Seit 01.01.2023 gilt, dass die Lohnsteuer auf laufenden Arbeitslohn nicht nach der Monats-, sondern nach der Tageslohnsteuertabelle zu ermitteln ist, wenn das Arbeitsverhältnis den ganzen Monat bestand und der Arbeitnehmer in einem Monat neben im Inland steuerpflichtigem Arbeitslohn auch nicht dem Lohnsteuerabzug unterliegenden Arbeitslohn bezieht.
Davon betroffene Arbeitnehmer
Darunter fallen sowohl Fälle eines im Inland unbeschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmers, der neben seinem im Inland erzielten Arbeitslohn im Monat auch nach einem DBA oder dem Auslandstätigkeitserlass steuerfreien Arbeitslohn bezieht. Die Anwendung der Tageslohnsteuertabelle hat für diese Personengruppe allerdings nur den Effekt einer etwaigen temporären Lohnsteuermehrbelastung, da ein Ausgleich über die persönliche Einkommensteuerveranlagung erfolgt (Hinweis: Pflichtveranlagung wegen sog. Progressionseinkünfte).
Eine materielle Auswirkung hat die Anwendung der Tageslohnsteuertabelle aber für Arbeitnehmer, die in Deutschland nur der beschränkten Steuerpflicht unterliegen, die also grundsätzlich durch ihre inländische Tätigkeit beschränkt steuerpflichtigen Arbeitslohn beziehen, dessen Besteuerung durch den Lohnsteuereinbehalt des inländischen (deutschen) Arbeitsgebers als abgegolten gilt. Bei beschränkt Steuerpflichtigen wird somit i. d. R. die durch den Arbeitgeber einbehaltene und abgeführte Lohnsteuer zur Definitivbelastung (Hinweis: Allerdings besteht die Möglichkeit der Antragsveranlagung gemäß § 50 Abs. 2 Nr. 4 EStG).
Berechnung der maßgeblichen Tage für die Anwendung der Tagestabelle
Das BMF äußerte sich zur Berechnung der Lohnsteuer nach der Tagestabelle in einer E-Mail vom 12.10.2023 an die DIHK, wonach zwei Lösungsansätze möglich seien (mehr dazu lesen Sie hier). Diese unterscheiden sich dahingehend, ob neben den in einem Monat in Deutschland erbrachten Arbeitstagen auch die Nichtarbeitstage entweder lediglich nach dem Verhältnis der Arbeitstage in Deutschland zu den Gesamtarbeitstagen (Option 1) oder konkret nach den in Deutschland verbrachten Nichtarbeitstagen (Option 2) berücksichtigt werden. Je nachdem also, ob ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitslohn nach der Tagestabelle zu versteuern ist, seine Nichtarbeitstage überwiegend im Inland oder im Ausland verbringt, kann eine der Optionen vorteilhafter sein.
Hinweis: In der Praxis stellt sich regelmäßig das Problem, dass der Arbeitgeber keine Informationen dazu hat, wo seine Arbeitnehmer ihre Nichtarbeitstage verbringen. In einer Eingabe vom 18.01.2024 schlagen die acht Wirtschaftsverbände im Sinne einer unbürokratischen Lösung eine Vereinfachungsregelung vor.
Mit Schreiben vom 26.02.2024, das an eine Vertreterin des Bundesverbands deutscher Banken e. V. ging, räumt das BMF eine solche Vereinfachungsregelung hinsichtlich der Ermittlung der Gesamtarbeitstage ein:
- Die Gesamtarbeitstage im Monat können pauschal mit 20 Arbeitstagen angesetzt werden. Es bedarf somit nicht einer expliziten Ermittlung der tatsächlichen Gesamtarbeitstage in einem Monat.
- Da die monatlichen Steuertage stets 30 betragen, kann bei der Ermittlung der für die Lohnsteuerberechnung maßgeblichen Steuertage der Faktor 1,5 (30 Steuertage zu 20 Gesamtarbeitstagen) angesetzt werden.
- Ist ein Arbeitnehmer z. B. an 6 Arbeitstagen im Monat in Deutschland tätig und erbringt er seine Arbeitsleistung an den restlichen Arbeitstagen im DBA-Ausland, sind für die Ermittlung der Lohnsteuer 9 Steuertage heranzuziehen. Erzielt der Arbeitnehmer für die Arbeitstage in Deutschland einen Bruttoarbeitslohn von 1.500 Euro, ist die Lohnsteuertagestabelle auf einen Tageslohn von 166,66 Euro anzuwenden (1.500 Euro/9 Tage). Hierbei muss nicht weiter ermittelt werden, wie viele Nichtarbeitstage der einzelne Monat enthält und wo der Arbeitnehmer diese Tage verbringt.
Das BMF führt in seinem Schreiben vom 26.02.2024 zudem aus, dass es für 2023 nicht zu beanstanden sei, wenn weiterhin nach der Richtlinienregelung vor 2023 verfahren wird. Dem Vernehmen nach werden die Finanzämter nun angewiesen, die Tagestabelle erst ab 2024 anzuwenden. Angesichts der Bekanntgabe des Schreibens zu einem Zeitpunkt, in dem regelmäßig Jahreslohnsteuerbescheinigungen bereits übermittelt worden sind, sind bei einer rückwirkenden Anwendung der Richtlinienregelung vor 2023 beachtliche verfahrensrechtliche Hürden zu meistern, um ggf. eine Lohnsteuererstattung zu erreichen.
Durchführung eines Lohnsteuer-Jahresausgleichs
Ab dem Veranlagungszeitraum 2020 kann bzw. ist auch bei beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern, die während eines gesamten Kalenderjahres ununterbrochen bei demselben Arbeitgeber beschäftigt sind, ein Lohnsteuer-Jahresausgleich durchzuführen. Ausgeschlossen ist der Lohnsteuer-Jahresausgleich allerdings dann, wenn neben den im Inland zu versteuernden Einkünften auch Arbeitseinkünfte erzielt werden, die nach einem DBA oder dem Auslandstätigkeitserlass im Inland freigestellt sind (§ 42b Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG).
Das BMF bestätigt die Aussage der acht Wirtschaftsverbände, dass damit bei ganzjährig beschäftigten beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern grundsätzlich der Lohnsteuer-Jahresausgleich durchzuführen ist. Die Lohnsteuer wird dann basierend auf dem Jahresarbeitslohn ermittelt, was regelmäßig zu einer Steuererstattung führt und letztlich die Anwendung der Lohnsteuer-Tagestabelle ins Leere laufen lässt.
Hinweis: Auf die grundsätzliche Forderung der Wirtschaftsverbände, dass bei beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern kein Ausweis in der Zeile 16a der Lohnsteuerbescheinigung erforderlich ist, geht das BMF nicht ein. Vielmehr knüpft das BMF für die Durchführung des Lohnsteuerjahresausgleiches an die gesetzliche Regelung des § 42b Abs. 1 S. 3 Nr. 6 EStG an, wonach ein Lohnsteuerjahresausgleich nicht durchzuführen ist, soweit sog. Progressionseinkünfte - Arbeitseinkünfte, die auf Grund eines Doppelbesteuerungsabkommens nicht der deutschen Besteuerung unterliegen - bezogen werden. Dies liegt u. E. nur dann vor, soweit nach den Regelungen des § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG Arbeitslohn bezogen wird, dessen nationales Besteuerungsrecht durch die Anwendung der DBA-Regelungen „ausgehebelt“ wird. Insbesondere kommen hier in Betracht die sog. Verwertungsfälle (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 a EStG) sowie die in der Praxis deutlich gewichtigeren Fälle von Geschäftsführern, Prokuristen oder Vorstände einer inländischen Gesellschaft (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 c EStG). Hier ist unklar, ob entgegen der grundsätzlichen Aussage des BMF ein Lohnsteuer-Jahresausgleich ausgeschlossen ist, weil damit der Ausschlussgrund nach § 42b Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG erfüllt wäre.
Fazit
Die Bereitschaft des BMF, die Anwendung der Lohnsteuer-Tagestabelle bei Arbeitnehmern, die in einem Monat nur teilweise steuerpflichtigen Arbeitslohn beziehen, weiter zu klären, ist grundsätzlich zu begrüßen. Leider werden aber weiterhin - wie soeben dargestellt - noch nicht alle Anwendungsfragen geklärt.
Es zeichnet sich ab, dass das BMF zumindest ab 2024 bei der Anwendung der Tagestabelle auf eine einheitliche Umsetzung bei unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern festhält. Zudem weist das BMF darauf hin, dass eine Neufassung des BMF-Schreibens vom 14.03.2017 zur Ermittlung des steuerfreien und steuerpflichtigen Arbeitslohns nach Doppelbesteuerungsabkommen sowie nach dem Auslandstätigkeitserlass im Lohnsteuerabzugsverfahren geplant ist und die Regelung zum Lohnsteuerjahresausgleich gemäß § 42b Abs. 1 EStG mit dem Jahressteuergesetz 2024 für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer aufgehoben werden soll. Ein entsprechender Referentenentwurf vom 08.05.2023 liegt dazu vor.
Wurde die Tagestabelle in 2023 bereits angewendet, sollte geprüft werden, ob verfahrensrechtlich noch eine Änderung der Lohnsteueranmeldungen dahingehend möglich ist, dass die Monatstabelle angewendet wird.