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FG Münster zu den Voraussetzungen des Abzugs von Aufwendungen für einen Treppenlift als außergewöhnliche Belastungen

Urteil des FG Münster vom 18.9.2012 - 11 K 3982/11 E

Der Trep­pen­lift stellt ein me­di­zi­ni­sches Hilfs­mit­tel im wei­te­ren Sinn dar, wes­halb eine me­di­zi­ni­sche In­di­ka­tion nicht ty­pi­sie­rend an­ge­nom­men wer­den kann. Für den Nach­weis der Zwangsläufig­keit von Auf­wen­dun­gen für den Ein­bau ei­nes Trep­pen­lifts ist des­halb gem. § 33 Abs. 4 EStG i.V.m. § 64 Abs. 1 Nr. 2e EStDV i.d.F. des Steu­er­ver­ein­fa­chungs­ge­set­zes ein amts- oder ver­trau­ensärzt­li­ches At­test im Vor­feld der Maßnahme er­for­der­lich.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin und ihr zwi­schen­zeit­lich ver­stor­be­ner Ehe­mann hat­ten sich Ende 2005 einen Trep­pen­lift in ihr selbst ge­nutz­tes Ein­fa­mi­li­en­haus ein­bauen las­sen. Hierfür wa­ren Kos­ten i.H.v. rund 18.664 € an­ge­fal­len. In ih­rer Ein­kom­men­steu­er­erklärung für das Streit­jahr mach­ten sie die Auf­wen­dun­gen für den Ein­bau als außer­gewöhn­li­che Be­las­tung gel­tend. Dies lehnte das Fi­nanz­amt al­ler­dings ab.

Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete klage ab. Auf die Re­vi­sion der Kläge­rin hob der BFH die Ent­schei­dung auf (Urt. v. 5.10.2011, Az. VI R 14/11) und wies die Sa­che an das FG zurück. Zur Begründung führte der BFH aus, dass das FG den Ab­zug der gel­tend ge­mach­ten Auf­wen­dun­gen zu Un­recht al­lein des­halb ver­sagt habe, weil die me­di­zi­ni­sche Not­wen­dig­keit die­ser Maßnahme nicht durch ein zu­vor er­stell­tes amtsärzt­li­ches At­test nach­ge­wie­sen wor­den sei. An dem Er­for­der­nis ei­ner vor­he­ri­gen amts- oder ver­trau­ensärzt­li­chen Be­gut­ach­tung zum Nach­weis der me­di­zi­ni­schen Not­wen­dig­keit ei­ner Maßnahme, die auch zu den nicht ab­zieh­ba­ren Kos­ten der Le­bensführung gehören könne, werde seit dem Ur­teil vom 11.11.2010 (Az. VI R 17/09) nicht länger fest­ge­hal­ten.

Das FG wies die Klage er­neut ab. Al­ler­dings wurde die Re­vi­sion zum BFH zu­ge­las­sen (Az.: VI R 61/12).

Die Gründe:
Die Klage war un­begründet, weil die Kläge­rin nicht das für den Ab­zug der Auf­wen­dun­gen als außer­gewöhn­li­che Be­las­tun­gen er­for­der­li­che amtsärzt­li­che At­test, das über die Zwangsläufig­keit der Auf­wen­dun­gen für den Ein­bau des Trep­pen­lifts eine Aus­sage hätte tref­fen können, ein­ge­reicht hatte.

Ein Trep­pen­lift ist ein me­di­zi­ni­sches Hilfs­mit­tel im wei­te­ren Sinne i.S.d. § 64 Abs. 1 Nr. 2e EStDV, für den die Vor­lage ei­nes amts- oder ver­trau­ensärzt­li­chen At­tes­tes Vor­aus­set­zung für den Ab­zug als außer­gewöhn­li­che Be­las­tun­gen ist. Me­di­zi­ni­sche Hilfs­mit­tel im wei­te­ren Sinne sind sol­che Ge­genstände, die nach der Le­bens­er­fah­rung nicht nur von Kran­ken zur Hei­lung ih­rer Krank­heit oder zur Lin­de­rung der durch ihre Krank­heit ver­ur­sach­ten Be­schwer­den, son­dern mit­un­ter auch von ge­sun­den Men­schen an­ge­schafft wer­den, um ihre Ge­sund­heit zu er­hal­ten oder ih­ren Le­bens­kom­fort zu stei­gern. In vie­len Fällen er­folgt ein Ein­bau ei­nes Trep­pen­lif­tes, um die Be­schwer­lich­kei­ten des Al­ters zu mil­dern. Außer­dem wird - wie es bei Bril­len oder Hörgeräten als Bei­spiele für Hilfs­mit­tel im en­ge­ren Sinne der Fall ist - keine in­di­vi­du­elle An­pas­sung des Trep­pen­lif­tes an die Ge­bre­chen des ein­zel­nen Be­nut­zers vor­ge­nom­men. Viel­mehr ist der Trep­pen­lift für je­den Nut­zer und Be­su­cher des Hau­ses nutz­bar.

Der Se­nat ver­steht den Ver­weis des § 64 Abs. 1 Nr. 2e EStDV auf § 33 Abs. 1 SGB V da­hin­ge­hend, dass der Ver­ord­nungs­ge­ber wei­ter­hin an der von der früheren BFH-Recht­spre­chung ent­wi­ckel­ten Un­ter­schei­dung zwi­schen Hilfs­mit­teln im en­ge­ren und wei­te­ren Sinne fest­hal­ten wollte. Er legt den Ver­weis da­her nach Sinn und Zweck da­hin­ge­hend aus, dass wei­ter­hin für sol­che me­di­zi­ni­schen Hilfs­mit­tel, die so­wohl von kran­ken als auch von ge­sun­den Men­schen an­ge­schafft wer­den und bei de­nen da­her die me­di­zi­ni­sche In­di­ka­tion die­ser An­schaf­fung in Ab­gren­zung zu den all­ge­mei­nen Le­bens­hal­tungs­kos­ten gem. § 12 Nr. 1 EStG schwer zu be­ur­tei­len ist, ein amtsärzt­li­ches At­test vor der An­schaf­fung des Hilfs­mit­tels not­wen­dig ist. Nur so kann ein­kom­men­steu­er­recht­lich die Zwangsläufig­keit des je­wei­li­gen Hilfs­mit­tels für den je­wei­li­gen Steu­er­pflich­ti­gen si­cher nach­ge­wie­sen wer­den.

Der Se­nat ist bzgl. der For­de­rung ei­nes amtsärzt­li­chen At­tes­tes nicht an die recht­li­chen Ausführun­gen des BFH aus sei­nem Ur­teil vom 5.10.2011 ge­bun­den. Auf­grund ei­ner Ände­rung der Rechts­lage durch das In­kraft­tre­ten ei­nes neuen Ge­set­zes, das ent­schei­dungs­er­heb­lich ist und dem ggf. - zulässi­ger­weise - rück­wir­kende Gel­tung bei­ge­legt wird, er­lischt die Bin­dungs­wir­kung des § 126 Abs. 5 FGO. Das FG muss das Ge­setz an­wen­den, das im Zeit­punkt sei­ner Ent­schei­dung gültig ist. Die ge­nann­ten Re­ge­lun­gen des § 33 Abs. 4 EStG i.V.m. § 64 EStDV sind gem. Art. 18 Abs. 2 des Steu­er­ver­ein­fa­chungs­ge­set­zes 2011 am Tag nach Ih­rer Verkündung am 5.11.2011 - und so­mit nach BFH-Ur­teil vom 5.10.2011 in Kraft ge­tre­ten. Den­noch war zur Si­che­rung ei­ner ein­heit­li­chen Recht­spre­chung bzgl. der Qua­li­fi­ka­tion des Trep­pen­lif­tes als me­di­zi­ni­sches Hilfs­mit­tel im wei­te­ren Sinne die Re­vi­sion zu­zu­las­sen.

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