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FG Baden-Württemberg zum Kindergeldanspruch bei Besuch islamischer Mädchenschulen

Urteil des FG Baden-Württemberg vom 27.2.2013 - 2 K 2760/11

Der Be­such ei­ner pri­va­ten is­la­mi­schen Mädchen­schule, de­ren Schwer­punkt in der Ver­mitt­lung der Grund­la­gen des is­la­mi­schen Glau­bens liegt und die we­der einen Ab­schluss noch eine hin­rei­chend gründ­li­che theo­re­ti­sch-sys­te­ma­ti­sche Aus­bil­dung zur Vor­be­rei­tung auf einen Be­ruf ver­mit­telt, be­rech­tigt die El­tern nicht zum Be­zug von Kin­der­geld. Bei einem Un­ter­richt ver­schie­de­ner Spra­chen von wöchent­lich ins­ge­samt sechs Stun­den kann nicht von einem ernst­haf­ten Sprach­un­ter­richt ge­spro­chen wer­den.

Der Sach­ver­halt:
Die ver­hei­ra­tete Kläge­rin ist türki­sche Staats­an­gehörige und is­la­mi­scher Re­li­gi­ons­zu­gehörig­keit. Sie be­zog für ihre Toch­ter bis zu de­ren 18. Le­bens­jahr Kin­der­geld. Im De­zem­ber 2010 be­an­tragte die Kläge­rin Wei­ter­zah­lung des Kin­der­gelds für ihre Toch­ter, da diese über einen Zeit­raum von zwei Jah­ren ein sog. Is­la­mi­sches Mädchen­kol­leg be­su­chen wollte. Da­bei han­delt es sich um eine pri­vate In­ter­nats­schule, die mit dem Ziel gegründet wurde, jun­gen is­la­mi­schen Mädchen nach Erfüllung ih­rer ge­setz­li­chen Schul­pflicht ihre Kul­tur und ihre Re­li­gion näher­zu­brin­gen und sie in den Be­rei­chen Sprache, Kul­tur und All­ge­mein­wis­sen zu stärken, um ih­nen ein selbst­be­wuss­tes Auf­tre­ten in der Ge­sell­schaft zu ermögli­chen. Die Kläge­rin war der An­sicht, dass das Kind durch den Schul­be­such für einen Be­ruf aus­ge­bil­det werde.

Die Fa­mi­li­en­kasse lehnte die Fest­set­zung des Kin­der­gel­des ab, da die An­spruchs­vor­aus­set­zun­gen des § 32 Abs. 4 EStG für die Zah­lung von Kin­der­geld für ein über 18 Jahre al­tes Kind nicht erfüllt seien. Der Be­such der Is­lam­schule stelle keine Aus­bil­dung i.S.d. EStG dar.

Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Das Ur­teil ist in­zwi­schen rechtskräftig.

Die Gründe:
Die Fa­mi­li­en­kasse war nicht ver­pflich­tet, für die Toch­ter der Kläge­rin Kin­der­geld fest­zu­set­zen.

Der Be­such des is­la­mi­schen Mädchen­kol­legs stellt keine Be­rufs­aus­bil­dung i.S.v. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a EStG dar, weil er nicht auf einen an­ge­streb­ten Be­ruf vor­be­rei­tete, son­dern auf ein Le­ben als Frau und Mut­ter nach dem Is­lam. Der zweijährige Be­such der Is­lam­schule genügte nicht den An­for­de­run­gen an eine hin­rei­chend gründ­li­che theo­re­ti­sch-sys­te­ma­ti­sche Aus­bil­dung zur Vor­be­rei­tung auf einen Be­ruf. Der Be­such des Mädchen­kol­legs en­dete zu­dem ohne Ab­schluss und eröff­nete kei­nen un­mit­tel­ba­ren Zu­gang zu einem Be­ruf. Nach sei­ner re­ligiösen und persönlich­keits­bil­den­den Aus­rich­tung be­steht auch kein aus­rei­chen­der in­halt­li­cher Zu­sam­men­hang zu einem von dem Kind an­ge­streb­ten Be­ruf. Denn die­ses hatte nach den An­ga­ben der Kläge­rin zum da­ma­li­gen Zeit­punkt über­haupt noch kei­nen kon­kre­ten Be­rufs­wunsch.

Bei die­ser Be­ur­tei­lung wird nicht ver­kannt, dass auch bei ei­ner Sprach­aus­bil­dung der er­for­der­li­che Be­zug zu einem Be­ruf be­ste­hen kann. Ein sol­cher Be­zug war hier je­doch nicht in dem er­for­der­li­chen Um­fang ge­ge­ben. Durch den Sprach­un­ter­richt in Deut­sch, Türki­sch und Eng­li­sch wur­den die Mädchen nicht sys­te­ma­ti­sch auf den Er­werb ei­nes an­er­kann­ten Prüfungs­ab­schlus­ses vor­be­rei­tet. Bei einem Un­ter­richt ver­schie­de­ner Spra­chen von wöchent­lich ins­ge­samt sechs Stun­den konnte auch nicht von einem ernst­haf­ten Sprach­un­ter­richt ge­spro­chen wer­den, der der Be­rufs­ausübung zu­ge­ord­net wer­den kann. Nach der BFH-Recht­spre­chung zu den Au-pair-Auf­ent­hal­ten wer­den hierzu re­gelmäßig zehn Wo­chen­stun­den ei­nes qua­li­fi­zier­ten Sprach­un­ter­richts ge­for­dert.

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