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Die Bezeichnung als "durchgeknallte Frau" kann ehrverletzend sein

BVerfG 11.12.2013, 1 BvR 194/13

Die Be­zeich­nung als "durch­ge­knallte Frau" kann, abhängig vom Kon­text, eine ehr­ver­let­zende Äußerung sein, die nicht mehr vom Grund­recht auf Mei­nungs­frei­heit ge­deckt ist. Das BVerfG gab der Ver­fas­sungs­be­schwerde ei­ner ehe­ma­li­gen Landrätin und Land­tags­ab­ge­ord­ne­ten teil­weise statt, die sich ge­gen ein­zelne Äußerun­gen in einem Bei­trag ei­nes On­line-Me­di­ums ge­wandt hatte.

Der Sach­ver­halt:
Die Be­schwer­deführe­rin ist ehe­ma­lige Landrätin und war bis Sep­tem­ber 2013 Mit­glied des Baye­ri­schen Land­ta­ges. Ende 2006 hatte sie für ein Ge­sell­schafts­ma­ga­zin po­siert, das die Fo­to­stre­cke in ei­ner ih­rer Aus­ga­ben veröff­ent­lichte. Dies nahm die Be­klagte des Aus­gangs­ver­fah­rens zum An­lass, auf ih­rer In­ter­net­seite einen Text zu veröff­ent­li­chen, der u.a. die fol­gende Pas­sage enthält:

"Ich sage es Ih­nen: Sie sind die frus­trier­teste Frau, die ich kenne. Ihre Hor­mone sind dermaßen durch­ein­an­der, dass Sie nicht mehr wis­sen, was wer was ist. Liebe, Sehn­sucht, Or­gas­mus, Fe­mi­nis­mus, Ver­nunft.

Sie sind eine durch­ge­knallte Frau, aber schie­ben Sie Ih­ren Zu­stand nicht auf uns Männer."

Die Be­schwer­deführe­rin sah sich in ih­rem all­ge­mei­nen Persönlich­keits­recht ver­letzt und be­gehrte von der Be­klag­ten die Un­ter­las­sung ver­schie­de­ner Ein­zeläußerun­gen, u.a. der Be­zeich­nung als "durch­ge­knallte Frau", so­wie eine Geldent­schädi­gung i.H.v. min­des­tens 5.000 €. Das LG ver­ur­teilte die Be­klagte zur be­gehr­ten Un­ter­las­sung, wies die Klage bezüglich der Geldent­schädi­gung aber ab. Das OLG wies die Be­ru­fung der Be­schwer­deführe­rin zurück und auf die Be­ru­fung der Be­klag­ten die Klage ins­ge­samt ab. Es ord­nete die drei streit­ge­genständ­li­chen Äußerun­gen als Wert­ur­teil ein und ließ in der Abwägung die Mei­nungs­frei­heit der Be­klag­ten über­wie­gen.

Die Ver­fas­sungs­be­schwerde ge­gen das klag­ab­wei­sende Ur­teil des OLG war teil­weise er­folg­reich. Das BVerfG hob die Ent­schei­dung in­so­weit auf und wies die Sa­che an das OLG zurück.

Die Gründe:
Die an­ge­grif­fene Ent­schei­dung ver­letzte die Be­schwer­deführe­rin in ih­rem all­ge­mei­nen Persönlich­keits­recht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, so­weit sie die Äußerung un­be­an­stan­det ge­las­sen hatte, die Be­schwer­deführe­rin sei eine "durch­ge­knallte Frau".

Das all­ge­meine Persönlich­keits­recht fin­det seine Schran­ken gem. Art. 2 Abs. 1 GG zwar in der ver­fas­sungsmäßigen Ord­nung ein­schließlich der Rechte wie etwa die Mei­nungs­frei­heit gem. Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG. In­so­fern müssen die Ge­richte die be­trof­fe­nen un­ter­schied­li­chen In­ter­es­sen und das Ausmaß ih­rer Be­einträch­ti­gung er­fas­sen. Die sich ge­genüber­ste­hen­den Po­si­tio­nen sind in An­se­hung der kon­kre­ten Umstände des Ein­zel­falls in ein Verhält­nis zu brin­gen, das die ih­nen je­weils an­ge­mes­sen Rech­nung trägt. Al­ler­dings hatte das OLG im vor­lie­gen­den Fall dem all­ge­mei­nen Persönlich­keits­recht der Be­schwer­deführe­rin ein zu schwa­ches Ge­wicht bei­ge­mes­sen. So über­sah es die persönli­che Ehre als in Art. 5 Abs. 2 GG ausdrück­lich ge­nannte Schranke.

Da die Be­schwer­deführe­rin von der Be­klag­ten die Un­ter­las­sung der Äußerung be­gehrte, sie sei eine "durch­ge­knallte Frau", ging es ihr ge­gen die Äußerung als Zu­sam­men­fas­sung des vor­an­ge­gan­ge­nen Ab­sat­zes. Hierin ver­schob die Be­klagte die öff­ent­li­che Aus­ein­an­der­set­zung um die Per­son der Be­schwer­deführe­rin hin zu rein spe­ku­la­ti­ven Be­haup­tun­gen über den Kern ih­rer Persönlich­keit als Pri­vat­per­son. Sie stützte diese Spe­ku­la­tio­nen auf Be­ur­tei­lun­gen, die the­ma­ti­sch den in­ners­ten In­tim­be­reich be­tra­fen, ohne dass sie ir­gend­ei­nen Tat­sa­chen­kern hätten.

Zwar mus­ste sich die Be­schwer­deführe­rin we­gen der Fo­to­stre­cke in dem Ma­ga­zin eine Aus­ein­an­der­set­zung da­mit ge­fal­len las­sen. Der Be­klag­ten blieb es aber un­be­nom­men, sich - so­wohl zu­ge­spitzt als auch po­le­mi­sch - zu dem Ver­hal­ten der Be­schwer­deführe­rin zu äußern. Die Fol­ge­run­gen der Be­klag­ten, die sie mit den Worten "durch­ge­knallte Frau" zu­sam­men­ge­fasst hatte, hat­ten je­doch als sol­che kei­ner­lei Anknüpfungs­punkt in dem Ver­hal­ten der Be­schwer­deführe­rin. Die Be­klagte zielte viel­mehr be­wusst dar­auf, die Be­schwer­deführe­rin nicht nur als öff­ent­li­che Per­son und we­gen ih­res Ver­hal­tens zu dis­kre­di­tie­ren, son­dern ihr pro­vo­ka­tiv und ab­sicht­lich ver­let­zend je­den Ach­tungs­an­spruch ge­rade schon als pri­vate Per­son ab­zu­spre­chen.

An­ge­sichts des­sen konnte sich die Mei­nungs­frei­heit nicht durch­set­zen. Da­bei war auch zu berück­sich­ti­gen, dass es sich vor­lie­gend um einen be­wusst ge­schrie­be­nen und als Ver­let­zung ge­woll­ten Text han­delte, der nicht Aus­druck ei­ner spon­ta­nen Äußerung im Zu­sam­men­hang ei­ner emo­tio­na­len Aus­ein­an­der­set­zung war.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BVerfG veröff­ent­licht.
  • Um di­rekt zu dem Voll­text zu kom­men, kli­cken Sie bitte hier.
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