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FG Hamburg: Regelung zum Sonderausgabenabzug für sonstige Vorsorgeaufwendungen ab 2010 ist verfassungsgemäß

Urteil des FG Hamburg vom 21.9.2012 - 3 K 144/11

Die Ver­min­de­rung des Son­der­aus­ga­ben­ab­zugs für die pri­vate Kran­ken­ver­si­che­rung der Ba­sis­ver­sor­gung um die Ar­beit­ge­ber­zu­schüsse ist auch in­so­fern ver­fas­sungs­gemäß, als diese auf die Kom­fort­ver­sor­gung ent­fal­len (§ 10 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Halbs. 2 EStG). Zu­dem ist auch die Re­ge­lung, nach der an­dere Vor­sor­ge­auf­wen­dun­gen (wie Ar­beit­neh­me­ran­teile zur Ar­beits­lo­sen-, Haft­pflicht-, Un­fall­ver­si­che­rung) vom Son­der­aus­ga­ben­ab­zug aus­ge­schlos­sen sind, wenn die Auf­wen­dun­gen für die Kran­ken­ver­si­che­rung der Ba­sis­ver­sor­gung den Höchst­be­trag be­reits aus­schöpfen (§ 10 Abs. 4 S. 4 EStG), ver­fas­sungs­gemäß.

Hin­ter­grund:
Bis 2009 war der Son­der­aus­ga­ben­ab­zug für alle "sons­ti­gen" Vor­sor­ge­beiträge, dar­un­ter auch für Kran­ken- und Pfle­ge­ver­si­che­run­gen all­ge­mein auf 2.400 € be­grenzt. Zu­dem war er aus­ge­schlos­sen für Vor­sor­ge­auf­wen­dun­gen, die in un­mit­tel­ba­rem wirt­schaft­li­chen Zu­sam­men­hang mit steu­er­freien Ein­nah­men stan­den. Das BVerfG erklärte mit Be­schluss vom 13.2.2008 (2 BvL 1/06) diese Re­ge­lung für ver­fas­sungs­wid­rig und ver­pflich­tete den Ge­setz­ge­ber zu ei­ner Neu­re­ge­lung. Der maßgeb­li­che § 10 EStG wurde mit dem vor­lie­gend zu überprüfen­den Ge­setz mit Wir­kung ab 2010 in mehr­fa­cher Hin­sicht geändert:

Die Höchst­be­trags­gren­zen des § 10 Abs. 4 EStG wur­den an­ge­ho­ben. Zu­gleich wurde be­stimmt, dass Vor­sor­ge­auf­wen­dun­gen zur Ba­sis­ver­sor­gung - von die­sem Höchst­be­trag un­abhängig - stets in vol­ler Höhe als Son­der­aus­ga­ben ab­zieh­bar sind (§ 10 Abs. 4 S. 4 EStG); schöpfen diese Ba­sis­kran­ken­ver­si­che­rungs­auf­wen­dun­gen den Höchst­be­trag aus oder über­stei­gen sie ihn, sind die Auf­wen­dun­gen für die darüber hin­aus­ge­hende Kom­fort­ver­sor­gung und für an­dere Ver­si­che­rungs­ar­ten al­ler­dings nicht mehr ab­zieh­bar.

Fer­ner wurde § 10 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG um einen Halb­satz 2 ergänzt, wo­nach die gem. § 3 Nr. 62 EStG steu­er­freien Zu­schüsse des Ar­beit­ge­bers zu ei­ner Kran­ken- oder Pfle­ge­ver­si­che­rung ins­ge­samt der Ba­sis­ver­sor­gung zu­ge­ord­net wer­den.

Der Sach­ver­halt:
Der nicht­selbstständig tätige Kläger war - mit Kom­fort­ver­sor­gung - pri­vat kran­ken- und pfle­ge­ver­si­chert und er­hielt die Hälfte der hierfür auf­zu­brin­gen­den Ge­samtprämie als steu­er­freien Ar­beit­ge­ber­zu­schuss. Das Fi­nanz­amt be­han­delte den ge­sam­ten Ar­beit­ge­ber­zu­schuss so, als ob er auf die Auf­wen­dun­gen zur Ba­sis­ver­sor­gung ent­fal­len sei.

Der Kläger macht gel­tend, dass der Zu­schuss des Ar­beit­ge­bers zwi­schen der Ba­sis­ver­sor­gung und der Kom­fort­ver­sor­gung auf­zu­tei­len sei. Der von ihm selbst ge­zahlte Bei­trags­an­teil für die Ba­sis­ver­sor­gung sei des­we­gen höher als vom Fi­nanz­amt berück­sich­tigt. Weil die Ba­sis­ab­si­che­rung nach der Recht­spre­chung des BVerfG exis­tenz­not­wen­dig sei und des­we­gen steu­er­frei blei­ben müsse, stehe ihm ein um 275 € höherer Son­der­aus­ga­ben­ab­zug zu. Die ty­pi­sie­rende Zu­ord­nung des ge­sam­ten Ar­beit­ge­ber­zu­schus­ses zur Ba­sis­ver­sor­gung durch das Ge­setz sei so­mit ver­fas­sungs­wid­rig, zu­mal sie auch ge­gen den Gleich­heits­satz ver­stoße.

Das FG wies die Klage ab. Das Ur­teil ist rechtskräftig.

Die Gründe:
Die Ver­min­de­rung des Son­der­aus­ga­ben­ab­zugs für die pri­vate Kran­ken­ver­si­che­rung der Ba­sis­ver­sor­gung um die Ar­beit­ge­ber­zu­schüsse ist auch in­so­weit ver­fas­sungs­gemäß, als diese auf die Kom­fort­ver­sor­gung ent­fal­len (§ 10 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Halbs. 2 EStG).

Die ge­setz­li­che Neu­re­ge­lung verstößt nicht ge­gen den all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz (Art. 3 Abs. 1 GG). Bei Be­trach­tung von vier Ver­gleichs­grup­pen - Selbstständige und Ge­wer­be­trei­bende, ge­setz­lich pflicht­ver­si­cherte Nicht­selbständige, frei­wil­lig ge­setz­lich ver­si­cherte Nicht­selbständige und schließlich pri­vat ver­si­cherte Nicht­selbständige wie der Kläger - zeigt sich, dass der Nach­teil, den der Kläger sich aus der frag­li­chen Be­stim­mung er­rech­net, kom­pen­siert ist, wenn auch die Vor­teile berück­sich­tigt wer­den, die pri­vat ver­si­cherte Ar­beit­neh­mer aus sons­ti­gen Vor­schrif­ten hätten. So etwa, dass der Ar­beit­ge­ber ggf. auch Beiträge für die Kom­fort­ver­sor­gung zu zah­len hat und diese Zah­lun­gen steu­er­frei sind.

We­gen der zulässi­gen und so­gar ge­bo­te­nen Ge­samt­be­trach­tung al­ler maßgeb­li­chen Vor­schrif­ten wird auch ge­gen das sich aus dem Grund­ge­setz ab­zu­lei­ten­den Prin­zip der Steu­er­frei­heit des Exis­tenz­mi­ni­mums ("sub­jek­ti­ves Net­to­prin­zip") nicht ver­stoßen. Im Übri­gen liegt selbst bei iso­lier­ter Be­trach­tung des gel­tend ge­mach­ten Nach­teils we­gen sei­ner Ge­ringfügig­keit keine Ver­fas­sungs­wid­rig­keit vor. Schließlich ist auch die Re­ge­lung, nach der an­dere Vor­sor­ge­auf­wen­dun­gen (wie Ar­beit­neh­me­ran­teile zur Ar­beits­lo­sen-, Haft­pflicht-, Un­fall­ver­si­che­rung) vom Son­der­aus­ga­ben­ab­zug aus­ge­schlos­sen sind, wenn die Auf­wen­dun­gen für die Kran­ken­ver­si­che­rung der Ba­sis­ver­sor­gung den Höchst­be­trag be­reits aus­schöpfen (§ 10 Abs. 4 S. 4 EStG), ver­fas­sungs­gemäß.

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