanktionieren, werden sie sich interner Meldestrukturen bedienen.
Schutzwirkung für den Hinweisgeber
Whistleblower genießen nur dann rechtlichen Schutz, wenn ein berechtigter Grund zu der Annahme bestand, dass die gemeldeten Informationen über Verstöße zum Zeitpunkt der Meldung der Wahrheit entsprachen, in den Anwendungsbereich des Gesetzes fielen und sie diese über die vorgegeben internen oder externen Meldekanäle abgegeben haben, § 9 Abs. 1 HinSchG-E. Unter diesen Voraussetzungen verbietet der Gesetzentwurf jede Form von Repressalien, Diskriminierungen oder Benachteiligungen, §§ 33 ff. HinSchG-E. Die Hinweisgeber müssen bei einer ordnungsgemäßen Meldung keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen befürchten. Im Falle eines arbeitsrechtlichen Prozesses sieht der Gesetzentwurf eine Beweislastumkehr zugunsten des Hinweisgebers vor, § 36 Abs. 2 HinSchG-E. Danach muss der Arbeitgeber beweisen, dass kein Zusammenhang mit der Meldung des Hinweises durch den Arbeitnehmer bestand. Im Übrigen sieht der Gesetzentwurf bei Verstößen Sanktionierungen mit empfindlichen Geldbußen zwischen 10.000 und 100.000 Euro vor, § 40 HinSchG-E. Diese Bußgelder können sowohl die Verantwortlichen als auch (über § 30 OWiG) die jeweiligen Unternehmen betreffen. Achtung, bei bestimmten Verstößen kann sich das Bußgeld gegen das Unternehmen auch verzehnfachen, § 40 Abs. 6 S. 2 HinSchG-E!
Dringender Handlungsbedarf - ab sofort!
Der Gesetzentwurf enthält somit nur geringfügige Änderungen. Das Inkrafttreten des Hinweisgeberschutzgesetz ist aber mit dem vom Bundeskabinett vorgelegten Entwurf näher gerückt. Weiterhin ist somit noch dieses Jahr mit einem Inkrafttreten des Gesetzes zu rechnen. Insbesondere größere Unternehmen sollten daher schnellstmöglich ein Hinweisgebersystem, das den Anforderungen des Hinweisgeberschutzgesetzes entspricht, implementieren, um insbesondere empfindliche Geldbußen zu verhindern. Aber auch kleine Unternehmen sollten mit den Vorbereitungen beginnen, da Hinweisgebersysteme dort bisher ganz regelmäßig nicht bestehen. Sofern solche Systeme bereits vorhanden sind, erfüllen sie häufig zumindest nicht die nunmehr anstehenden, gesetzlichen Vorgaben. Insofern ist es ratsam, sich schnellstmöglich mit der Implementierung eines solchen Systems einschließlich der gesetzlichen Rahmenbedingungen auseinander zu setzen und Personen mit den anstehenden Aufgaben zu betrauen.
Damit Mitarbeiter sich nicht an externe Meldestellen wenden, muss das Hinweisgebersystem transparent ausgestaltet werden und die Mitarbeiter sollten über die Nutzung des Hinweisgebersystems frühzeitig und vollumfänglich informiert werden. Flankierend hierzu sollte eine unternehmensinterne Hinweisgeberrichtlinie implementiert bzw. in einen Code of Conduct eingebettet werden.
Damit auch für die technische Umsetzung und die Umsetzung sonstiger rechtlicher Rahmenbedingungen, etwa mögliche Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats oder datenschutzrechtliche Anforderungen, ausreichend Zeit bleibt, sollte mit den Maßnahmen unbedingt zeitnah begonnen werden.