Die Anordnungen im Frühjahr 2020, alle Geschäfte, Restaurants, Bars etc. - mit Ausnahme der Supermärkte und Apotheken - zu schließen, haben zu großen wirtschaftlichen Einbußen geführt. Manche Branchen sehen sich immer noch mit Beschränkungen konfrontiert. Viele Unternehmen stellen sich deshalb die Frage, ob sie die wirtschaftlichen Einbußen, die sie wegen der staatlichen Schließungsanordnungen erlitten haben, von der öffentlichen Hand erstattet bekommen. Um es vorneweg zu sagen: Die Entschädigungsmöglichkeiten sind leider sehr begrenzt.
Entschädigungszahlungen bei Ausfall von Arbeitnehmern wegen angeordneter Quarantäne
Ein Entschädigungsanspruch eines Unternehmens gegen den Staat ist im Infektionsschutzgesetz (IfSG) eindeutig für den Fall vorgesehen, in dem das Gesundheitsamt gegen einen Arbeitnehmer eines Unternehmens, der zwar nicht an COVID-19 erkrankt ist, aber als Ansteckungsverdächtiger gilt, eine Quarantäneanordnung (§ 30 IfSG) oder ein berufliches Tätigkeitsverbot (§ 31 S. 2 IfSG) verhängt. In diesem Fall ist der Arbeitgeber gemäß § 56 Abs. 5 S. 1 IfSG zwar verpflichtet, seinem Arbeitnehmer das Gehalt bis zu sechs Wochen weiterzuzahlen, er kann sich dieses jedoch gemäß § 56 Abs. 5 S. 2 IfSG von der Behörde erstatten lassen. Hierfür muss der Arbeitgeber einen Antrag spätestens innerhalb von drei Monaten nach Einstellung des Berufsverbots oder der Quarantäne stellen. In solchen Fällen ist zu empfehlen, die Gehaltszahlung ausdrücklich als „Entschädigung gem. IfSG“ auszuweisen.
Darüber hinaus erhalten nach dem IfSG nur „Selbstständige“, also der Einzelkaufmann/Freiberufler, deren Betrieb oder Praxis wegen einer konkreten Quarantänemaßordnung gegen sie ruht, neben der Entschädigung von der Behörde Ersatz der in dieser Zeit weiterlaufende nicht gedeckten Betriebsausgaben in angemessenen Umfang, § 56 Abs. 4 S. 2 IfSG.
Verdienstausfallentschädigung wegen notwendiger Kinderbetreuung
Nach dem Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite ist zudem in einem neu eingefügten § 56 Abs. 1a IfSG geregelt, dass Eltern, die aufgrund von Schul- und KiTA-Schließungen außerhalb der Schulferien einen Verdienstausfall erleiden, weil sie keine andere anderweitige zumutbare Betreuungsmöglichkeit für ihre Kinder sicherstellen können, einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Staat erhalten. Diesen Erstattungsanspruch können Eltern jedoch nur geltend machen, wenn ihre Kinder das zwölfte Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Dieser Anspruch ist auf 67 % des dem erwerbstätigen Elternteils entstandenen Verdienstausfalls, jedoch höchstens 2.016 Euro monatlich, begrenzt. Der Erstattungsbetrag wird gemäß einer mit dem sog. Corona-Steuerhilfegesetz vorgenommenen Modifizierung für einen Zeitraum von zehn Wochen ausgezahlt. Bei Alleinerziehenden verlängert sich der Zeitraum auf 20 Wochen. Diese Regelung ist am 30.3.2020 in Kraft getreten und gilt bis 31.12.2020.
Entschädigung bei behördlich verordneter Vernichtung von Gegenständen
Des Weiteren ist bestimmt, dass grundsätzlich vom Staat eine Entschädigung zu zahlen ist, soweit auf Grund einer verhütenden Seuchenbekämpfungsmaßnahme „Gegenstände vernichtet, beschädigt oder in sonstiger Weise in ihrem Wert gemindert werden oder ein anderer nicht nur unwesentlicher Vermögensnachteil verursacht wird“. Diese Regelung zielt allerdings auf Fälle ab, in denen Gegenstände etc., die nicht mit Krankheitserregern kontaminiert waren, zur Verhütung übertragbarer Krankheiten vernichtet werden. Sind die vernichteten Gegenstände tatsächlich mit Krankheitserregern kontaminiert gewesen oder bestand hierfür ein begründeter Verdacht, ist eine Entschädigung ausgeschlossen (§ 65 Abs. 1 S. 1 IfSG).
Entschädigungsmöglichkeiten wegen sonstiger wirtschaftlicher Einbußen
Auch wenn der weite Wortlaut des § 65 IfSG in Verbindung mit den Entschädigungsregelungen nach den Ordnungsbehördengesetzen der Länder (in NRW z. B. §§ 39, 40 OBG) einen umfassenden Entschädigungsanspruch für betroffene stillgelegte Betriebe begründen könnte, wird ein solcher Anspruch von der Mehrheitsmeinung abgelehnt. Dies liegt zum einen daran, weil die spezielleren Entschädigungsregelungen im IfSG die allgemeineren Regelungen der OBG verdrängen. Zum anderen ergibt sich aus der Gesetzesbegründung, dass der Gesetzgeber mit dem Entschädigungsanspruch nach § 65 IfSG nur die Zerstörung von Gegenständen, also das Eigentum eines sogenannten Nichtstörers, schützen wollte.
Entsprechende Entschädigungsanträge bei den Behörden oder gar Schadensersatzklagen gegen den Staat dürften daher eher erfolglos sein.
In wirtschaftliche Not geratene Unternehmen sollten daher die von der Bundesregierung zur Verfügung gestellten finanziellen Hilfen in Anspruch nehmen.
Landgericht Heilbronn weist Anspruch auf Entschädigung bei Betriebsschließung wegen Corona-Pandemie zurück
Im Falle eines Friseursalons, der wegen der angeordneten Betriebsschließung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes einen Entschädigungsvorschuss forderte, verneinte das Landgericht Heilbronn einen solchen Anspruch (Urteil vom 29.4.2020, Az. I 4 O 82/20).
Dieser ergebe sich nicht aus § 56 Abs. 4 Infektionsschutzgesetz (IfSG), wonach bei Existenzgefährdung ein Anspruch auf Erstattung der während der Verdienstausfallzeiten entstehenden Mehraufwendungen bestehen könnte. Voraussetzung hierfür wäre, dass ausdrücklich nach § 56 Abs. 1 IFSG ein Verbot der Ausübung der Erwerbstätigkeit gegenüber dem Ausscheider oder Ansteckungs- oder Krankheitsverdächtigen wegen Infektion oder drohender Infektion ausgesprochen wurde. Bei den allgemeinen (präventiven) Betriebsschließungen sei dies jedoch nicht der Fall, so die Richter. Eine analoge Anwendung der Regelung auf die vorliegend geltend gemachte Existenzgefährdung komme mangels Regelungslücke nicht in Betracht. Eine solche Lücke sei jedenfalls durch die Soforthilfen des Staates und des Bundeslandes für Selbständige bereits geschlossen worden.
Darüber hinaus erkennt das Landgericht keinen Entschädigungsanspruch aus § 55 Polizeigesetz Baden-Württemberg. Die Regelung komme bereits deshalb nicht zur Anwendung, weil das IfSG insoweit abschließende Regelungen vorhalte. Schließlich sah das Gericht auch in den verfassungsrechtlichen Grundlagen keinen Rechtsanspruch auf eine Entschädigung.
Hinweis: Es bleibt abzuwarten, ob auch andere Gerichte die Rechtsauffassung des Landgerichts Heilbronn teilen und einen Entschädigungsanspruch gegen das Land infolge der zur Vermeidung einer weiteren Ausbreitung des Coronavirus angeordneten Betriebsschließungen versagen.
Verfassungsbeschwerde gegen Nicht-Entschädigung von Betrieben wegen Corona-Schließungen
Nachdem das Landgericht Heilbronn und zwischenzeitlich auch das Landgericht Hannover am 9.7.2020 (Az. 8 O 2/20) jeweils Entschädigungsansprüche von Unternehmen anlässlich von Betriebsschließungen während des Corona-Lockdowns versagt hatten, muss sich nun das Bundesverfassungsgericht mit der Frage befassen, ob Unternehmen staatliche Entschädigungen für Betriebsschließungen und Einnahmeausfälle in der Corona-Pandemie zustehen.
Eine Initiative, die nach eigenen Angaben mehr als 850 Betroffene vertritt, hat beim Bundesverfassungsgericht Verfassungsbeschwerde (Az. 1 BvR 1726/20) eingereicht.
Nach herrschender juristischer Auffassung sieht das Infektionsschutzgesetz nur dann eine Entschädigung vor, wenn die Betriebsschließung konkret angeordnet wurde und nicht auf einer sog. Allgemeinverfügung wie im Rahmen des Corona-Lockdowns beruht.
Hinweis
Flankierend zu der Verfassungsbeschwerde wollen die Geschädigten in den einzelnen Bundesländern Klage erheben. Ihre Strategie zielt darauf ab, dass die Zivilgerichte diese Verfahren aussetzen und die Frage nach einer Entschädigungspflicht ebenfalls dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe vorlegen.