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Finanzämter müssen Gründe für die Versagung des Vorsteuerabzuges wegen betrügerischen Handelns darlegen

FG Münster 12.12.2013, 5 V 1934/13 U

Das Fi­nanz­amt muss kon­krete An­halts­punkte dar­le­gen, aus de­nen sich er­gibt, dass ein Un­ter­neh­mer von sei­ner Ein­be­zie­hung in einen Um­satz­steu­er­be­trug ge­wusst hat bzw. hätte wis­sen können oder müssen. Ent­ge­gen der bis­he­ri­gen BFH-Recht­spre­chung ist der den Vor­steu­er­ab­zug be­geh­rende Un­ter­neh­mer nicht ver­pflich­tet, einen ech­ten "Ne­ga­tiv­be­weis" da­hin zu führen, dass er keine An­halts­punkte für et­waige Un­ge­reimt­hei­ten in Be­zug auf den Leis­ten­den und/oder die Leis­tung hatte. Dies gilt auch in Be­zug auf einen ver­meint­li­chen Schein­sitz des Lie­fe­rers.

Der Sach­ver­halt:
Die An­trag­stel­le­rin ist eine GmbH, die einen Ein­zel­han­del mit Neu- und Ge­braucht­fahr­zeu­gen führt. Ne­ben di­rek­ten Re­im­por­ten von pol­ni­schen Lie­fe­ran­ten han­delte sie im Streit­jahr 2009 ab Au­gust auch mit Neu­fahr­zeu­gen der Marke VW, die be­reits zu­vor als sog. pol­ni­sche Re-Im­porte ins In­land ge­langt wa­ren. Diese Fahr­zeuge kaufte sie von der N-GmbH, de­ren ein­ge­tra­ge­ner Ge­schäftsführer ein Herr O. war. Der er­ste Kon­takt mit der N-GmbH kam zu­stande, als sich die An­trag­stel­le­rin über das In­ter­net­por­tal "mo­bile.de" für einen VW Pas­sat in­ter­es­sierte, der von ei­ner Firma an­ge­bo­ten wor­den war, die aber letzt­lich nur als Ver­mitt­le­rin des Ver­kaufs­ge­schäfts auf­trat.

Das Fi­nanz­amt ver­sagte den Vor­steu­er­ab­zug, weil es sich bei der N-GmbH um kein tatsäch­lich exis­tie­ren­des Un­ter­neh­men, son­dern um eine "Brief­kas­ten­firma" han­dele. Den An­trag auf Aus­set­zung der Voll­zie­hung des strei­ti­gen Um­satz­steu­er­be­schei­des lehnte das Fi­nanz­amt ab. Das FG setzte die Voll­zie­hung des strei­ti­gen Be­schei­des aus. Al­ler­dings wurde zur Fort­bil­dung des Rechts die Be­schwerde zum BFH zu­ge­las­sen.

Die Gründe:
Es be­stan­den bei sum­ma­ri­scher Prüfung an­hand der präsen­ten Be­weis­mit­tel ernst­li­che Zwei­fel an der Rechtmäßig­keit des an­ge­foch­te­nen USt-Ände­rungs­be­schei­des 2009, mit dem das Fi­nanz­amt den Vor­steu­er­ab­zug aus den Rech­nun­gen der N-GmbH ver­sagt hatte.

Nach EuGH-Recht­spre­chung ist zwar an­er­kannt, dass ein Vor­steu­er­ab­zug zu ver­sa­gen ist, wenn auf­grund der ob­jek­ti­ven Sach­lage fest­steht, dass die­ses Recht in betrüge­ri­scher Weise oder missbräuch­lich gel­tend ge­macht wird. Dies ist etwa der Fall, wenn der Steu­er­pflich­tige selbst eine Steu­er­hin­ter­zie­hung be­geht oder wusste oder hätte wis­sen müssen, dass er sich mit sei­nem Er­werb an einem Um­satz be­tei­ligt, der in eine vom Lie­fe­rer be­gan­gene Steu­er­hin­ter­zie­hung ein­be­zo­gen wurde. Aus­ge­schlos­sen ist je­doch, einen Steu­er­pflich­ti­gen, der we­der wusste noch wis­sen konnte, dass der Lie­fe­rung betrüge­ri­sche Hand­lun­gen vor­aus­ge­gan­gen sind, durch die Ver­sa­gung des Vor­steu­er­ab­zu­ges mit ei­ner Sank­tion zu be­le­gen.

In­fol­ge­des­sen muss der den Vor­steu­er­ab­zug be­geh­rende Un­ter­neh­mer auch kei­nen ech­ten "Ne­ga­tiv­be­weis" zu feh­len­den An­halts­punk­ten für et­waige Un­ge­reimt­hei­ten in Be­zug auf den Leis­ten­den bzw. die Leis­tung führen. Dies gilt auch in Be­zug auf einen ver­meint­li­chen Schein­sitz des Lie­fe­rers. Viel­mehr trägt dann das Fi­nanz­amt und nicht der Steu­er­pflich­tige die ob­jek­tive Dar­le­gungs­last für die eine Ver­sa­gung des Vor­steu­er­ab­zu­ges recht­fer­ti­gen­den Umstände.

So­mit konnte im vor­lie­gen­den Fall an­ge­nom­men wer­den, dass sich für die An­trag­stel­le­rin hin­sicht­lich der N-GmbH keine hin­rei­chen­den An­halts­punkte für das Be­ste­hen von Un­re­gelmäßig­kei­ten oder eine Steu­er­hin­ter­zie­hung er­ge­ben hat­ten, auf­grund de­rer sie ver­pflich­tet ge­we­sen wäre, wei­tere Auskünfte ein­zu­ho­len. Eine Er­kun­di­gungs­pflicht ins­be­son­dere hin­sicht­lich des Sit­zes der GmbH hätte die An­trag­stel­le­rin nur dann ge­trof­fen, wenn sich für sie im Vor­feld der Lie­fe­rung Zwei­fel hieran hätten er­ge­ben müssen. Dies war je­doch - nach der im Aus­set­zungs­ver­fah­ren ge­bo­te­nen sum­ma­ri­schen Prüfung - nicht der Fall ge­we­sen.

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