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FG Niedersachsen zur Durchbrechung des formellen Bilanzenzusammenhangs

Urteil des FG Niedersachsen vom 16.2.2012 - 6 K 74/10

Zwar müssen nach ständi­ger BFH-Recht­spre­chung Bi­lan­zen für Zwecke der Ver­an­la­gung und der Ge­winn­fest­stel­lung grundsätz­lich im Feh­ler­jahr und in den Fol­ge­jah­ren be­rich­tigt wer­den. Ist eine sol­che Be­rich­ti­gung aber nicht mehr möglich, weil die Fest­stel­lungs- oder Ver­an­la­gungs­be­scheide be­standskräftig sind und keine Ände­rungs­vor­schrift für diese Be­scheide ein­greift, so ist die Kor­rek­tur in der Schluss­bi­lanz des ers­ten Jah­res nach­zu­ho­len, in dem dies mit steu­er­li­cher Wir­kung möglich ist.

Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist eine GmbH, de­ren Ge­gen­stand der Be­trieb ei­ner Au­to­la­ckie­re­rei und der Han­del mit Far­ben und La­cken ist. Sie er­mit­telt ih­ren Ge­winn durch Be­stands­ver­gleich nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG i.V.m. § 8 Abs 1 KStG un­ter Berück­sich­ti­gung ei­nes Wirt­schafts­jah­res, wel­ches dem Ka­len­der­jahr ent­spricht. Im Ka­len­der­jahr 2005 leis­tete die Kläge­rin re­gelmäßig Ab­schlags­zah­lun­gen an die Firma Y, nahm die Zah­lung für De­zem­ber 2005 je­doch im Ja­nuar 2006 vor. Im Jah­res­ab­schluss er­fasste sie die Ver­bind­lich­keit für De­zem­ber 2005 ge­genüber der Y nicht, buchte die Zah­lung je­doch im Streit­jahr 2006 als Be­triebs­aus­gabe.

Im Rah­men der Jah­res­ab­schluss­ar­bei­ten auf den 31.12.2006 be­merkte die Kläge­rin die­sen Bi­lan­zie­rungs­feh­ler. Die Steu­er­ver­an­la­gun­gen für das Vor­jahr 2005 wa­ren zu die­sem Zeit­punkt je­doch be­reits be­standskräftig. Das Fi­nanz­amt lehnte für das Streit­jahr 2006 den Be­triebs­aus­ga­ben­ab­zug für die Ab­schlags­zah­lung ab und setzte die Körper­schaft­steuer i.H.v. 0 € fest. Mit dem glei­chen Be­scheid stellte es einen ver­blei­ben­den Ver­lust­vor­trag auf den 31.12.2006 i. H.v. 6.088 € fest. In­so­fern blieb zwi­schen den Par­teien strei­tig, ob sich ein Bi­lan­zie­rungs­feh­ler aus dem Jahr 2005 auf­grund des for­mel­len Bi­lan­zen­zu­sam­men­hangs im Streit­jahr ge­winn­wirk­sam aus­wirkt.

Die Kläge­rin war der An­sicht, der Feh­ler in der Bi­lanz zum 31.12.2005 könne ge­winn­wirk­sam im Streit­jahr 2006 kor­ri­giert wer­den. Der Bi­lan­zie­rungs­feh­ler liege in dem feh­ler­haf­ten Aus­weis von Schul­den. Der un­rich­tige Bi­lanz­an­satz in der ers­ten Schluss­bi­lanz sei er­folgs­wirk­sam rich­tig zu stel­len. Die Er­mitt­lung des rich­ti­gen To­tal­ge­winns habe in­so­weit Vor­rang vor der Er­mitt­lung pe­rio­den­ge­rech­ter Ge­winne.

Das FG gab der Klage statt. Al­ler­dings wurde die Re­vi­sion zu­ge­las­sen, zu­ge­las­sen, da eine Ent­schei­dung des BFH zur Fort­bil­dung des Rechts er­for­der­lich sei.

Gründe:
Das Fi­nanz­amt hatte zu Un­recht die Ab­schlags­zah­lung im Streit­jahr 2006 nicht ge­winn­min­dernd berück­sich­tigt.

Zwar müssen nach ständi­ger BFH-Recht­spre­chung Bi­lan­zen für Zwecke der Ver­an­la­gung und der Ge­winn­fest­stel­lung grundsätz­lich im Feh­ler­jahr und in den Fol­ge­jah­ren be­rich­tigt wer­den. Ist eine sol­che Be­rich­ti­gung aber nicht mehr möglich, weil die Fest­stel­lungs- oder Ver­an­la­gungs­be­scheide be­standskräftig sind und keine Ände­rungs­vor­schrift für diese Be­scheide ein­greift, so ist die Kor­rek­tur in der Schluss­bi­lanz des ers­ten Jah­res nach­zu­ho­len, in dem dies mit steu­er­li­cher Wir­kung möglich ist. Diese, aus dem Prin­zip des for­mel­len Bi­lan­zen­zu­sam­men­hangs ab­zu­lei­ten­den Fol­ge­run­gen gel­ten in­des nicht aus­nahms­los; viel­mehr er­fah­ren sie Durch­bre­chun­gen so­wohl un­ter Berück­sich­ti­gung der all­ge­mei­nen Grundsätze von Treu und Glau­ben als auch dann, wenn der feh­ler­hafte Bi­lanz­an­satz in den (be­standskräfti­gen) Vor­jah­ren ohne Aus­wir­kung auf die Höhe der fest­ge­setz­ten Steu­ern ge­blie­ben ist.

Hat sich der feh­ler­hafte Bi­lanz­an­satz in den Vor­jah­ren steu­er­lich nicht aus­ge­wirkt, so ist der feh­ler­hafte Bi­lanz­an­satz durch den rich­ti­gen zu er­set­zen. Im vor­lie­gen­den Fall war eine Be­rich­ti­gung der Bi­lanz zum 31.12.2005 nicht möglich, da die Bi­lanz der Körper­schaft­steu­er­fest­set­zung zu­grunde liegt, die nicht mehr auf­ge­ho­ben oder geändert wer­den kann. Nach § 4 Abs. 2 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG darf der Steu­er­pflich­tige eine feh­ler­hafte Bi­lanz auch nach Ein­rei­chung beim Fi­nanz­amt ändern, so­lange diese nicht ei­ner Steu­er­fest­set­zung zu­grunde liegt, die nicht mehr auf­ge­ho­ben oder geändert wer­den kann.

Die Bi­lanz zum 31.12.2005 lag der Körper­schaft­steu­er­fest­set­zung 2005 zu­grunde. Die Be­scheide für 2005 über Körper­schaft­steuer und über die ge­son­derte Fest­stel­lung des ver­blei­ben­den Ver­lust­vor­trags auf den 31.12.2005 wa­ren be­standskräftig. Ände­rungs­nor­men, die zu­guns­ten der Kläge­rin ein­grei­fen könn­ten, wa­ren nicht er­sicht­lich. Ins­be­son­dere griff § 173 Abs. 2 AO nicht ein, da die Kläge­rin aus man­geln­der Sorg­falt es un­ter­las­sen hatte, die steu­er­min­dernde Er­fas­sung der Ver­bind­lich­keit in der Buchführung vor­zu­neh­men. Die An­wen­dung des § 174 Abs. 3 AO schei­terte an der man­geln­den Er­kenn­bar­keit der Nicht­berück­sich­ti­gung der Ver­bind­lich­keit, die des § 174 Abs. 4 AO an der Auf­he­bung oder Ände­rung ei­nes Steu­er­be­scheids. Da­mit war eine Bi­lanz­be­rich­ti­gung an der Feh­ler­quelle nach § 4 Abs. 2 S. 1 EStG nicht möglich. Das Prin­zip des for­mel­len Bi­lan­zen­zu­sam­men­hangs war hier auch nicht auf­grund der Grundsätze von Treu und Glau­ben durch­bro­chen, da die Kläge­rin nicht be­wusst un­rich­tig bi­lan­ziert oder willkürlich Falsch­bu­chun­gen vor­ge­nom­men hatte.

Link­hin­weis:

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