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Festsetzung der Erbschaftsteuer für den Vorerbfall nach dem Tod des Vorerben

BFH 13.4.2016, II R 55/14

Die Erb­schaft­steuer für den Vor­erb­fall ist nach dem Tod des Vor­er­ben re­gelmäßig ge­gen den Nach­er­ben und nur aus­nahms­weise ge­gen den Er­ben des Vor­er­ben fest­zu­set­zen. Es gibt we­der einen zi­vil­recht­li­chen noch einen erb­schaft­steu­er­recht­li­chen Grund, die Erb­schaft­steu­er­schuld in­so­weit an­ders als sons­tige Nach­lass­ver­bind­lich­kei­ten zu be­han­deln und an­zu­neh­men, dass die Steu­er­schuld al­lein auf den Er­ben des Vor­er­ben über­gehe und der Nach­erbe dafür nicht hafte.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist Al­lein­er­bin der im Ja­nuar 2012 ver­stor­be­nen Erb­las­se­rin, die ih­rer­seits al­lei­nige Vor­er­bin ih­res im Jahr 2007 ver­stor­be­nen Ehe­man­nes war. Bis zu dem mit dem Tod der Vor­er­bin ein­ge­tre­te­nen Nach­erb­fall war Tes­ta­ments­voll­stre­ckung an­ge­ord­net. Nach­er­bin ist nach dem Erb­schein aus März 2012 die Toch­ter des Ehe­manns. Nach­dem der Tes­ta­ments­voll­stre­cker im Fe­bruar 2010 die vom Fi­nanz­amt an­ge­for­derte Erb­schaft­steu­er­erklärung ein­ge­reicht hatte, setzte die Behörde die Erb­schaft­steuer für den Vor­erb­fall ge­gen die Kläge­rin fest. Hier­ge­gen wehrte sich die Kläge­rin, die nicht sich son­dern die Nach­er­bin als Steu­er­schuld­ne­rin sah.

Das FG wies die auf Auf­he­bung der Steu­er­be­scheide und der Ein­spruchs­ent­schei­dung ge­rich­tete Klage mit der Begründung ab, das Fi­nanz­amt habe die Erb­schaft­steuer zu Recht ge­gen die Kläge­rin als Ge­samt­rechts­nach­fol­ge­rin der Vor­er­bin und nicht ge­gen die Nach­er­bin fest­ge­setzt. Dem stehe die an­ge­ord­nete Tes­ta­ments­voll­stre­ckung nicht ent­ge­gen. Die Kläge­rin könne von der Nach­er­bin eine Be­frei­ung von der Steu­er­schuld oder Er­satz für die aus ei­ge­nem Vermögen ge­leis­tete Steuer ver­lan­gen. Auf die Re­vi­sion der Kläge­rin hob der BFH das Ur­teil auf und gab der Klage statt.

Gründe:
Die ge­gen die Kläge­rin er­gan­ge­nen Steu­er­fest­set­zun­gen wa­ren rechts­wid­rig.

Der Vor­erbe gilt nach § 6 Abs. 1 ErbStG als Erbe. Er er­wirbt den Nach­lass gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 ErbStG von To­des we­gen und schul­det da­her nach § 20 Abs. 1 S. 1 ErbStG die Erb­schaft­steuer für die­sen Er­werb. Das Erb­schaft­steu­er­recht knüpft da­mit an die zi­vil­recht­li­che Stel­lung des Vor­er­ben an, der gem. § 2100 BGB bis zum Ein­tritt der Nach­erb­folge Erbe ist. Ver­fas­sungs­recht­li­che Be­den­ken ge­gen die Be­steue­rung des Er­werbs des Vor­er­ben be­ste­hen nicht. Im In­nen­verhält­nis hat nach § 20 Abs. 4 ErbStG der Nach­erbe die durch den Vor­erb­fall ver­an­lasste Erb­schaft­steuer zu tra­gen. Mit dem Ein­tritt des Fal­les der Nach­erb­folge hört der Vor­erbe nach § 2139 BGB auf, Erbe zu sein, und fällt die Erb­schaft dem Nach­er­ben an.

Der Nach­erbe ist Erbe des ur­sprüng­li­chen Erb­las­sers. Er haf­tet nach § 1967 Abs. 1 u. 2 BGB für die Nach­lass­ver­bind­lich­kei­ten, und zwar auch für die Ver­bind­lich­kei­ten, die nicht vom Erb­las­ser herrühren, son­dern als Erb­fall­schul­den den Er­ben als sol­chen tref­fen, so­weit der Erb­las­ser nicht aus­nahms­weise aus­schließlich den Vor­er­ben mit Vermächt­nis­sen oder Auf­la­gen be­las­ten wollte. Der Vor­erbe haf­tet für die Nach­lass­ver­bind­lich­kei­ten le­dig­lich nach Maßgabe des § 2145 BGB, ins­be­son­dere für Ei­gen­ver­bind­lich­kei­ten, die aber zu­gleich Nach­lass­ver­bind­lich­kei­ten sein können, für die auch der Nach­erbe haf­tet. Haf­ten so­wohl der Vor­erbe als auch der Nach­erbe für eine Nach­lass­ver­bind­lich­keit, sind sie Ge­samt­schuld­ner.

Für die auf­grund des Vor­erb­falls ent­stan­dene Erb­schaft­steuer haf­tet da­nach (auch) der Nach­erbe. Die Erb­schaft­steuer ist eine Ver­bind­lich­keit, die den Vor­er­ben als sol­chen trifft, und so­mit als Erb­fall­schuld eine Nach­lass­ver­bind­lich­keit i.S.d. § 1967 BGB, die al­ler­dings nach dem in­so­weit kon­sti­tu­tiv wir­ken­den § 10 Abs. 8 ErbStG bei der Be­mes­sung der Erb­schaft­steuer des Vor­er­ben nicht ab­zugsfähig ist. Es gibt we­der einen zi­vil­recht­li­chen noch einen erb­schaft­steu­er­recht­li­chen Grund, die Erb­schaft­steu­er­schuld in­so­weit an­ders als sons­tige Nach­lass­ver­bind­lich­kei­ten zu be­han­deln und an­zu­neh­men, dass die Steu­er­schuld al­lein auf den Er­ben des Vor­er­ben über­gehe und der Nach­erbe dafür nicht hafte. So­weit bis­her von der Recht­spre­chung und der h.M. in der Li­te­ra­tur eine an­dere An­sicht ver­tre­ten wird, kann die­ser nicht ge­folgt wer­den.

Haf­tet nach dem Ein­tritt des Nach­erb­falls ne­ben dem Nach­er­ben auch der Vor­erbe oder des­sen Erbe für die durch den Vor­erb­fall aus­gelöste Erb­schaft­steuer, sind sie Ge­samt­schuld­ner i.S.d. § 44 Abs. 1 S. 1 AO und schul­den je­weils die ge­samte Leis­tung, so­weit sich für den Vor­er­ben oder des­sen Er­ben aus § 2145 BGB keine Haf­tungs­be­schränkung er­gibt. Das zuständige Fi­nanz­amt hat nach sei­nem pflicht­gemäßen Er­mes­sen zu ent­schei­den, ge­gen wel­chen Ge­samt­schuld­ner es die Erb­schaft­steuer fest­setzt. Da der Nach­erbe im Verhält­nis zum Vor­er­ben oder des­sen Er­ben gem. § 20 Abs. 4 ErbStG die Erb­schaft­steu­er­schuld des Vor­er­ben zu tra­gen hat, ent­spricht es re­gelmäßig pflicht­gemäßem Er­mes­sen, die Steuer ge­gen den Nach­er­ben fest­zu­set­zen.

Link­hin­weis:

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