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BVerfG-Vorlage: FG Hamburg hält Kernbrennstoffsteuer für verfassungswidrig

Entscheidung des FG Hamburg vom 29.1.2013 - 4 K 270/11

Das FG Ham­burg hält die im Jahr 2011 als Ver­brauch­steuer ein­geführte Kern­brenn­stoff­steuer für ver­fas­sungs­wid­rig. Es hat das Kern­brenn­stoff­steu­er­ge­setz (Kern­brStG) da­her dem BVerfG zur Überprüfung vor­ge­legt.

Hin­ter­grund:
Zum 1.1.2011 trat das Kern­brStG in Kraft, mit dem der Bund eine neue Steuer auf die Ver­wen­dung von Kern­brenn­stof­fen ein­geführt hat. Da­nach wird der Ver­brauch von Uran und Plu­to­nium be­steu­ert, der zur ge­werb­li­chen Er­zeu­gung von elek­tri­schem Strom ver­wen­det wird. Die Steuer wird durch die Haupt­zollämter von den Kern­kraft­werks­be­trei­bern er­ho­ben und ent­steht im­mer dann, wenn ein Brenn­ele­ment in einen Kern­re­ak­tor ein­ge­setzt und eine sich selbst­tra­gende Ket­ten­re­ak­tion aus­gelöst wird.

Das Kern­brStG war von Be­ginn an recht­lich um­strit­ten. Al­lein beim FG Ham­burg sind eine Reihe von Kla­gen für ver­schie­dene Kern­kraft­werke anhängig, de­ren Ge­samt­streit­wert sich auf rund 1,5 Mrd. € beläuft. In wei­te­ren Eil­ver­fah­ren hat bis­her auch das FG München ernst­li­che Zwei­fel an der Ver­fas­sungsmäßig­keit der Kern­brenn­stoff­steuer geäußert; das FG Ba­den-Würt­tem­berg hat das Ge­setz hin­ge­gen für ver­fas­sungs­gemäß ge­hal­ten.

Der Sach­ver­halt:
Als die Kläge­rin im Juli 2011 in dem vor ihr be­trie­be­nen Kraft­werk die Kern­brennstäbe wech­selte, be­rech­nete sie pflicht­gemäß die Steuer und gab beim für sie zuständi­gen Haupt­zoll­amt eine Steu­er­an­mel­dung über rd. 96 Mio. € Kern­brenn­stoff­steuer ab. Gleich­zei­tig legte sie aber so­gleich Recht­mit­tel ein.

Das FG gewährte der Kläge­rin auf­grund er­heb­li­cher Zwei­fel an der Ver­fas­sungsmäßig­keit des Kern­brStG be­reits mit Be­schluss vom 16.9.2011 (Az. 4 V 133/11) vorläufi­gen Rechts­schutz, der al­ler­dings vom BFH aus for­mel­len Gründen wie­der auf­ge­ho­ben wurde. Das FG setzte das Haupt­sa­che­ver­fah­ren nun aus und legte das Kern­brStG dem BVerfG zur Überprüfung vor.

Die Gründe:
Das FG ist da­von über­zeugt, dass das Kern­brStG for­mell ver­fas­sungs­wid­rig ist, weil die Kern­brenn­stoff­steuer keine Ver­brauch­steuer i.S.d. fi­nanz­ver­fas­sungs­recht­li­chen Kom­pe­tenz­re­geln ist und dem Bund auch sonst keine (al­lei­nige) Ge­setz­ge­bungs­kom­pe­tenz zur Verfügung steht.

Der Bund hat die sich aus Art. 105, 106 GG er­ge­bende Ge­setz­ge­bungs­kom­pe­tenz für Ver­brauch­steu­ern nicht in An­spruch neh­men können, weil die Kern­brenn­stoff­steuer we­der eine herkömm­li­che Ver­brauch­steuer ist noch die Ty­pus­merk­male ei­ner Ver­brauch­steuer erfüllt. Prägen­des We­sens­merk­mal der Ver­brauch­steu­ern ist ins­bes. ihr Ziel, den pri­va­ten Ver­brau­cher zu be­las­ten. Auch wenn Ver­brauch­steu­ern ty­pi­scher­weise nicht un­mit­tel­bar beim Kon­su­men­ten er­ho­ben wer­den, son­dern in­di­rekt beim Han­del oder bei der In­dus­trie, müssen sie doch dar­auf an­ge­legt sein, auf den Kon­su­men­ten ab­gewälzt zu wer­den.

Dies ist je­doch bei der Kern­brenn­stoff­steuer nicht der Fall. Schon in der Begründung des Kern­brStG wurde fest­ge­hal­ten, dass eine Überwälzung der Steuer al­len­falls in ge­rin­gem Um­fang möglich sein wird. Eine Be­trach­tung des Strom­mark­tes bestätigt er­war­tungs­gemäß, dass die Kern­brenn­stoff­steuer auf die Strom­preis­bil­dung ohne Ein­fluss ge­blie­ben ist. Es ist da­her fest­zu­stel­len, dass die Kern­brenn­stoff­steuer, wie auch ent­spre­chende Äußerun­gen im Ge­setz­ge­bungs­ver­fah­ren be­le­gen, das Ziel ver­folgt, die Ge­winne der Kern­kraft­werks­be­trei­ber ab­zu­schöpfen. Die Be­steue­rung von Ge­win­nen er­folgt nach dem Steu­er­sys­tem des GG al­ler­dings nicht durch Ver­brauch­steu­ern, son­dern ty­pi­scher­weise durch eine der Er­trag­steu­ern, die je­doch nicht in der al­lei­ni­gen Ge­setz­ge­bungs­kom­pe­tenz des Bun­des lie­gen.

Zur Ver­fas­sungsmäßig­keit der Kern­brenn­steuer i.Ü. - die Kläge­rin hat ins­bes. noch den Ver­stoß ge­gen den Gleich­heits­satz und die Ver­let­zung der Ei­gen­tums­ga­ran­tie gerügt - hat sich das FG nicht geäußert; sie wird vom BVerfG im Rah­men des Nor­men­kon­troll­ver­fah­rens von Amts we­gen zu prüfen sein. Eine Überprüfung, ob das Kern­brStG ge­gen höher­ran­gi­ges Eu­ro­pa­recht verstößt - etwa ge­gen Bei­hil­fe­vor­schrif­ten oder den Eu­ra­tom-Ver­trag - wurde zunächst zurück­ge­stellt.

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