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Steuerberatung

Einzelunternehmer: Kapitalgesellschaftsbeteiligung als notwendiges Betriebsvermögen

BFH v. 10.4.2019 - X R 38/17

Die Be­tei­li­gung an ei­ner Ka­pi­tal­ge­sell­schaft gehört zum not­wen­di­gen Be­triebs­vermögen, wenn sie ent­we­der dazu be­stimmt ist, die ge­werb­li­che (bran­chen­glei­che) Betäti­gung des Steu­er­pflich­ti­gen ent­schei­dend zu fördern oder wenn sie dazu dient, den Ab­satz von Pro­duk­ten des Steu­er­pflich­ti­gen zu gewähr­leis­ten. Eine Förde­rung in der ers­ten Al­ter­na­tive er­for­dert, dass der Steu­er­pflich­tige seine Be­tei­li­gung an der Ka­pi­tal­ge­sell­schaft zum Wohle sei­nes Ein­zel­ge­wer­be­be­triebs ein­setzt; dies ist re­gelmäßig dann ge­ge­ben, wenn zwi­schen der Ka­pi­tal­ge­sell­schaft und dem Ein­zel­ge­wer­be­be­trieb eine in­ten­sive und nach­hal­tige Ge­schäfts­be­zie­hung be­steht, die sich für den Ein­zel­ge­wer­be­be­trieb als er­heb­lich vor­teil­haft er­weist und die­ser Vor­teil seine Ur­sa­che im Ge­sell­schafts­verhält­nis hat.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläger sind Ehe­leute, die für das Streit­jahr 2010 zur Ein­kom­men­steuer zu­sam­men­ver­an­lagt wer­den. Die Kläger gründe­ten im Jahr 1991 die H-GmbH, de­ren Ge­schäfts­an­teile der Kläger zu 45 % und die Kläge­rin zunächst zu 55 % hiel­ten. Zu späte­rer Zeit über­trug die Kläge­rin eine zehn­pro­zen­tige Be­tei­li­gung auf die ge­mein­same Toch­ter. Der Kläger war auch Ge­schäftsführer der H-GmbH. Die H-GmbH be­treibt an meh­re­ren Stand­or­ten Ein­zel­han­dels-Fachmärkte. Die hierfür ge­nutz­ten Im­mo­bi­lien ver­mie­tet der Kläger an die H-GmbH. Im Jahr 2001 er­rich­tete die H-GmbH einen On­line-Shop, da sie be­ab­sich­tigte, ihre Pro­dukte auch über das In­ter­net zu ver­kau­fen. Eine Um­set­zung die­ses Pro­jekts schei­terte al­ler­dings, da der Ein­kaufs­ver­band, dem die H-GmbH sei­ner­zeit an­gehörte, einen In­ter­net-Pro­dukt­ab­satz nicht ge­stat­tete und ein Ende der Lie­fer­be­zie­hung an­drohte.

In An­be­tracht des­sen gründete der Kläger im Sep­tem­ber 2003 ein Ein­zel­un­ter­neh­men (X e.K.). Un­ter­neh­mens­ge­gen­stand des X e.K. war der Han­del mit und der Ver­sand von Geräten. Der X e.K. führte den von der H-GmbH auf­ge­bau­ten On­line-Shop fort. Das hierfür er­for­der­li­che Per­so­nal über­ließ die H-GmbH an den X e.K. ge­gen Ent­gelt. Von Sep­tem­ber 2003 bis Juli 2004 be­zog der X e.K. seine Wa­ren na­hezu aus­schließlich über die H-GmbH, zunächst zum Selbst­kos­ten­preis, ab An­fang des Jah­res 2004 mit einem Auf­schlag von 5 %. Bis zur Fer­tig­stel­lung ei­ge­ner Be­triebsräume und La­ger­hal­len im Juli 2004 wi­ckelte der X e.K. zu­dem die ge­samte Wa­ren­lo­gis­tik (Be­stel­lung, An­lie­fe­rung, La­ge­rung und Ver­sand) über die Räum­lich­kei­ten der H-GmbH ab. Im Som­mer 2004 trat die H-GmbH dem Ein­kaufs­ver­band Y bei. Der X e.K. wurde als Fi­li­al­be­trieb der H-GmbH in den neuen Ver­band ein­be­zo­gen. Auf diese Weise konnte der X e.K. seine Wa­ren­einkäufe hierüber fortan un­mit­tel­bar selbst ab­wi­ckeln. Die H-GmbH und der X e.K. bil­de­ten für ihre Einkäufe eine Bo­nus­ge­mein­schaft.

Nach den Fest­stel­lun­gen des FG wies der X e.K. zum 31.12.2004 Ver­bind­lich­kei­ten aus Lie­fe­run­gen und Leis­tun­gen ge­genüber der H-GmbH von mehr als 1 Mio. € aus. Der Kläger ord­nete die Be­tei­li­gung an der H-GmbH zunächst sei­nem Pri­vat­vermögen zu. Im Zuge ei­ner für die Jahre 2003 bis 2006 durch­geführ­ten Außenprüfung ver­trat der Prüfer die Auf­fas­sung, die Be­tei­li­gung gehöre zum not­wen­di­gen Be­triebs­vermögen des Ein­zel­un­ter­neh­mens X e.K. Zur Begründung führte er ins­be­son­dere den bis Juli 2004 zu ver­zeich­nen­den na­hezu aus­schließli­chen Wa­ren­be­zug von der H-GmbH, die Vor­be­rei­tung des Ge­schäfts­mo­dells (In­ter­net-Ver­sand­han­del) durch die H-GmbH, die Nut­zung ih­rer Wa­ren­lo­gis­tik und Räum­lich­kei­ten bis Som­mer 2004 so­wie die Kre­dit­be­zie­hun­gen und wech­sel­sei­ti­gen Per­so­nal­ge­stel­lun­gen an. Dem­zu­folge ak­ti­vierte der Prüfer die GmbH-Be­tei­li­gung zum 31.12.2003 mit den ur­sprüng­li­chen An­schaf­fungs­kos­ten von um­ge­rech­net 11.600 €.

Der Kläger führte diese Bi­lan­zie­rung in den der Prüfung nach­fol­gen­den Jah­ren ab 2007 fort. Zum 31.12.2008 kor­ri­gierte er den Bi­lanz­an­satz in­folge ei­ner be­rich­tig­ten DM-Euro-Um­rech­nung auf 11.504,07 €. Mit Ver­trag vom 15.12.2010 über­trug der Kläger seine Be­tei­li­gung an der H-GmbH un­ent­gelt­lich auf die Kläge­rin so­wie die Toch­ter und den Sohn. Er­trag­steu­er­li­che Fol­ge­run­gen zog er hier­aus nicht. Das Fi­nanz­amt ging nach ei­ner wei­te­ren Außenprüfung von ei­ner Ent­nahme der GmbH-Be­tei­li­gung zum 15.12.2010 aus. Hier­bei legte es einen nach Maßgabe des ver­ein­fach­ten Er­trags­wert­ver­fah­rens (§§ 199 ff. BewG) er­mit­tel­ten Un­ter­neh­mens­wert der H-GmbH zum Über­tra­gungs­stich­tag zu­grunde.

Das FG gab der Klage teil­weise statt. Auf die Re­vi­sion der Kläger hob der BFH das Ur­teil auf und ver­wies die Sa­che zur an­der­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das FG zurück.

Die Gründe:
Not­wen­di­ges Be­triebs­vermögen ei­nes Ge­wer­be­be­triebs sind die­je­ni­gen Wirt­schaftsgüter, die dem Be­trieb der­ge­stalt un­mit­tel­bar die­nen, dass sie ob­jek­tiv er­kenn­bar zum un­mit­tel­ba­ren Ein­satz im Be­trieb selbst be­stimmt sind. Die Be­tei­li­gung an ei­ner Ka­pi­tal­ge­sell­schaft stellt dann not­wen­di­ges Be­triebs­vermögen dar, wenn sie ent­we­der dazu be­stimmt ist, die ge­werb­li­che (bran­chen­glei­che) Betäti­gung des Steu­er­pflich­ti­gen ent­schei­dend zu fördern oder wenn sie dazu dient, den Ab­satz von Pro­duk­ten des Steu­er­pflich­ti­gen zu gewähr­leis­ten. Not­wen­di­ges Be­triebs­vermögen kommt da­her nicht nur in Be­tracht, wenn über die Ka­pi­tal­ge­sell­schaft der Pro­dukt­ab­satz des Steu­er­pflich­ti­gen gewähr­leis­tet wer­den soll. Durch das Wort "oder" er­gibt sich not­wen­di­ges Be­triebs­vermögen ebenso, wenn die Be­tei­li­gung dazu be­stimmt ist, die bran­chen­glei­che ge­werb­li­che Betäti­gung des Steu­er­pflich­ti­gen "ent­schei­dend zu fördern".

Be­reits die Ab­gren­zung zum ge­willkürten Be­triebs­vermögen ge­bie­tet es, dass sich die von der Ka­pi­tal­ge­sell­schaft aus­ge­hende Förde­rung des Ein­zel­ge­wer­be­trei­ben­den im Falle not­wen­di­gen Be­triebs­vermögens nicht in ei­ner auch zwi­schen frem­den Drit­ten übli­chen Ge­schäfts­be­zie­hung er­schöpft, son­dern deut­lich in­ten­si­ver ist. Eine "ent­schei­dende Förde­rung" setzt da­her vor­aus, dass der Steu­er­pflich­tige seine Be­tei­li­gung an der Ka­pi­tal­ge­sell­schaft zum Wohle sei­nes Ein­zel­ge­wer­be­be­triebs ein­setzt. Dies ist re­gelmäßig dann ge­ge­ben, wenn zwi­schen der Ka­pi­tal­ge­sell­schaft und dem Ein­zel­ge­wer­be­trei­ben­den eine in­ten­sive und nach­hal­tige Ge­schäfts­be­zie­hung be­steht, die sich für den Ein­zel­ge­wer­be­trei­ben­den als er­heb­lich vor­teil­haft er­weist und die­ser Vor­teil seine Ur­sa­che im Ge­sell­schafts­verhält­nis hat. Im Rah­men ei­ner der­ar­ti­gen Ge­schäfts­be­zie­hung wird die Ka­pi­tal­be­tei­li­gung erst Recht zum Zwecke der Förde­rung des Ein­zel­ge­wer­be­trei­ben­den ein­ge­setzt, wenn die­sem hier­durch frem­dunübli­che Vor­teile ver­schafft wer­den.

Die Zu­ord­nung ei­ner Be­tei­li­gung an ei­ner Ka­pi­tal­ge­sell­schaft zum not­wen­di­gen Be­triebs­vermögen und die hier­bei zu tref­fende Fest­stel­lung, ob der Steu­er­pflich­tige die Be­tei­li­gung in den Dienst sei­nes Ein­zel­ge­wer­be­be­triebs stellt, setzt da­bei we­der eine recht­li­che noch fak­ti­sche Be­herr­schung der Ka­pi­tal­ge­sell­schaft vor­aus. Auch ist die Zu­ord­nung zum not­wen­di­gen Be­triebs­vermögen nicht da­von abhängig zu ma­chen, dass die Ka­pi­tal­ge­sell­schaft kei­nen über die Ge­schäfts­be­zie­hung zum Ein­zel­ge­wer­be­trei­ben­den hin­aus­ge­hen­den er­heb­li­chen Ge­schäfts­be­trieb un­terhält. Da­ge­gen ist bei ei­ner Per­so­nen­ge­sell­schaft, die an ei­ner Ka­pi­tal­ge­sell­schaft be­tei­ligt ist, mit der die Per­so­nen­ge­sell­schaft zu ih­rem Vor­teil eng wirt­schaft­lich ver­floch­ten ist, ein an­de­rer Maßstab für eine Zu­ord­nung zum not­wen­di­gen Son­der­be­triebs­vermögen II an­zu­le­gen. Denn die Stärkung der Mit­un­ter­neh­mer­stel­lung ist u.a. abhängig von den ge­sell­schafts­recht­li­chen Struk­tu­ren der Mit­un­ter­neh­mer­schaft und der Ka­pi­tal­ge­sell­schaft, de­ren An­teil der Mit­un­ter­neh­mer hält.

Vor­lie­gend war je­den­falls in der Gründungs- und An­lauf­phase des Ein­zel­ge­wer­be­be­triebs die Be­tei­li­gung des Klägers an der GmbH un­ter Berück­sich­ti­gung oben ge­nann­ter Rechts­grundsätze dem not­wen­di­gen Be­triebs­vermögen zu­zu­ord­nen. Gehörte die Be­tei­li­gung des Klägers an der GmbH dem­nach in der Gründungs- und An­lauf­phase des Be­triebs zum Be­triebs­vermögen, blieb sie es bis zum Zeit­punkt der schen­kungs­be­ding­ten Ent­nahme. Die Ent­nahme der Be­tei­li­gung aus dem Be­triebs­vermögen war nach § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halb­satz 1 EStG mit dem Teil­wert zu be­wer­ten. Die von den Klägern im Wege te­leo­lo­gi­scher Re­duk­tion er­wo­gene Nicht­an­wend­bar­keit der Vor­schrift in den Fällen, in de­nen die Be­tei­li­gung nach der Überführung ins Pri­vat­vermögen nach § 17 EStG steu­er­ver­haf­tet bleibt, war schon we­gen sich er­ge­ben­der er­trag­steu­er­li­cher Sys­temin­kon­se­quen­zen zu ver­wer­fen.

Über die Höhe des Teil­werts der ent­nom­me­nen Be­tei­li­gung an der GmbH und dem­zu­folge auch über die Höhe des im Streit­jahr bei den Einkünf­ten aus Ge­wer­be­be­trieb bzw. dem Ge­wer­be­er­trag des Klägers zu berück­sich­ti­gen­den Ent­nah­me­ge­winns konnte hier nicht ent­schie­den wer­den, da der vom FG zu­grunde ge­legte Un­ter­neh­mens­wert der GmbH auf den 31.12.2010 nicht durch hin­rei­chende tatsäch­li­che Fest­stel­lun­gen ge­deckt war. In­so­weit war der Streit­fall zur wei­te­ren Sach­aufklärung und er­neu­ten Ent­schei­dung an das FG zurück­zu­ver­wei­sen.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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