Anlass der geplanten Neuregelung sind aktuelle Entwicklungen in der außerklinischen Intensivpflege, die steigende Nachfrage an Rehabilitationsmaßnahmen sowie ein dringender Anpassungsbedarf der geltenden leistungsrechtlichen Regelungen.
Deutliche Kritik am Erstentwurf
Der bereits im August 2019 als Reha- und Intensivpflege-Stärkungsgesetz (RISG) vorgelegte Erstentwurf sah die Loslösung der außerklinischen Intensivpflege aus der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V und die Einführung eines eigenständigen Rechtsanspruchs auf außerklinische Intensivpflege in einem neu geschaffenen § 37c SGB V vor. Im Rahmen dieser Neuregelung plante das BMG jedoch, die außerklinische Intensivpflege grundsätzlich in vollstationäre Pflegeeinrichtungen zu überführen. Nur noch im Ausnahmefall sollte die außerklinische Intensivpflege auch im Haushalt des Versicherten oder sonst an einem geeigneten Ort erbracht werden können. Für diejenigen Patienten, die bereits vor der geplanten Gesetzesänderung in ihrem Haushalt, in ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort gepflegt wurden, sah der Erstentwurf allerdings einen Bestandsschutz vor. Diese Neuausrichtung „weg von der ambulanten hin zur stationären Intensivpflege“ lehnten insb. Patientenverbänden ab, da sie darin eine Verletzung der Grundrechte des Patienten, konkret seiner Selbstbestimmung, sahen.
Verbesserungen im Zweit- und Drittentwurf bei außerklinischer Intensivpflege
Infolge dieser Kritik ruderte das BMG in seinen Gesetzentwürfen vom 9.12.2019 und 12.2.2020 (nunmehr GKV-IPREG) hinsichtlich seiner Pläne zum grundsätzlichen Vorrang der vollstationären Intensivpflege zurück. Im aktuellen Entwurf des § 37c Abs. 2 SGB V ist nunmehr vorgesehen, dass ein Leistungsanspruch auf häusliche Intensivpflege weiterhin erhalten bleibt. Dieser kann nur versagt werden, wenn das erforderliche Einverständnis zum Betreten der Wohnung oder der Beatmungs-Wohngemeinschaft nicht erteilt wird, und dadurch die Feststellung, ob die intensivpflegerische Versorgung weiterhin notwendig ist und an diesem Ort gewährleistet wird, nicht möglich ist. Diese Überprüfung soll in der Regel mindestens jährlich der durch die Krankenkasse beauftragte medizinischen Dienst durchführen. Allgemein kann ein Patient die außerklinische Intensivpflege nur dann in Anspruch nehmen, wenn ein besonders qualifizierter (Vertrags-)Arzt jene verordnet hat.
Des Weiteren sollen im Sinne der Qualitätssteigerung nur qualitätsgeprüfte Pflegedienste, die ein internes Qualitätsmanagement nachgewiesen haben, außerklinische Intensivpflege anbieten dürfen. Näheres zur Ausgestaltung des neuen Leistungsanspruches nach § 37c Abs. 2 SGB V soll in einer noch zu erlassenden Richtline des Gemeinsamen Bundesausschusses bestimmt werden.
Eine weitere positive Änderung für den Patienten stellt die geplante Reduzierung der Eigenanteile in der stationären Intensivpflege dar. Damit beabsichtigt der Gesetzgeber jedoch nicht nur eine finanzielle Entlastung der Versicherten, sondern will auch die Unterschiede in der Vergütung zwischen stationärer und ambulanter Pflege ebnen, um Fehlanreize in der Leistungserbringung zu beseitigen.
Vorgesehene Änderungen für Krankenhausträger
Auch wenn es in der Begründung zum jetzigen Gesetzentwurf nicht ausdrücklich erwähnt ist, wird doch deutlich, dass der Gesetzgeber mit den Neuregelungen nicht nur eine Verbesserung für Patienten, die auf Intensivpflege angewiesen ist, anstrebt. Zusätzlich soll durch weitere strukturelle und finanzielle Anreize die außerklinische häusliche Intensivpflege eingedämmt werden. Dies soll z. B. durch die Einführung eines krankenhausindividuellen Zusatzentgelts für eine längerfristige stationäre Beatmungsentwöhnung geschehen. Sollte bei der Entlassung eines Patienten zudem eine besondere ärztliche Anschlussbehandlung notwendig sein, können Krankenhäuser diese erforderliche Weiterbehandlung auch in einem anderen Krankenhaus stationär verordnen.
Krankenhausträger profitieren jedoch nicht nur von den geplanten Änderungen. Vielmehr müssen sie in Zukunft den Beatmungsstatus jedes Beatmungspatienten durch einen qualifizierten Facharzt feststellen und die Beatmungsentwöhnung dort in die Wege leiten, wo Entwöhnungspotenzial besteht. Das Entwöhnungspotenzial muss nicht zwingend durch einen Arzt des Krankenhauses erhoben werden, sondern kann bei fehlendem Sachverstand auch durch die Beauftragung externer Ärzte erfolgen. Unterlassen die Krankenausträger diese Feststellung, riskieren sie Abschläge.
Änderungen in der medizinischen Rehabilitation
Wie bereits der Titel des Gesetzentwurfs verrät, sind geplante Neuerungen ebenfalls im Bereich der medizinischen Rehabilitation vorgesehen.
Der Gesetzgeber sieht hier präventive Maßnahmen im Sinne des Grundsatzes „Rehabilitation vor Pflege“ vor und möchte daher den Zugang zu Leistungen der medizinischen und geriatrischen Rehabilitation vereinfachen. So soll u. a. die medizinische Erforderlichkeit einer vertragsärztlich verordneten geriatrischen Rehabilitation nicht mehr durch die Krankenkasse überprüft werden. Ferner müssen Versicherte nur noch die Hälfte der entstehende Mehrkosten tragen, sollten sie eine Rehabilitationseinrichtung wählen, die ursprünglich von der Krankenkasse nicht vorgesehen war.
Weiterhin werden bundesweit verbindliche Vorgaben für Versorgungs- und Vergütungsverträge ausgearbeitet, wodurch die Vergütungssituation der Rehabilitationseinrichtungen verbessert werden soll. Insb. ist vorgesehen, dass der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nach § 71 SGB V für die Vergütungsvereinbarungen der Krankenkassen mit den ambulanten Rehabilitationseinrichtungen nicht mehr gelten soll, damit Rehabilitationseinrichtungen erforderliche Mehraufwendungen entsprechend vergütet erhalten.
Ausblick
Dass der nun vorgelegte, deutlich entschärfte Entwurf des GKV-IPREG erneut essentiell geändert wird, ist eher unwahrscheinlich. Vielmehr kann damit gerechnet werden, dass dieser Gesetzentwurf nach dem erforderlichen Beschluss im Bundestag im Sommer 2020 in Kraft treten wird, insb. weil er nicht der Zustimmung des Bundesrats bedarf.