Die Ausbreitung des Coronavirus macht sich in allen Teilen der Wirtschaft bemerkbar. Besonders Krankenhäuser und stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen trifft diese Krise hart, da diese in der Regel als gemeinnützige Einrichtungen keine hohen Rücklagen bilden konnten. So müssen stationäre Einrichtungen nicht nur Besuchssperren verhängen, um ihre Bewohner vor einer Ansteckung zu schützen, sondern auch Tagespflegeeinrichtungen schließen und die daraus entstehenden Umsatzeinbußen schultern. Ebenso entstehen aufgrund der vermehrten Nutzung von Schutzkleidung Mehrausgaben für Pflegeeinrichtungen, die sie bisher nicht vergütet erhalten. Geschäftsführer treibt zudem die Sorge um, ob sie weiterhin die vereinbarten Pflegesatz- und Vergütungsvereinbarungen abrechnen können, wenn aufgrund der Erkrankung von Pflegefachkräften die vorgesehene Personalausstattung unterschritten wird.
Um bei den gravierendsten Nöten der stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen schnell Abhilfe zu schaffen, wurden nun finanzielle und organisatorische Maßnahmen im COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz (COVID-19-KHEntlG) und durch Änderungen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) beschlossen.
Vorgesehene finanzielle Maßnahmen für Pflegeeinrichtungen
Für stationäre und ambulante Pflegeeinrichtungen sind dabei folgende finanzielle Maßnahmen vorgesehen:
Mit der neuen Kostenerstattungsregelung in § 150 SGB XI können Pflegeeinrichtungen die durch die Epidemie bedingten finanziellen Mehrausgaben (z. B. Kosten für zusätzliche Schutzausrichtung) oder Mindereinnahmen (insbesondere bei Ausbleiben von Gästen in der Tagespflege) über die Pflegeversicherung erstattet bekommen, falls diese nicht anderweitig finanziert werden können. Für das Erstattungsverfahren ist vorgesehen, dass die Pflegeeinrichtung in der Regel zum Monatsende ihren Anspruch bei einer Pflegekasse, die Partei des Versorgungsvertrags ist, geltend macht. Davon unabhängig können Pflegeeinrichtungen mehrere Monate in ihrem Antrag zusammenfassen. Die Auszahlung des Erstattungsbetrages an die Einrichtung erfolgt dann durch eine Pflegekasse innerhalb von 14 Kalendertagen, damit eine Vorfinanzierung der Pflegeeinrichtung zeitlich auf maximal sechs Wochen begrenzt wird. Die Auszahlung kann auch vorläufig erfolgen. Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen soll mit den jeweiligen Bundesverbänden unverzügliche Regelungen für das Erstattungsverfahren in den einzelnen Bundesländern einschließlich der Fragen zu erforderlichen Nachweisen möglichst für alle Bundesländer übergreifend und praktikabel regeln.
Neuverhandlungen vor Ablauf der Laufzeit der geltenden Pflegesatz- bzw. Vergütungsvereinbarung wegen der Corona-Krise bedingten Veränderungen sind ausgeschlossen.
Bei Unterschreitungen der in den Pflegeeinrichtungen vereinbarten Personalausstattung findet kein Vergütungskürzungsverfahren statt.
Ausgesetzte Verwaltungsverfahren für Einrichtungen und Pflegebedürftige
Neben den finanziellen Hilfen sind für Pflegeeinrichtungen des Weiteren bestimmte Verwaltungsverfahren vorübergehend ausgesetzt worden, um Pflegekräften die Gelegenheit zu geben, sich ihren originären Pflegeaufgaben zu widmen.
So sind bei zugelassenen Pflegeeinrichtungen u.a. Qualitätsprüfungen nach § 114 SGB XI (Regelprüfungen) bis zum 30.9.2020 ausgesetzt. Auch die Einführungsphase zur Erhebung der indikatorenbasierten Qualitätsdaten gemäß § 114b SGB XI wurde bis zum 31.12.2020 verlängert.
Auswirkungen haben die Gesetzesänderungen auch auf (potentielle) Pflegebedürftige. So werden u.a. Pflegegutachten zurzeit nur noch aufgrund der zur Verfügung stehenden Unterlagen (Aktenlage) in Kombination mit Angaben und Auskünften, die beim Versicherten, seinen Angehörigen und sonstigen zur Auskunft fähigen Personen einzuholen sind, erstellt. Wiederholungsbegutachtungen sind bis zum 30.9.2020 ausgesetzt wie auch die 25-Arbeitstagefrist (Bearbeitungsfrist) der Pflegekassen, die nur noch in Dringlichkeitsfällen zu beachten ist.
Einreisen ausländischer Gesundheits- oder Pflegekräfte
Angewiesen sind die meisten Pflegeeinrichtungen ebenfalls auf ausländische Gesundheits- oder Pflegekräfte. Hier besteht natürlich die Sorge, dass diese aufgrund der zurzeit geltenden Einreisebeschränkungen nicht nach Deutschland einreisen können und es damit zu Versorgungsengpässen kommt. Laut Auskunft des Bundesinnenministeriums (BMI) vom 24.3.2020 galten die Reisebeschränkungen an den deutschen Grenzen nicht für Gesundheits- oder Pflegekräfte. Am 25.3.2020 hat das BMI jedoch entschieden, dass die Einreisebeschränkungen verschärft werden. Die Ausnahmeregelung für Gesundheits- und Pflegeberufe wurde nunmehr gestrichen.
Kurzzeitpflege bei Einrichtungen zur medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation
Bis einschließlich 30.9.2020 besteht ferner ein Anspruch auf Kurzzeitpflege in Einrichtungen, die stationäre Leistungen zur medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation erbringen, ohne dass gleichzeitig eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation für eine Pflegeperson erbracht werden muss. Die Vergütung der Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung für diese Leistungen richtet sich nach dem durchschnittlichen Vergütungssatz gemäß § 111 Abs. 5 des SGB V.
Hinweis
Insbesondere bei der Berechnung der derzeitigen Mehrausgaben und Mindereinnahmen sollten Pflegeeinrichtungen einen guten Überblick über ihre Finanzen haben - z. B. durch die Einrichtung spezifischer Kostenstellen und die Vorgabe von Kontierungsanweisungen, um umfänglich von der Kostenerstattungsregelung nach § 150 SGB XI profitieren zu können.