Die Einführung der verpflichtenden E-Rechnung ist Teil des Maßnahmenpaketes der EU-Kommission im Rahmen der Initiative „VAT in the Digital AGE“ (kurz: ViDA). Das Mehrwertsteuersystem soll dabei einerseits vereinfacht und andererseits durch die zunehmende Digitalisierung widerstandsfähiger gegen Betrug gemacht werden.
Während EU-weit noch keine Einigung zu ViDA erzielt werden konnte, hat Deutschland auf Basis einer Sonderermächtigung der EU-Kommission mit dem Wachstumschancengesetz (BGBl. I 2024 Nr. 108) bereits die Regelungen zur Ausstellung von Rechnungen nach § 14 Umsatzsteuergesetz (UStG) für nach dem 31.12.2024 ausgeführte Umsätze neu gefasst. Als Kernpunkt der Neuregelung wird die obligatorische Verwendung einer elektronischen Rechnung bei Umsätzen zwischen inländischen Unternehmern (inländische B2B-Umsätze) eingeführt.
Mit Datum vom 15.10.2024 hat das BMF nun ein Schreiben zur Einführung der obligatorischen elektronischen Rechnung bei Umsätzen zwischen inländischen Unternehmern ab dem 01.01.2025 veröffentlicht.
Leider wurden darin die zahlreichen Vorschläge der Verbandseingaben (u. a. von der Bundessteuerberaterkammer, dem Institut für die Digitalisierung im Steuerrecht e.V. und dem Institut der Wirtschaftsprüfer), denen Gelegenheit zu Stellungnahme zu dem am 13.06.2024 vorgelegten Entwurf des BMF-Schreibens gegeben wurde, nicht bzw. kaum berücksichtigt.
Was ändert sich am 01.01.2025? Eckpunkte der gesetzlichen Neuregelung
Betroffene Unternehmer
Für Leistungen, die nach dem 01.01.2025 zwischen zwei im Inland ansässigen Unternehmen ausgeführt werden, sind zukünftig elektronische Rechnungen zu erteilen. Hiervon ausgenommen sind Rechnungen über bestimmte steuerfreie Leistungen und Kleinbetragsrechnungen.
Definition der E-Rechnung
Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird und eine elektronische Verarbeitung ermöglicht. Alle anderen Formate (bspw. Papier- oder PDF-Rechnungen) stellen zukünftig demgegenüber sonstige Rechnungen dar.
Betroffene Leistungen/Rechnungen (zwischen im Inland ansässigen Unternehmer)
Grundsätzlich fallen nur Rechnungen über im Inland steuerbare Umsätze zwischen im Inland ansässigen Unternehmern unter die gesetzliche Neuregelung. Erfasst werden damit bspw.
- Rechnungen und Gutschriften mit offenem Umsatzsteuerausweis
- Rechnungen über inländische § 13b UStG Umsätze (z. B. Bauleistungen, Stromlieferungen)
- Steuerfreie Umsätze, wie bspw. Ausfuhren und innergemeinschaftliche Lieferungen
- Rechnungen von und an Kleinunternehmer.
Ausnahmen
Von der generellen-E-Rechnungspflicht ausgenommen sind:
- Rechnungen über nach § 4 Nr. 8 bis 29 UStG steuerbefreite Leistungen, bspw. die steuerfreie Kreditgewährung und die steuerfreie Vermietungsleistung
- Kleinbetragsrechnungen (§ 33 UStDV) und Fahrausweise (§ 34 UStDV)
- Leistungen an juristische Personen, die nicht unternehmerisch tätig sind.
Kein Zustimmungserfordernis
E-Rechnungen zwischen im Inland ansässigen Unternehmern bedürfen nicht der Zustimmung des Leistungsempfängers. Dies gilt auch für die Zeiträume, in denen die Übergangsfristen nach § 27 Abs. 38 UStG n. F. gelten. Dies bedeutet für Unternehmer, dass sie ab 01.01.2025 E-Rechnungen empfangen können müssen.
Keine Verpflichtung zur automatisierten Verarbeitung
Zu beachten ist, dass durch die Einführung der verpflichtenden E-Rechnung lediglich das Format der E-Rechnung geändert wurde. Es wurde weder eine Verpflichtung zur automatisierten Verarbeitung der E-Rechnungen noch zur automatisierten Meldung gesetzlich normiert.
Übergangsregelung
Für bis zum 31.12.2026 erbrachte Leistungen gilt ein Wahlrecht, nach dem weiterhin Papier-Rechnungen oder mit Zustimmung des Empfängers Rechnungen in einem anderen elektronischen Format ausgestellt werden können.
Beträgt der Gesamtumsatz (§ 19 Abs. 3 UStG) im Jahr 2026 weniger als 800.000 Euro, verlängert sich diese Frist bis zum 31.12.2027. Zudem gibt es eine Übergangsregelung für EDI-Rechnungen.
Das BMF hat nunmehr - wie bereits erwähnt - mit Schreiben vom 15.10.2024 umfangreich Stellung zur Einführung der E-Rechnung genommen. Wir haben Ihnen in der Anlage eine Übersicht der Anpassungsthemen, partiell mit einer Beschreibung der Eckpunkte und eigenen Hinweisen beigefügt.
Eigene Einschätzung
Zu begrüßen ist vor diesem Hintergrund, dass den Rechtsanwendern mit dem vorliegenden BMF-Anwendungsschreiben bereits jetzt, also vor dem Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung, zahlreiche Hilfestellungen an die Hand gegeben werden.
Allerdings unterscheidet das vorliegende Schreiben insbesondere bei den Anforderungen an die E-Rechnung mit auswertbaren Rechnungsmerkmalen noch nicht hinreichend die Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, bspw. auch zur Entscheidung „Barlis 06“) und des Bundesfinanzhofs (BFH) im Hinblick auf die notwendige Unterscheidung von formellen und materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug.
Zu begrüßen ist, dass die Finanzverwaltung diese Unterscheidung zwar in Rn. 58 angelegt hat, im Übrigen werden jedoch unseres Erachtens zu strenge Maßstäbe an die Formatvorgaben für die E-Rechnung gestellt. Insbesondere die Ausführungen in Rn. 35 des vorliegenden Schreibens, wonach ergänzende Angaben in einem in die E-Rechnung integrierten Anhang aufgenommen werden können bzw. müssen, sind für die Praxis nicht akzeptabel und gehen über die rechtlichen Anforderungen für den Vorsteuerabzug hinaus. Ergänzende Angaben und/oder Dokumente müssen auch in anderen Formaten beim Steuerpflichtigen vorgehalten werden können, ohne dass das Vorliegen einer ordnungsgemäßen E-Rechnung und der Vorsteuerabzug hieraus in Frage gestellt wird.
Die Einführung der verpflichtenden E-Rechnung kann nicht dazu führen, dass im Hinblick auf Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs wieder eine Rolle rückwärts gemacht wird. Bspw. können Leistungen betroffen sein, über die nur wenige Personen im Unternehmen zunächst Kenntnis haben dürfen und haben (bspw. Sanierungsmaßnahmen, Standortschließungen, Produktionsverlagerungen etc.). Ergänzende Unterlagen/Verträge etc. liegen in diesen Fällen üblicherweise bei der Geschäftsführung und ggf. einem kleinen erweiterten Kreis vor. Bei der Rechnungsstellung wird dies häufig über die Angabe von Projektnamen und/oder unter Bezugnahme auf den konkreten Beratungsauftrag/-vertrag gelöst, der im Bedarfsfall der Finanzverwaltung vorgelegt werden kann. Auch für diese Fälle muss ein in der Praxis handhabbarer Weg implementiert werden, der den Steuerpflichtigen eine rechtsichere Anwendung ermöglicht, ohne dabei auf Kulanzlösungen der Finanzverwaltung angewiesen sein zu müssen.
Darüber hinaus fehlt bisher eine Positionierung und Klarstellung zu § 14c UStG-Fragestellungen. In zahlreichen Eingaben wurde u. a. darauf hingewiesen, dass nach Einführung der verpflichtenden E-Rechnung Verträge allein nicht mehr die Rechtsfolge des § 14c UStG auslösen können, da diese im unternehmerischen Bereich nicht als E-Rechnung ausgestaltet werden können und damit diesen Dokumenten fortan per se die Eignung für eine die Steuerschuld nach § 14c UStG auslösende Rechnung fehlt.
Im nichtunternehmerischen Bereich können Verträge aufgrund der unionsrechtskonformen einschränkenden Auslegung auch keine Steuerschuld nach § 14c UStG für den Rechnungsaussteller auslösen (siehe A 14c.1 Abs. 1a UStAE).
Darüber hinaus scheinen die im Schreiben aufgezeigten Anforderungen für Rechnungsberichtigungen unverhältnismäßig. So erscheinen fortan Korrekturen aufgrund der E-Rechnungsformerfordernisse nur noch über Storno und Neuausstellung möglich zu sein. Gerade bei systemischen Fehlern, die zu einem Korrekturerfordernis einer Vielzahl von Einzelrechnungen führen, muss für Unternehmen auch nach Einführung der E-Rechnung die Möglichkeit von Sammelkorrekturen offenstehen.
Bedauerlich ist somit, dass trotz der zahlreichen Eingaben der Verbände, diese guten und praktikablen Vorschläge offensichtlich nicht bzw. kaum im finalen BMF-Schreiben berücksichtigt wurden.
Insofern bleibt zu hoffen, dass dies allein dadurch begründet ist, dass dem BMF an einer zeitnahen Veröffentlichung des finalen Schreibens vor Geltung der gesetzlichen Neuregelung ab 01.01.2025 gelegen war und aus Sicht der Praxis notwendige Anpassungen in einem ergänzenden Schreiben aufgenommen werden.
Sollte die Finanzverwaltung an den im vorgelegten Einführungsschreiben strengen Maßstäben für die E-Rechnung festhalten zu wollen, ist zu befürchten, dass Unternehmen hierauf mit Zurückhaltung bei der Einführung von E-Rechnungen reagieren werden.
Eine zeitnahe Anpassung und Positionierung im Hinblick auf die Aufnahme praktikabler Lösungsansätze für
- E-Rechnungen ergänzende Anlagen,
- Durchführung von Sammelkorrekturen,
- 14c UStG-Fragestellungen sowie
- einer rechtsicheren Anwendung der EuGH-Rechtsprechung für Zwecke des Vorsteuerabzuges
ist aus Gründen der Praktikabilität und aus Gründen der Rechtssicherheit geboten.
Bei Fragen zur E-Rechnung stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.