Wertminderung gemäß IAS 36 Wertminderung von Vermögenswerten
Von der Corona-Pandemie ist nahezu jedes Unternehmen betroffen - auch wenn die Auswirkungen je nach Branche und Unternehmen variieren können. Schon heute sind hinsichtlich einzelner Posten und Bilanzierungsbereiche Auswirkungen absehbar. Viele Unternehmen werden eine mögliche Wertminderung nicht-finanzieller Vermögenswerte in Betracht ziehen müssen.
Gemäß IAS 36 Wertminderung von Vermögenswerten haben Unternehmen an jedem Abschlussstichtag einzuschätzen, ob ein Anhaltspunkt dafür vorliegt, dass ein Vermögenswert (insb. immaterielle Vermögenswerte (IAS 38), Geschäfts- oder Firmenwerte (IFRS 3), Sachanlagen (IAS 16) sowie als Finanzinvestition gehaltene Immobilien, die zu Anschaffungskosten bewertet werden (IAS 40) wertgemindert sein könnte. Unabhängig davon sind Geschäfts- oder Firmenwerte und immaterielle Vermögenswerte mit unbestimmter Nutzungsdauer jährlich auf Wertminderung zu prüfen.
Ein sofortiger Nachfrage- oder Preisrückgang, rückläufige Rentabilität und die vorübergehende Einstellung des Geschäftsbetriebs, aber auch die Auswirkungen der verringerten Wirtschaftsaktivitäten (z. B. Kurzarbeit) oder ein Rückgang der Marktkapitalisierung (unter den Buchwert des Nettovermögens) sind Ereignisse, die auf eine Wertminderung hindeuten können. Bei der Beurteilung sind insb. die Branche und das jeweilige Geschäftsmodell zu berücksichtigen. Es ist davon auszugehen, dass für Zwischenabschlüsse zum 31.3.2020 regelmäßig Anhaltspunkte für eine Wertminderung vorliegen.
Unternehmen sollten daher folgende Punkte beachten:
Basis für die Cashflow-Schätzungen sind die aktuellen genehmigten Finanzpläne. Diese sind grundsätzlich für einen Prognosezeitraum von maximal fünf Jahren heranzuziehen. Die darin enthaltenen Annahmen und Cashflow-Prognosen, die zur Prüfung der Wertminderungen herangezogen werden, sollten aktualisiert werden, um die potenziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie unter Berücksichtigung der herrschenden Unsicherheit über den Umfang und die Dauer der Auswirkungen widerzuspiegeln. Die größten Auswirkungen der Corona-Pandemie sollten sich im ersten Jahr des Detailplanungszeitraums zeigen. Dabei sollte ein größeres Gewicht auf externe Hinweise gelegt werden, wenngleich die Beschaffung externer Hinweise für vernünftige und vertretbare Annahmen (vgl. IAS 36.33(a)) eine besondere Herausforderung darstellt, da Wirtschaftsprognosen derzeit eher zurückhaltend abgegeben werden und große Spannbreiten aufweisen.
Unternehmen sollten zudem sicherstellen, dass sich angemessene Risiken entweder in den erwarteten Cashflows über die wahrscheinlichkeitsgewichteten Szenarien (Expected Cash Flow-Ansatz) oder im Kapitalisierungszinssatz (traditioneller Ansatz) widerspiegeln.
- Um das erhöhte Risiko und die Unsicherheiten bei der Cashflow-Schätzung zu erfassen, könnten mehrere wahrscheinlichkeitsgewichtete Szenarien (sog. Expected Cash Flow-Ansatz) anstelle einer einzigen Schätzung zu Grunde gelegt werden. Dabei könnten die potenziellen Auswirkungen der Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus als zusätzliche Szenarien in einen erwarteten Cashflow-Ansatz einbezogen werden. Denkbar wäre eine Reihe potenzieller Cashflows unter Berücksichtigung verschiedener Szenarien.
- Aber auch beim traditionellen Ansatz ist es aufgrund der bestehenden Unsicherheiten angebracht, mehrere Szenarien zu planen und die Zahlungsströme für das wahrscheinlichste Szenario zu verwenden. Das erhöhte Risiko sollte dann im Kapitalisierungszinssatz (Weighted Average Cost of Capital, WACC) berücksichtigt werden. Kann der WACC nicht angemessen abgeleitet werden, sollte ein Risikoaufschlag vorgenommen werden.
- Bei der Fortschreibung von Trendentwicklungen aus dem Detailplanungszeitraum, die i. d. R. durch Extrapolation der Zahlungsströme aus dem letzten Jahr des Detailplanungszeitraums (ewige Rente) erfolgt, ist die verwendete Wachstumsrate für die Folgejahre ggf. anzupassen, um die aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen entsprechend zu berücksichtigen. Dabei ist zu beachten, dass die Entwicklung bzw. ein erwarteter Aufschwung für die Jahre 2021 und 2022 mit hoher Unsicherheit behaftet ist. Unternehmen sollten daher die Entwicklung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen beobachten und ihre Planung fortlaufend aktualisieren (kürzerer Planungsturnus).
Die Ermittlung des erzielbaren Betrags stellt die Unternehmen vor dem Hintergrund der derzeit herrschenden Unsicherheit über den Umfang und die Dauer der Auswirkungen der Corona-Pandemie vor erhebliche Herausforderungen. IAS 36 sieht umfassende Angabepflichten vor: Je unsicherer das aktuelle Umfeld ist, desto wichtiger ist es für die Unternehmen, die getroffenen Annahmen, die ihnen zugrunde liegenden Nachweise und die Auswirkungen einer Änderung der wichtigsten Annahmen (Sensitivitätsanalyse) und verwendeten Inputfaktoren detailliert offenzulegen. Annahmen und Schätzungen des Managements sollten daher umfassend im Anhang erläutert werden, da in den kommenden Abschlüssen ein besonderer Fokus auf diesen und damit auf einer transparenten und nachvollziehbaren Darstellung liegen wird (IAS 36.132, .134, IAS 1.125 ff.).
Sachanlagen
Neben ggf. vorzunehmenden außerplanmäßigen Abschreibungen auf Sachanlagen nach IAS 36, sind weitere Themen von Relevanz. Die Corona-Pandemie und die zur Kontrolle des Virus eingeleiteten Maßnahmen können dazu führen, dass Sachanlagen für einen bestimmten Zeitraum nicht oder nicht voll genutzt werden können bzw. dass Investitionsprojekte (vorübergehend) eingestellt werden. Nach IAS 16 Sachanlagen müssen planmäßige Abschreibungen weiterhin erfolgswirksam erfasst werden, auch wenn ein Vermögenswert (vorübergehend) nicht mehr genutzt wird. Wird die Entwicklung eines Vermögenswertes für einen längeren Zeitraum unterbrochen, ist gemäß IAS 23 Fremdkapitalkosten die Aktivierung von Zinsen bei den Herstellungskosten auszusetzen.
At-equity bewertete assoziierte Unternehmen und Gemeinschaftsunternehmen
Beteiligungen an Joint Ventures und assoziierten Unternehmen, die nach der Equity-Methode bilanziert werden, werden gemäß IAS 28 Anteile an assoziierten Unternehmen und Gemeinschaftsunternehmen auf Wertminderung geprüft. Das Management sollte daher abwägen, ob die Auswirkungen aus der Corona-Pandemie und die zur Kontrolle des Virus eingeleiteten Maßnahmen objektive Hinweise dafür sind, dass eine Wertminderung der Nettoinvestition in das assoziierte Unternehmen oder Joint Venture vorliegt. Die o. a. Ausführungen zur Wertminderung gemäß IAS 36 Wertminderung von Vermögenswerten gelten entsprechend.
Hinweis
Beteiligungen an assoziierten Unternehmen und Joint Ventures, die in den Anwendungsbereich von IFRS 9 Finanzinstrumente fallen, unterliegen den Wertminderungsvorschriften gemäß IFRS 9.
Vorräte
Wertminderungen können sich aufgrund der Corona-Pandemie und ihrer Auswirkungen ebenfalls für Vorräte ergeben. Eventuell müssen diese auf den Nettoveräußerungswert abgeschrieben werden (IAS 2.9). Gründe hierfür können
- geringere Lagerumschläge (insb. bei verderblichen oder saisonalen Produkten),
- fallende Rohstoffpreise (die sich auf den Verkaufspreis auswirken),
- steigende Rohstoffpreise (die aufgrund einer rückläufigen Nachfrage nicht an den Markt weitergegeben werden können) oder
- die Veralterung der Lagerbestände aufgrund geringerer Umsätze sein.
In dem derzeitig schwierigen wirtschaftlichen Umfeld kann die Berechnung des Nettoveräußerungswertes herausfordernder sein und detailliertere Methoden oder Annahmen erfordern.
Darüber hinaus sind gemäß IAS 2 Vorräte zu produktionsbezogenen Material- und Fertigungseinzel- sowie -gemeinkosten zu bewerten. Die Fertigungsgemeinkosten sind auf der Grundlage der üblichen Vollauslastung der Produktionskapazität bei der Bewertung der Vorräte zu berücksichtigen. Eine geringe Auslastung der Produktionskapazitäten, z. B. aufgrund von Werksschließungen oder ungewöhnlich geringer Nachfrage, kann zu einer Aktivierung von zu hohen Gemeinkosten (sog. Leerkosten) führen. Produzierende Unternehmen müssen ggf. die Ermittlung der Gemeinkosten bzw. generell der Herstellungskosten anpassen. Die Pflicht zur Abschreibung auf den Nettoveräußerungswert gilt für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, unfertige Erzeugnisse und Fertigerzeugnisse gleichermaßen.
Im Anhang sind zudem die Angaben zur Bewertung des Vorratsvermögens ggf. anzupassen und zur Wertberichtigung gemäß IAS 2 erforderlich.