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BVerfG: Ungleichbehandlung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern im Grunderwerbsteuerrecht ist verfassungswidrig

Beschluss des BVerfG vom 18.7.2012 - 1 BvL 16/11

Es verstößt ge­gen den all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz, dass ein­ge­tra­gene Le­bens­part­ner vor In­kraft­tre­ten des Jah­res­steu­er­ge­set­zes 2010 nicht wie Ehe­gat­ten von der Grund­er­werb­steuer be­freit sind. Der Ge­setz­ge­ber muss bis zum 31.12.2012 eine Neu­re­ge­lung für die Altfälle zu tref­fen, die die Gleich­heits­verstöße rück­wir­kend ab dem Zeit­punkt der Einführung des In­sti­tuts der ein­ge­tra­ge­nen Le­bens­part­ner­schaft zum 1.8.2001 bis zum In­kraft­tre­ten des Jah­res­steu­er­ge­set­zes 2010 be­sei­tigt.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläger hat­ten im Jahr 2002 eine Le­bens­part­ner­schaft begründet und leb­ten seit­dem im Güter­stand der Zu­ge­winn­ge­mein­schaft. Im Rah­men ih­rer Tren­nung im Jahr 2009 schlos­sen sie eine Aus­ein­an­der­set­zungs­ver­ein­ba­rung, mit der sie sich wech­sel­sei­tig ihre Mit­ei­gen­tums­an­teile an zwei je­weils zur Hälfte in ih­rem Ei­gen­tum ste­hen­den Im­mo­bi­lien zum Zwecke des je­wei­li­gen Al­lein­ei­gen­tums über­tru­gen. Ihre ge­gen die je­weils fest­ge­setzte Grund­er­werb­steuer ge­rich­te­ten Kla­gen führ­ten zur Vor­lage an das BVerfG durch das FG, das die Vor­schrift des § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. we­gen Ver­stoßes ge­gen den all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz für ver­fas­sungs­wid­rig hält.

Das BVerfG hat nun ent­schie­den, dass § 3 Nr. 4 GrEStG a.F. so­wie auch die übri­gen Be­frei­ungs­vor­schrif­ten des § 3 GrEStG a.F. mit dem all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz aus Art. 3 Abs. 1 GG un­ver­ein­bar sind, so­weit sie ein­ge­tra­gene Le­bens­part­ner nicht wie Ehe­gat­ten von der Grund­er­werb­steuer be­freien. Der Ge­setz­ge­ber muss bis zum 31.12.2012 eine Neu­re­ge­lung für die Altfälle zu tref­fen, die die Gleich­heits­verstöße rück­wir­kend ab dem Zeit­punkt der Einführung des In­sti­tuts der ein­ge­tra­ge­nen Le­bens­part­ner­schaft zum 1.8.2001 bis zum In­kraft­tre­ten des Jah­res­steu­er­ge­set­zes 2010 be­sei­tigt.

Die Gründe:
Es verstößt ge­gen den all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz, dass ein­ge­tra­gene Le­bens­part­ner vor In­kraft­tre­ten des Jah­res­steu­er­ge­set­zes 2010 nicht wie Ehe­gat­ten von der Grund­er­werb­steuer be­freit sind.

Ein­ge­tra­gene Le­bens­part­ner sind Ehe­gat­ten fa­mi­lien- und er­brecht­lich gleich­ge­stellt so­wie persönlich und wirt­schaft­lich in glei­cher Weise in ei­ner auf Dauer an­ge­leg­ten, recht­lich ver­fes­tig­ten Part­ner­schaft mit­ein­an­der ver­bun­den. Die der Steu­er­be­frei­ung zu­grun­de­lie­gende ge­setz­ge­be­ri­sche Ver­mu­tung, dass Grundstücksüber­tra­gun­gen zwi­schen Ehe­gat­ten wie bei den eben­falls steu­er­be­frei­ten na­hen Ver­wand­ten häufig zur Re­ge­lung fa­mi­li­en­recht­li­cher An­sprüche der Ehe­gat­ten un­ter­ein­an­der oder in Vor­weg­nahme ei­nes Erb­falls er­fol­gen, gilt da­her ebenso für ein­ge­tra­gene Le­bens­part­ner. Außer­dem begründet die Le­bens­part­ner­schaft ebenso wie die Ehe eine ge­gen­sei­tige Un­ter­halts- und Ein­stands­pflicht, so dass die Un­gleich­be­hand­lung auch nicht mit einem aus be­son­de­ren recht­li­chen Bin­dun­gen ge­speis­ten Fa­mi­li­en­prin­zip zu recht­fer­ti­gen ist.

Die Schlech­ter­stel­lung der Le­bens­part­ner ge­genüber den Ehe­gat­ten kann auch nicht mit der in der Art. 6 Abs. 1 GG ver­an­ker­ten Pflicht des Staa­tes, Ehe und Fa­mi­lie zu schützen und zu fördern, ge­recht­fer­tigt wer­den. Denn geht die Förde­rung der Ehe mit ei­ner Be­nach­tei­li­gung an­de­rer Le­bens­for­men ein­her, ob­gleich diese nach dem ge­re­gel­ten Le­bens­sach­ver­halt und den mit der Nor­mie­rung ver­folg­ten Zie­len der Ehe ver­gleich­bar sind, recht­fer­tigt die bloße Ver­wei­sung auf das Schutz­ge­bot der Ehe eine sol­che Dif­fe­ren­zie­rung nicht.

Letzt­lich be­steht auch keine Ver­an­las­sung, den Ge­setz­ge­ber von der Pflicht zur rück­wir­ken­den Be­sei­ti­gung der ver­fas­sungs­wid­ri­gen Rechts­lage zu ent­bin­den. Ins­be­son­dere ist die Wei­ter­gel­tung der für ver­fas­sungs­wid­rig erklärten Be­frei­ungs­vor­schrif­ten nicht we­gen ei­ner zu­vor nicht hin­rei­chend geklärten Ver­fas­sungs­rechts­lage an­zu­ord­nen. Al­lein die Er­kennt­nis des BVerfG, dass ein Ge­setz ge­gen Be­stim­mun­gen des GG verstößt, ver­mag nicht ohne Wei­te­res eine i.d.S. zu­vor un­geklärte Ver­fas­sungs­rechts­lage zu in­di­zie­ren und da­mit den Ge­setz­ge­ber von ei­ner Pflicht zur rück­wir­ken­den Be­he­bung ver­fas­sungs­wid­ri­ger Zustände zu be­freien.

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