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Ersetzung des Vorläufigkeitsvermerks im Steuerbescheid durch einschränkenden Vorläufigkeitsvermerk in späterem Änderungsbescheid

BFH 14.7.2015, VIII R 21/13

Hat das Fi­nanz­amt die Steuer un­ter Be­zug­nahme auf Gründe i.S.d. § 165 Abs. 1 S. 1 und S. 2 AO vorläufig fest­ge­setzt, so bleibt der Vorläufig­keits­ver­merk bis zu sei­ner ausdrück­li­chen Auf­he­bung wirk­sam. Eine still­schwei­gende Auf­he­bung des Vorläufig­keits­ver­merks durch eine Ände­rungs­ver­an­la­gung, auch wenn sie auf eine (an­dere) Kor­rek­tur­vor­schrift gestützt ist, ist aus­ge­schlos­sen.

Der Sach­ver­halt:
Die kla­gen­den Ehe­leute er­ziel­ten in den Streit­jah­ren (2001 bis 2003) ausländi­sche Ka­pi­tal­erträge, die zunächst nicht im Rah­men ih­rer Ein­kom­men­steu­er­erklärung für die Streit­jahre erklärt und in­fol­ge­des­sen vom Fi­nanz­amt bei der Ein­kom­men­steu­er­ver­an­la­gung der Kläger nicht berück­sich­tigt wur­den. Nach­dem die Kläger im Rah­men ei­ner Selbst­an­zeige die ausländi­schen Ka­pi­tal­erträge mit ge­schätz­ten Wer­ten nach­erklärt hat­ten, änderte das Fi­nanz­amt die Ein­kom­men­steu­er­be­scheide für die Streit­jahre mit Be­schei­den vom 11.3.2010 gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO und führte in den Ände­rungs­be­schei­den un­ter dem Punkt "Art der Fest­set­zung" aus: "Der Be­scheid ist nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert. Er ist nach § 165 Abs. 1 S. 2 AO vorläufig, so­weit dies im Erläute­rungs­teil aus­geführt ist. Er ist nach § 165 Abs. 1 S. 1 AO vorläufig."

Zif­fer 1 der Erläute­run­gen der Be­scheide be­zeich­nete den Vorläufig­keits­ka­ta­log nach § 165 Abs. 1 S. 2 AO wie folgt: "Die Fest­set­zung der Ein­kom­men­steuer ist gem. § 165 Abs. 1 S. 2 Nrn. 3 und 4 AO vorläufig hin­sicht­lich der Nicht­berück­sich­ti­gung pau­scha­ler Wer­bungs­kos­ten bzw. Be­triebs­aus­ga­ben in Höhe der steu­er­freien Auf­wands­ent­schädi­gung nach § 12 des Ge­set­zes über die Rechts­verhält­nisse der Mit­glie­der des Deut­schen Bun­des­ta­ges der Höhe des Grund­frei­be­tra­ges (§ 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG)." Un­ter den wei­te­ren Erläute­run­gen führte das Fi­nanz­amt aus: "Die Fest­set­zung der Ein­kom­men­steuer ist vorläufig hin­sicht­lich der Einkünfte aus Ka­pi­tal­vermögen - Ka­pi­tal­erträge aus den An­la­gen bei der in der Schweiz und der in Öster­reich -, weil die endgülti­gen Werte noch nicht vor­lie­gen."

Auf­grund ei­ner Mit­tei­lung über geänderte Be­tei­li­gungs­einkünfte änderte das Fi­nanz­amt die Ein­kom­men­steu­er­be­scheide un­ter Be­zug­nahme auf § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO er­neut mit Be­schei­den vom 9.8.2010 und führte un­ter "Art der Fest­set­zung" je­weils aus: "Der Be­scheid ist nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert. Er ist nach § 165 Abs. 1 S. 2 AO vorläufig, so­weit dies im Erläute­rungs­teil aus­geführt ist." Dem­ent­spre­chend ent­hielt der Erläute­rungs­teil nur die Hin­weise zum Vorläufig­keits­ka­ta­log des § 165 Abs. 1 S. 2 AO ent­spre­chend den Ände­rungs­be­schei­den vom 11.3.2010: "Die Fest­set­zung der Ein­kom­men­steuer ist gem. § 165 Abs. 1 S. 2 Nrn. 3 und 4 AO vorläufig hin­sicht­lich der Nicht­berück­sich­ti­gung pau­scha­ler Wer­bungs­kos­ten bzw. Be­triebs­aus­ga­ben in Höhe der steu­er­freien Auf­wands­ent­schädi­gung nach § 12 des Ge­set­zes über die Rechts­verhält­nisse der Mit­glie­der des Deut­schen Bun­des­ta­ges der Höhe des Grund­frei­be­tra­ges (§ 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG)." Der Be­scheid ent­hielt je­doch kei­nen Vorläufig­keits­ver­merk nach § 165 Abs. 1 S. 1 AO mehr und auch kei­nen Hin­weis auf die Auf­he­bung des noch in den Be­schei­den vom 11.3.2010 ent­hal­te­nen Vorläufig­keits­ver­merks we­gen des An­sat­zes der Einkünfte aus Ka­pi­tal­vermögen.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Auf die Re­vi­sion des Fi­nanz­amts hob der BFH das Ur­teil auf und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Zu Un­recht hat das FG an­ge­nom­men, die Ände­rungs­be­scheide vom 9.8.2010 hätten die mit den vor­an­ge­gan­ge­nen Be­schei­den vom 11.3.2010 aus­ge­spro­chene Vorläufig­keit der Be­steue­rung der Einkünfte aus Ka­pi­tal­vermögen un­berührt ge­las­sen, so dass die Kläger die Ände­rung der Ein­kom­men­steu­er­be­scheide vom 9.8.2010 un­ter An­satz der neu er­mit­tel­ten Einkünfte aus Ka­pi­tal­vermögen be­an­spru­chen könn­ten.

Nach § 165 Abs. 2 S. 1 AO kann die Fi­nanz­behörde Steu­er­fest­set­zun­gen auf­he­ben oder ändern, so­weit sie die Steuer vorläufig fest­ge­setzt hat. Die Vor­aus­set­zun­gen für eine sol­che vorläufige Steu­er­fest­set­zung enthält § 165 Abs. 1 AO. Da­nach kommt eine vorläufige Steu­er­fest­set­zung in Be­tracht, so­weit un­ge­wiss ist, ob die Vor­aus­set­zun­gen für die Ent­ste­hung ei­ner Steuer ein­ge­tre­ten sind (Satz 1) oder ei­ner der in Satz 2 der Vor­schrift ge­re­gel­ten Tat­bestände ge­ge­ben ist. Hat das Fi­nanz­amt die Steuer un­ter Be­zug­nahme auf Gründe i.S.d. § 165 Abs. 1 S. 1 und S. 2 AO vorläufig fest­ge­setzt, so bleibt der Vorläufig­keits­ver­merk bis zu sei­ner ausdrück­li­chen Auf­he­bung wirk­sam. Eine still­schwei­gende Auf­he­bung des Vorläufig­keits­ver­merks durch eine Ände­rungs­ver­an­la­gung, auch wenn sie auf eine (an­dere) Kor­rek­tur­vor­schrift gestützt ist, ist aus­ge­schlos­sen.

Keine sol­che - un­wirk­same - still­schwei­gende Auf­he­bung des Vorläufig­keits­ver­merks, son­dern des­sen in­halt­lich neue Be­stim­mung ist ge­ge­ben, wenn dem Ände­rungs­be­scheid im Verhält­nis zum Ur­sprungs­be­scheid ein in­halt­lich ein­ge­schränk­ter Vorläufig­keits­ver­merk bei­gefügt wird. Der Steu­er­pflich­tige muss den in einem Ände­rungs­be­scheid ent­hal­te­nen - geänder­ten - Vorläufig­keits­ver­merk grundsätz­lich so ver­ste­hen, dass der Um­fang der Vorläufig­keit ge­genüber dem ur­sprüng­li­chen Be­scheid geändert und nun im Ände­rungs­be­scheid ab­schließend um­schrie­ben wor­den ist. Dies gilt auch, wenn - wie vor­lie­gend - ein so­wohl auf § 165 Abs. 1 S. 1 AO als auch auf S. 2 die­ser Vor­schrift gestütz­ter Vorläufig­keits­ver­merk im geänder­ten Be­scheid durch einen al­lein auf § 165 Abs. 1 S. 2 AO gestütz­ten Vorläufig­keits­ver­merk er­setzt wird.

Nach die­sen Grundsätzen sind die Steuerände­rungs­be­scheide für die Streit­jahre vom 9.8.2010 nicht mehr änder­bar, weil die Vor­aus­set­zun­gen der in­so­weit al­lein in Be­tracht kom­men­den Ände­rungs­norm des § 165 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 2 AO nicht vor­lie­gen. Denn ent­ge­gen der An­sicht der Kläger ent­hiel­ten die Steuerände­rungs­be­scheide vom 9.8.2010 hin­sicht­lich der Höhe der Einkünfte aus Ka­pi­tal­vermögen kei­nen Vorläufig­keits­ver­merk i.S. des § 165 Abs. 1 S. 1 AO mehr. Dies folgt un­mit­tel­bar aus dem oben wie­der­ge­ge­be­nen Wort­laut der Be­scheide. Dafür, dass das Fi­nanz­amt die Vorläufig­keit der Steu­er­fest­set­zung ab­wei­chend von dem ab­schließend for­mu­lier­ten Ver­merk aus der Sicht der Be­scheida­dres­sa­ten auf an­dere Tat­bestände des § 165 Abs. 1 AO er­streckt wis­sen wollte, er­ge­ben sich kei­ner­lei An­halts­punkte.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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