Hintergrund dieses Reformvorschlags war, die aus der Finanzkrise gezogenen Lehren in einem Regulierungsrahmen für ein widerstandsfähigeres und stabileres Finanzsystem umzusetzen.
Nach langen Trilogverhandlungen auf EU-Ebene hat der Rat der Europäischen Union am 14.5.2019 als letzte Gesetzgebungsinstanz das umfassende Bankenpaket angenommen. Dieses beinhaltet folgende wesentliche Maßnahmen:
Hinweis
Das Bankenpaket enthält Elemente des Basel III-Rahmenwerks, die im Jahr 2016 bereits auf internationaler Ebene vereinbart und finalisiert waren. Änderungen, die der Basler Ausschuss im Dezember 2017 beschlossen hatte (bekannt auch als „Basel IV“, siehe nachfolgende Abbildung 2), sind im EU-Bankenpaket nicht enthalten.
Nachfolgend gehen wir auf die wesentlichen Änderungen der CRR II und CRD V ein:
Anwendungsbereich
Den Themen Proportionalität und Verhältnismäßigkeit der Regulierung wurde im Bankenpaket verstärkt Rechnung getragen. Bspw. wurde die Liste von Einrichtungen, die vom Anwendungsbereich der CRD V ausgenommen sind, um die Landwirtschaftliche Rentenbank und die Förderinstitute der Länder erweitert. Für sog. „kleine und nicht-komplexe Institute“ wurden zudem diverse Erleichterungen eingeführt:
Hinweis
Gemäß Angaben der Deutschen Bundesbank vom März 2019 fallen in den Anwendungsbereich der kleinen und nicht-komplexen Institute ca. 90 % der deutschen Institute und 21 % der aggregierten Bilanzsummen auf konsolidierter Ebene.
Eigenmittelinstrumente und Konsolidierung
Bei der Anerkennung von Eigenmittelinstrumenten als hartes Kernkapital (CET 1) hat die Aufsicht zwei wichtige Erleichterungen eingeführt, deren Inanspruchnahme unter bestimmten Voraussetzungen möglich ist. Zum einen dürfen künftig erneute Emissionen von (identischen) CET 1 - Instrumenten bereits vor der Bestätigung der Aufsicht angerechnet werden. Zum anderen ist für Bankkonzerne mit Ergebnisabführungsverträgen (EAV) die Anerkennung der damit verbundenen CET 1 - Kapitalinstrumente trotz EAV möglich. Diese Regelungen gelten bereits mit dem Inkrafttreten der CRR II.
Künftig werden bestimmte Software-Vermögenswerte von der bisherigen Kapitalabzugspflicht befreit. Dabei muss es sich um Positionen handeln, die im Insolvenz- oder Abwicklungsfall werthaltig sind. Hierfür wird die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) mit der Erarbeitung entsprechender technischer Standards beauftragt. Diese Befreiung gilt allerdings erst 12 Monate nach dem Inkrafttreten der genannten EBA-Standards.
Gleichzeitig wurden zusätzliche Kapitalabzugspflichten eingeführt und zwar der Abzug von Mindestzahlungszusagen, die bspw. im Rahmen von Altersvorsorgeverträgen oder Garantiefonds abgegeben werden, und der Abzug des NPE-Backstops (Mindestdeckung notleidender Risikopositionen).
Hinweis
Der Abzug des NPE-Backstops ist zwar kein direkter Bestandteil der CRR II, wird allerdings über eine CRR-Änderungsverordnung (Verordnung (EU) 2019/630 vom 17.4.2019) und des neuen Art. 47c CRR eingeführt (siehe auch novus Finanzdienstleistungen, 3. Ausgabe 2018, S. 12 bis 13). Der Kapitalabzug gilt dabei nur für NPE, die nach dem 26.4.2019 begründet werden.
Mit der Einführung der CRR II wird der aufsichtsrechtliche Konsolidierungskreis erweitert. So reicht künftig ein Anbieter von Nebendienstleistungen i. S. d. CRR als Tochterunternehmen aus, um das Erfordernis einer Gruppenbetrachtung zu erfüllen. Die Aufsicht kann zudem für sonstige Tochtergesellschaften (wie Operating-Lease-Unternehmen), bei welchen z.B. erhöhte Unterstützungsrisiken (sog. step-in-Risiken) vorliegen, eine Voll- oder Quotenkonsolidierung einfordern. Auch die Konsolidierungsmethodik wird deutlich verschärft, indem zur Ermittlung des Beteiligungsbuchwertes eine verpflichtende at-Equity-Konsolidierung für aufsichtsrechtlich nicht konsolidierte Einheiten eingeführt wird. Die neuen Vorschriften zur aufsichtlichen Konsolidierung entfalten ihre Wirkung 18 Monate nach dem Inkrafttreten der CRR II.
Verschuldungs- und Refinanzierungsquote
Mit dem Bankenpaket wird eine verbindlich einzuhaltende Verschuldungsquote (Leverage Ratio, LR) von mindestens 3 % eingeführt, die zusätzlich zu den risikobasierten Kapitalanforderungen zu erfüllen ist.
Die Verschuldungsquote setzt das aufsichtsrechtliche Kernkapital (Summe von hartem und zusätzlichem Kernkapital, Tier 1) ins Verhältnis zu einer Gesamtrisikopositionsmessgröße und stellt eine von der Risikobehaftung der Risikopositionen unabhängige Eigenkapitalanforderung als Letztsicherung für risikogewichtete Eigenkapitalanforderungen dar. Die Gesamtrisikopositionsmessgröße beinhaltet bilanzielle und außerbilanzielle Risikopositionen sowie Derivate und Wertpapierfinanzierungsgeschäfte; allgemein anerkannte Kreditrisikominderungen dürfen dabei berücksichtigt werden.
Einige wenige Risikopositionen (wie Durchleitungskredite, öffentliche Förderkredite, öffentlich garantierte Exportkredite) dürfen nur unter bestimmten Voraussetzungen vom Volumen der Gesamtrisikomessgröße ausgeschlossen werden. Beim Ausschluss von Forderungen gegenüber Zentralbanken haben die Institute eine sog. adjustierte LR zu berechnen.
Hinweis
Diese Vorschriften sind ab dem 28.6.2021anzuwenden. Institute sollten die Zeit bis zur Anwendung nutzen, um die Auswirkung kritischer Risikopositionen auf die LR zu untersuchen und ggf. erforderliche Maßnahmen zur täglichen Einhaltung der LR einzuführen. Auch die Notwendigkeit der Inanspruchnahme vermeintlicher Erleichterungen sollte kritisch hinterfragt werden.
Mit der Einführung der strukturellen Liquiditätsquote (Net Stable Funding Ratio, NSFR) soll künftig eine innerhalb eines Betrachtungszeitraums von einem Jahr stabile Refinanzierungsstruktur sichergestellt werden. Der Quotient zur Berechnung der NSFR besteht aus der verfügbaren stabilen Refinanzierung (Available Stable Funding - ASF, Passiva) sowie der erforderlichen stabilen Refinanzierung (Required Stable Funding - RSF, Aktiva) und muss jederzeit mindestens 100 % betragen. Für die Ermittlung der ASF und RSF werden verschiedene Gewichtungsfaktoren je nach Verfügbarkeitsdauer der Passiva und Liquiditätsbindungsdauer der Aktiva herangezogen. Die Ermittlungsmethodik dieser Faktoren ist mit der für die Berechnung der Liquiditätsdeckungsquote (LCR) vergleichbar.
Hinweis
Die Festlegung und Kalibrierung der Gewichtungsfaktoren, bspw. aufgrund vorliegender Asymmetrien bei den Repo-Geschäften, stellte ein zentrales Diskussionsthema bei der Gestaltung der NSFR dar. Die EBA wurde in diesem Zusammenhang beauftragt, diverse Untersuchungen bzgl. Auswirkung der Gewichtungsfaktoren durchzuführen und ggf. Vorschläge für deren künftigen Anpassung zu erarbeiten.
Die neuen Anforderungen sind ebenfalls ab dem 28.6.20121 anzuwenden. In dieser Zeit wird die EBA die jeweiligen Inhalte des externen Reportings überarbeiten, neue technische Standards implementieren und dabei Window-Dressing-Aspekte adressieren.
Kreditrisiko
Die wichtigste Änderung bzgl. des Kreditrisikos bezieht sich auf die Investmentfondsanteile im Anlagebuch. Für die Ermittlung deren risikogewichteten Positionswerts (RWA) stehen künftig der bisherige Transparenz-Ansatz (Look-Through-Approach, LTA) und der modifizierte Standardansatz (nur für IRBA-Institute) sowie zwei neue Ansätze - der Mandats-basierte (MBA) und der Fallback-Ansatz (FBA) - zur Verfügung.
Die RWA-Ermittlung im Falle des LTA hat sich im Grunde genommen nur unwesentlich verändert. Im Kreditrisikostandardansatz ist der MBA dann anzuwenden, wenn die Datengrundlage für die LTA-Anwendung nicht ausreichend ist. Dieser kann jedoch zu deutlich höheren RWA führen, da für die Ermittlung nicht die Fondszusammensetzung, sondern die im Fondsprospekt festgelegten Anlagebeschränkungen ausschlaggebend sind. Können die Anforderungen an den LTA und den MBA bzw. des modifizierten Standardansatzes nicht erfüllt werden, kommt der sog. Fallback-Ansatz zur Anwendung, bei welchem stets ein Risikogewicht von 1.250 % anzuwenden ist.
Die Rangordnung für die Anwendung der Ansätze wird durch die Granularität der Datenlage bestimmt - je granularer die Daten, desto weniger konservativ ist der Ansatz - und gilt nur für Investmentfonds, die bzw. deren Verwaltungsgesellschaft der Richtlinie zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) oder der Richtlinie über die Verwalter alternativer Investmentfonds (AIFM) unterliegen. Für alle anderen Fonds gilt nur der FBA.
Hinweis
Mit dem Wegfall der bisherigen Rückfallmöglichkeiten (externes Rating bzw. pauschales Risikogewicht von 100 %) und der Einführung des FBA betont die Aufsicht die Bedeutung granularer Daten und deren Einbindung in die bankinternen Prozesse und Systeme. Ein Rückgriff auf Berechnungen Dritter lässt die Aufsicht nach wie vor zu, allerdings nur, wenn eine externe Prüferbestätigung für deren Richtigkeit vorliegt und nach Berücksichtigung eines allgemeinen Zuschlagsfaktors von 1,2 auf die ermittelte RWA.
Positiv wirken sich die Änderungen der RWA-Ermittlung von Finanzierungen klein- und mittelständischer Unternehmen (KMU) und von Infrastrukturinvestitionen aus. Der KMU-Faktor ist künftig zweistufig gestaltet - der Schwellenwert für den bisherigen Faktor von 0,7619 wurde auf 2,5 Mio. Euro angehoben und der darüberhinausgehende Betrag wird künftig mit einem Faktor von 0,85 berücksichtigt. Der Infrastrukturfaktor-Unterstützungsfaktor sich künftig auf 0,75.
Großkreditvorschriften
Bei den Großkreditvorschriften lassen sich die wesentlichen Änderungen wie folgt zusammenfassen:
- Kapitalmessgröße - Grundlage für die Berechnung der Großkreditgrenzen stellt künftig nur das Tier 1 - Kapital dar.
- Wiedereinhaltungs- bzw. Rückführungsplan - dieser ist künftig bei evtl. Überschreitung der Großkreditobergrenze vom jeweiligen Institut vorzulegen und dessen Einhalten von der Aufsicht zu überwachen. Zur Konkretisierung von Begriffen, Zeitrahmen und Maßnahmen werden noch entsprechende EBA-Leitlinien entwickelt.
- Kreditrisikominderungstechniken (KRMT) - die im Rahmen der RWA-Ermittlung genutzten KRMT sind künftig für die Großkreditvorschriften ausschlaggebend. Zudem ist künftig grds. der Substitutionseffekt der hereingenommenen Sicherheiten und Garantien zu berücksichtigen.
- Gruppe verbundener Kunden - es wurde eine Ausnahme bzgl. zentralen Kontrahenten eingefügt und die Erarbeitung weiterer EBA-Standards angekündigt.
Hinweis
Die oben beschriebenen Änderungen führen generell zur Verringerung der Großkreditgrenzen, deren Auswirkungen rechtzeitig in der strategischen und operativen Planung des Instituts Berücksichtigung finden sollen.
Kontrahentenrisiken
Institute mit Derivatevolumen (bilanziell und außerbilanziell) von max. 100 Mio. Euro und 5 % der Gesamtaktiva haben künftig eine modifizierte Ursprungsrisikomethode anzuwenden, die z. T. mit der aktuellen Marktbewertungsmethode vergleichbar ist. Alle anderen Institute haben in Abhängigkeit des Derivatebuchvolumens den neuen Standardansatz bzw. einen sog. modifizierten Standardansatz anzuwenden. Beide sind weitaus komplexer als die derzeit aktuelle Standardmethode.
Die Anwendung der aufsichtlich genehmigten Internen Modelle-Methode (IMM) ist jedoch weiterhin zulässig.
Hinweis
Die Anwendung der IMM ist im Großkreditbereich jedoch eingeschränkt worden: sie ist künftig nur für Wertpapierpensions-, jedoch nicht für Derivategeschäfte erlaubt.
Marktpreisrisiko
Zur Berechnung des Marktpreisrisikos werden künftig gemäß dem Proportionalitätsprinzip (siehe Abbildung 3) drei Alternativen zugelassen:
- Institute mit kleinem Handelsbuch - Anwendung der Regeln für das Anlagebuch
- Institute mit mittelgroßem Handelsbuch - Anwendung des bisherigen Standardansatzes
- Übrige Institute - Anwendung des neuen sensitivitätsbasierten Standardansatzes, für den eine vorgezogene nachrichtliche Meldepflicht frühestens ab Ende 2020 besteht und dessen Berechnungsdetails über eine delegierte Verordnung noch zu spezifizieren sind.
Hinweis
Der neue Standardansatz zur Eigenmittelunterlegung von Marktpreisrisiken gilt erst vier Jahre nach Inkrafttreten der CRR II. Gemäß den Angaben der Deutschen Bundesbank vom März 2019 sind davon weniger als 2 % der deutschen Institute betroffen.
Meldewesen- und Offenlegungsvorschriften
Das Proportionalitätsprinzip wurde auch in den neuen Meldewesen- und Offenlegungsvorschriften stärker etabliert. Neben diversen Erleichterungen in der CRR II für kleine und nicht komplexe Institute (siehe Abbildung) sollen künftig Größe, Komplexität und Geschäftsrisiko des jeweiligen Instituts stärker in den noch zu überarbeitenden Meldewesen-Standards (Durchführungsverordnung (EU) 680/2014) Berücksichtigung finden. Zudem soll der vorhandene Doppelmeldeaufwand durch Verbesserung des Datenaustauschs unter den Aufsichtsbehörden reduziert werden.
Umfang und Frequenz der Offenlegungsvorschriften richten sich künftig danach, ob es sich um ein großes (Bilanzsumme > 30 Mrd. Euro), sog. „kleines und nicht-komplexes Institut“ oder ein anderes Institut handelt. Maßgeblich ist zudem die Kapitalmarktorientierung des Instituts. Gleichzeitig sollen zur Vereinheitlichung und Steigerung der Übersichtlichkeit der Offenlegung sog. „Key Metrics“-Tabellen eingeführt werden, welche die wichtigsten aufsichtlichen Kennzahlen zu Eigenmitteln, Verschuldungsquote, LCR und NSFR verpflichtend offenlegen.
Fazit
Das Bankenpaket wurde am 7.6.2019 im EU-Amtsblatt veröffentlicht (Abl. L 150) und trat am 27.6.2019 in Kraft. Die CRR II gilt als EU-Verordnung unmittelbar in allen EU-Mitgliedsstaaten. Die CRD V hingen bedarf als EU-Richtlinie eine Umsetzung in deutsches Recht, u. a. durch Änderung des KWG. Generelle Umsetzungsfristen von 18 (für die CRD V) bzw. 24 Monaten (für die CRR II) sowie weitere Übergangsregelungen geben den betroffenen Instituten die dringend notwendige Zeit zur Durchführung von Erstanalysen, Erarbeitung von Fachkonzepten und Planung der erforderlichen Umsetzungsmaßnahmen.
Hinweis
In der Übergangszeit wird die Veröffentlichung diverser Standards und Leitlinien zur Konkretisierung einzelner Basel III-Vorgaben durch die EBA erwartet (ca. 70 EBA-Mandate), die von Instituten und Aufsichtsbehörden voraussichtlich sehr kurzfristig umzusetzen wären.
Ausblick
Im Mai 2018 hatte die Europäische Kommission die EBA im Rahmen eines „Calls for advice“ gebeten, eine detaillierte Analyse zu den Auswirkungen der Umsetzung von „Basel IV“ zu erstellen. Die EBA stellte ihre wichtigsten quantitativen Erkenntnisse und Umsetzungsvorschläge am 2.7.2019 im Rahmen einer öffentlichen Anhörung vor. Mit einem Legislativvorschlag der Europäischen Kommission wird nicht vor Ende 2019 gerechnet (siehe Abbildung 2).