Welche Unternehmen sind von der geplanten EU-Richtlinie betroffen?
Die EU-Richtlinie soll für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 150 Mio. Euro und mehr als 500 Mitarbeitern gelten. Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 40 Mio. Euro und mehr als 250 Mitarbeitern fallen ebenfalls in den Anwendungsbereich der Richtlinie, sofern sie mehr als 50 Prozent ihres Umsatzes in sog. „risikobehafteten“ Wirtschaftszweigen erzielen – dazu zählen nach Ansicht der EU-Kommission im Wesentlichen:
- Textilien, Bekleidung und Leder (einschließlich Schuhe),
- Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei (einschließlich Aquakultur),
- Herstellung von Nahrungsmitteln,
- Großhandel mit landwirtschaftlichen Rohstoffen, lebenden Tieren, Holz, Lebensmitteln und Getränken,
- Gewinnung von Bodenschätzen,
- Herstellung von Metallerzeugnissen, sonstigen Erzeugnissen aus nichtmetallischen Mineralien und Metallerzeugnissen sowie
- der Großhandel mit mineralischen Rohstoffen, mineralischen Grundstoffen und Zwischenprodukten und Zwischenerzeugnissen (einschließlich Metalle und Metallerze, Baustoffe, Brennstoffe, Chemikalien und anderen Zwischenprodukten).
Darüber sieht der Entwurf grundsätzlich sogar eine Anwendung auf Unternehmen vor, die zwar nicht aus der EU kommen, aber dort Geschäfte machen. Diese müssten dann dafür Sorge tragen, dass auch Unternehmen, von denen sie beliefert werden, nicht die Umwelt zerstören oder ihre Mitarbeitenden ausbeuten.
Hinweis: Dies stellt eine deutliche Verschärfung gegenüber dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz dar, das ab dem kommenden Jahr zunächst für Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten und ab dem 01.01.2024 für solche mit mindestens 1.000 Mitarbeitern gilt. Mehr zum nationalen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz lesen Sie hier.
Welche Anforderungen stellt der Entwurf an Unternehmen?
Nach den Vorgaben des Richtlinienentwurfs sollen Unternehmen verpflichtet werden, ihre gesamte Lieferkette auf Verstöße gegen Umwelt-, Klima- und Menschenrechte zu kontrollieren.
Insbesondere ist die Implementierung von geeigneten Maßnahmen vorgesehen, um nachteilige Auswirkungen auf die Menschenrechte sowie auf die Umwelt zu ermitteln und zu verhindern bzw. abzumildern oder zu beenden, die sich aus der eigenen Geschäftstätigkeit (einschließlich der Tochtergesellschaften) sowie aus den Geschäftsbeziehungen entlang ihrer Wertschöpfungskette ergeben.
Ein besonderes Augenmerk legt Entwurf auf den Klimaschutz. Mitgliedsstaaten sollen sicherstellen, dass die Unternehmensstrategie vereinbar ist mit dem Ziel des Pariser Abkommens, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken.
Unternehmensverantwortliche werden nach dem Kommissionsentwurf konkret in den Blick genommen und müssen die Umsetzung des europäischen Green Deal in ihre Unternehmensstrategie integrieren. Entsprechende Bemühungen sollen zudem maßgebliche Relevanz für deren Bonuszahlungen entfalten.
Daneben liegt der Fokus verstärkt auch auf umweltbezogenen Sorgfaltspflichten. Diese sind in dem bestehenden nationalen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz nur erfasst, soweit sie im Zusammenhang mit konkreten Menschenrechtsverletzungen stehen.
Auch an die Berichtspflichten werden strenge Anforderungen gestellt. Außerdem sind die Bewertungen von Geschäftsbeziehungen ebenso wie die Wirksamkeit von Maßnahmen im Turnus von zwölf Monaten zu wiederholen.
Insgesamt stellt der von der EU-Kommission präsentierte Richtlinien-Entwurf gegenüber dem deutschen Lieferkettengesetz deutlich höhere Anforderungen an Unternehmen und weitet auch die Haftung erheblich aus.
Drohende Sanktionen und Ausblick
Der Richtlinienentwurf der EU sieht Sanktionen für Unternehmen vor, die gegen die darin festgelegten Pflichten verstoßen. Die Entscheidung darüber, welche Art von Sanktionen auferlegt werden, soll den jeweiligen Mitgliedsstaaten vorbehalten bleiben; nach den Vorgaben der EU-Kommission sind sie jedoch „effektiv, verhältnismäßig und abschreckend“ auszugestalten. Etwaige finanzielle Sanktionen haben sich dabei am Umsatz des Unternehmens zu orientieren.
Es ist insbesondere eine zivilrechtliche Haftung für Verstöße der an der jeweiligen Lieferkette beteiligten Unternehmen vorgesehen, etwa wenn Maßnahmen versäumt wurden und dies zu einem Schaden geführt hat. Das deutsche Lieferkettengesetz begründet jedenfalls eine solche Haftung nicht.
Nunmehr muss die von der EU-Kommission geplante Richtlinie mit dem Europäischen Parlament und den EU-Mitgliedstaaten verhandelt werden. Anschließend haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit zur Umsetzung in innerstaatliches Recht.
Auf welche Weise der den Mitgliedstaaten eingeräumte Ermessensspielraum bei den Sanktionen durch den deutschen Gesetzgeber konkret ausgeübt wird, bleibt abzuwarten. Da der Entwurf der Brüsseler Behörde in vielen Punkten über die Anforderungen des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes hinausgeht, steht insgesamt zu erwarten, dass der deutsche Gesetzgeber im Hinblick darauf zeitnahe Anpassungen vornehmen müssen wird.
Auf diese Perspektive sollten sich die Unternehmen frühzeitig einstellen. Insbesondere der klassische Mittelstand, der sich bislang tendenziell weniger unmittelbar betroffen sah, wird sich zwangsläufig mit den weiten Anforderungen im Rahmen der Lieferkette eingehend auseinandersetzen müssen
Die Meldung von Verstößen gegen diese Richtlinie soll nach dem Willen der Kommission im Übrigen unter die „Whistleblower-Richtlinie“ (EU) 2019/1937 fallen. Deren Umsetzung in das deutsche Recht wird – auch mit Blick auf das zwischenzeitlich eingeleitete EU-Vertragsverletzungsverfahren – zeitnah erwartet.
Mehr zur Whistleblower-Richtlinie finden Sie hier.