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BVerfG: Ausschluss eingetragener Lebenspartnerschaften vom Ehegattensplitting ist verfassungswidrig

Beschluss des BVerfG vom 7. Mai 2013 - 2 BvR 909/06 u.a.

Die Un­gleich­be­hand­lung von ein­ge­tra­ge­nen Le­bens­part­ner­schaf­ten und Ehen
beim Ehe­gat­ten­split­ting ist ver­fas­sungs­wid­rig. Die ent­spre­chen­den
Vor­schrif­ten des Ein­kom­men­steu­er­ge­set­zes ver­stoßen ge­gen den all­ge­mei­nen
Gleich­heits­satz, da es an hin­rei­chend ge­wich­ti­gen Sachgründen für die
Un­gleich­be­hand­lung fehlt. Dies hat der Zweite Se­nat des
Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts (BVerfG) in einem am 06.06.2013 veröff­ent­lich­ten Be­schluss ent­schie­den. Die Rechts­lage muss rück­wir­kend ab der Einführung des Le­bens­part­ner­schafts­ge­set­zes zum 1. Au­gust 2001 geändert wer­den.
Überg­angs­weise sind die be­ste­hen­den Re­ge­lun­gen zum Ehe­gat­ten­split­ting
auch auf ein­ge­tra­gene Le­bens­part­ner­schaf­ten an­zu­wen­den. Die Ent­schei­dung
ist mit 6:2 Stim­men er­gan­gen; der Rich­ter Landau und die Rich­te­rin
Kes­sal-Wulf ha­ben ein ge­mein­sa­mes Son­der­vo­tum ab­ge­ge­ben.

Der Ent­schei­dung lie­gen im We­sent­li­chen die fol­gen­den Erwägun­gen
zu­grunde:


1. Das Ein­kom­men­steu­er­ge­setz ermöglicht Ehe­gat­ten, die
Zu­sam­men­ver­an­la­gung zur Ein­kom­men­steuer zu wählen, was zur An­wen­dung des so­ge­nann­ten Split­ting­ta­rifs führt (§§ 26, 26b, 32a Abs. 5 EStG). Die
Be­schwer­deführer be­an­trag­ten nach Begründung ein­ge­tra­ge­ner
Le­bens­part­ner­schaf­ten für die Jahre 2001 und 2002 die
Zu­sam­men­ver­an­la­gung mit ih­ren je­wei­li­gen Le­bens­part­nern. Die
Fi­nanz­ver­wal­tung führte statt­des­sen Ein­zel­ver­an­la­gun­gen durch. Die
hier­ge­gen ge­rich­te­ten Kla­gen blie­ben vor den Fi­nanz­ge­rich­ten und dem
Bun­des­fi­nanz­hof er­folg­los. Ge­gen diese Ent­schei­dun­gen wen­den sich die
Be­schwer­deführer mit ih­ren Ver­fas­sungs­be­schwer­den.

2. Die §§ 26, 26b, 32a Abs. 5 des Ein­kom­men­steu­er­ge­set­zes sind mit Art.
3 Abs. 1 des Grund­ge­set­zes un­ver­ein­bar, so­weit sie ein­ge­tra­ge­nen
Le­bens­part­nern an­ders als Ehe­gat­ten nicht die Möglich­keit der
Zu­sam­men­ver­an­la­gung und die da­mit ver­bun­dene An­wen­dung des
Split­ting­ver­fah­rens eröff­nen. Die an­ge­grif­fe­nen Ent­schei­dun­gen hat der
Se­nat auf­ge­ho­ben und die Ver­fah­ren zur er­neu­ten Ent­schei­dung an den
Bun­des­fi­nanz­hof zurück­ver­wie­sen.

a) Die Un­gleich­be­hand­lung von Ver­hei­ra­te­ten und ein­ge­tra­ge­nen
Le­bens­part­nern in den Vor­schrif­ten zum Ehe­gat­ten­split­ting stellt eine am
all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz des Art. 3 Abs. 1 GG zu mes­sende mit­tel­bare
Un­gleich­be­hand­lung we­gen der se­xu­el­len Ori­en­tie­rung dar. Auch wenn die
Re­ge­lung selbst an den Fa­mi­li­en­stand anknüpft, ist doch die Ent­schei­dung
für eine Ehe oder eine ein­ge­tra­gene Le­bens­part­ner­schaft kaum trenn­bar
mit der se­xu­el­len Ori­en­tie­rung ver­bun­den.

Im Fall der Un­gleich­be­hand­lung von Per­so­nen­grup­pen be­steht re­gelmäßig
eine strenge Bin­dung des Ge­setz­ge­bers an die Er­for­der­nisse des
Verhält­nismäßig­keits­grund­sat­zes. Die An­for­de­run­gen an die Recht­fer­ti­gung
sind umso stren­ger, je mehr sich die per­so­nen­be­zo­ge­nen Merk­male an die
des Art. 3 Abs. 3 GG annähern, das heißt je größer die Ge­fahr ist, dass
die Un­gleich­be­hand­lung zur Dis­kri­mi­nie­rung ei­ner Min­der­heit führt. Dies
ist bei Dif­fe­ren­zie­run­gen nach der se­xu­el­len Ori­en­tie­rung der Fall.

b) Al­lein der be­son­dere Schutz der Ehe und Fa­mi­lie in Art. 6 Abs. 1 GG
ver­mag die Un­gleich­be­hand­lung von Ehe und ein­ge­tra­ge­ner
Le­bens­part­ner­schaft nicht zu recht­fer­ti­gen. Die Wer­tent­schei­dung des
Art. 6 Abs. 1 GG bil­det einen sach­li­chen Dif­fe­ren­zie­rungs­grund, der in
ers­ter Li­nie dazu ge­eig­net ist, die Ehe ge­genüber an­de­ren
Le­bens­ge­mein­schaf­ten bes­ser zu stel­len, die durch ein ge­rin­ge­res Maß an
wech­sel­sei­ti­ger Pflicht­bin­dung geprägt sind. Geht die Pri­vi­le­gie­rung der
Ehe mit ei­ner Be­nach­tei­li­gung an­de­rer, in ver­gleich­ba­rer Weise recht­lich
ver­bind­lich ver­fass­ter Le­bens­for­men ein­her, recht­fer­tigt der bloße
Ver­weis auf das Schutz­ge­bot der Ehe eine sol­che Dif­fe­ren­zie­rung in­des
nicht.

Der Ge­setz­ge­ber hat die Le­bens­part­ner­schaft von An­fang an in ei­ner der
Ehe ver­gleich­ba­ren Weise als um­fas­sende in­sti­tu­tio­na­li­sierte
Ver­ant­wor­tungs­ge­mein­schaft ver­bind­lich ge­fasst und be­ste­hende
Un­ter­schiede kon­ti­nu­ier­lich ab­ge­baut. Wie die Ehe un­ter­schei­det sich die
Le­bens­part­ner­schaft so­wohl von un­ge­bun­de­nen Part­ner­be­zie­hun­gen als auch
von den Rechts­be­zie­hun­gen zwi­schen Ver­wand­ten.

c) Es be­darf da­her jen­seits der bloßen Be­ru­fung auf Art. 6 Abs. 1 GG
ei­nes hin­rei­chend ge­wich­ti­gen Sach­grun­des, der die Begüns­ti­gung von Ehen
ge­genüber Le­bens­part­ner­schaf­ten ge­mes­sen am je­wei­li­gen
Re­ge­lungs­ge­gen­stand und -ziel recht­fer­tigt. Ein sol­cher lässt sich für
das Split­ting­ver­fah­ren we­der aus dem Norm­zweck noch aus der
Ty­pi­sie­rungs­be­fug­nis des Ge­setz­ge­bers im Steu­er­recht her­lei­ten.

aa) Zweck des 1958 ein­geführ­ten Split­ting­ver­fah­rens ist es, Ehen
un­abhängig von der Ver­tei­lung des Ein­kom­mens zwi­schen den Ehe­gat­ten bei
glei­chem Ge­samt­ein­kom­men gleich zu be­steu­ern. Das Split­ting­ver­fah­ren
nimmt hier­bei den zi­vil­recht­li­chen Grund­ge­dan­ken der Ehe als
Ge­mein­schaft des Er­werbs und Ver­brauchs auf. Auch die ein­ge­tra­gene
Le­bens­part­ner­schaft ist als Ge­mein­schaft des Er­werbs und Ver­brauchs
aus­ge­stal­tet. Be­reits seit ih­rer Einführung im Jahr 2001 ist sie in
ih­ren für die steu­er­recht­li­che Anknüpfung we­sent­li­chen Grundzügen mit
der Ehe ver­gleich­bar: Die wech­sel­sei­tige Ver­pflich­tungs­be­fug­nis bei
Ge­schäften zur De­ckung des Le­bens­be­darfs so­wie die ein­ge­schränkte
Verfügungs­be­rech­ti­gung über ei­ge­nes Vermögen sind in bei­den In­sti­tu­ten
iden­ti­sch ge­re­gelt. Zu­dem muss­ten die Le­bens­part­ner be­reits seit 2001,
wenn sie nicht einen Le­bens­part­ner­schafts­ver­trag schließen woll­ten, die
so­ge­nannte Aus­gleichs­ge­mein­schaft ver­ein­ba­ren, für die die Vor­schrif­ten
für die ehe­li­che Zu­ge­winn­ge­mein­schaft ent­spre­chend gal­ten. Zum 1. Ja­nuar
2005 wurde ex­pli­zit die Zu­ge­winn­ge­mein­schaft als Re­gelgüter­stand
ein­geführt. Darüber hin­aus wurde der - bei Ehe­schei­dun­gen erst seit 1977
statt­fin­dende - Ver­sor­gungs­aus­gleich auf die Auf­he­bung der
Le­bens­part­ner­schaft er­streckt.

Fa­mi­li­en­po­li­ti­sche In­ten­tio­nen vermögen die Un­gleich­be­hand­lung von Ehen
und ein­ge­tra­ge­nen Le­bens­part­ner­schaf­ten bezüglich des
Split­ting­ver­fah­rens nicht zu recht­fer­ti­gen. Nach dem
Ein­kom­men­steu­er­ge­setz hängt die Gewährung des Split­ting­vor­teils al­lein
von der Exis­tenz ei­ner Ehe ab, in der die Part­ner nicht dau­ernd ge­trennt
le­ben. Un­be­acht­lich ist dem­ge­genüber das Vor­han­den­sein von Kin­dern so­wie
die Möglich­keit, dass während der Ehe ge­mein­same Kin­der der Ehe­part­ner
ge­bo­ren wer­den.

Das Split­ting­ver­fah­ren er­wei­tert den Spiel­raum der Ehe­part­ner bei der
Auf­ga­ben­ver­tei­lung in­ner­halb der Ehe und wird des­halb auch als Re­ge­lung
an­ge­se­hen, die vor al­lem für Fa­mi­lien ge­dacht ist, in de­nen ein
Ehe­part­ner we­gen Fa­mi­li­en­ar­beit (d. h. we­gen Kin­der­er­zie­hung oder
Pflege) nicht oder nur teil­weise er­werbstätig ist. Je­doch er­kennt auch
das Le­bens­part­ner­schafts­ge­setz - ebenso wie das Ehe­recht - den Part­nern
Ge­stal­tungs­frei­heit im Hin­blick auf ihre persönli­che und wirt­schaft­li­che
Le­bensführung zu und geht von der Gleich­wer­tig­keit von Fa­mi­li­en­ar­beit
und Er­werbstätig­keit aus. Un­ter­schiede zwi­schen der Le­bens­si­tua­tion von
Ehe­part­nern und Le­bens­part­nern, die eine Un­gleich­be­hand­lung
recht­fer­ti­gen könn­ten, sind in­so­weit nicht zu er­ken­nen. Zum einen gibt
es nicht in je­der Ehe Kin­der und ist nicht jede Ehe auf Kin­der
aus­ge­rich­tet. Zum an­de­ren wer­den zu­neh­mend auch in Le­bens­part­ner­schaf­ten
Kin­der großge­zo­gen; in­so­weit sind Aus­ge­stal­tun­gen denk­bar und nicht
völlig unüblich, in de­nen der eine der Le­bens­part­ner schwer­punktmäßig
die Be­treu­ung der Kin­der über­nimmt.

bb) Die Pri­vi­le­gie­rung der Ehe im Verhält­nis zur Le­bens­part­ner­schaft
lässt sich vor die­sem Hin­ter­grund nicht mit der Ty­pi­sie­rungs­be­fug­nis des
Ge­setz­ge­bers im Steu­er­recht begründen.

Ty­pi­sie­rung be­deu­tet, be­stimmte in we­sent­li­chen Ele­men­ten gleich
ge­ar­tete Le­bens­sach­ver­halte nor­ma­tiv zu­sam­men­zu­fas­sen; die tatsäch­li­chen
Anknüpfungs­punkte müssen im Norm­zweck an­ge­legt sein. Ty­pi­sie­rung setzt
vor­aus, dass die durch sie ein­tre­ten­den Härten und Un­ge­rech­tig­kei­ten nur
un­ter Schwie­rig­kei­ten ver­meid­bar wären, le­dig­lich eine verhält­nismäßig
kleine Zahl von Per­so­nen be­tref­fen und der Ver­stoß ge­gen den
Gleich­heits­satz nicht sehr in­ten­siv ist. Der ge­setz­ge­be­ri­sche Spiel­raum
für Ty­pi­sie­run­gen ist umso en­ger, je dich­ter die ver­fas­sungs­recht­li­chen
Vor­ga­ben außer­halb des Art. 3 Abs. 1 GG sind. Er en­det dort, wo die
spe­zi­el­len Dis­kri­mi­nie­rungs­ver­bote des Art. 3 Abs. 2 und 3 GG be­trof­fen
sind.

Der Um­stand, dass ein­ge­tra­gene Le­bens­part­ner­schaf­ten und Ehen
glei­chermaßen als Ge­mein­schaf­ten des Ver­brauchs und Er­werbs kon­sti­tu­iert
sind, geböte bei ei­ner ty­pi­sie­ren­den Grup­pen­bil­dung eine steu­er­li­che
Gleich­be­hand­lung.

Auch un­ter dem Ge­sichts­punkt der Förde­rung des Auf­wach­sens von Kin­dern
kommt eine ty­pi­sie­rende Begüns­ti­gung von Ehe­paa­ren ge­genüber
ein­ge­tra­ge­nen Le­bens­part­ner­schaf­ten beim Split­ting­ver­fah­ren nicht in
Be­tracht. Nach Be­rech­nun­gen des Bun­des­mi­nis­te­ri­ums der Fi­nan­zen
ent­fal­len zwar 91 % des ge­sam­ten Split­ting­vo­lu­mens auf Ehe­paare mit
ak­tu­ell oder früher steu­er­lich re­le­van­ten Kin­dern. Da der
Split­ting­vor­teil umso höher ist, je größer die Ein­kom­mens­un­ter­schiede
zwi­schen bei­den Part­nern aus­fal­len, wer­den in­des ein­ge­tra­gene
Le­bens­part­ner­schaf­ten ebenso wie Ehen ins­be­son­dere dann vom Split­ting
pro­fi­tie­ren, wenn in ih­nen Kin­der auf­wach­sen oder auf­ge­wach­sen sind und
des­halb ei­ner der Part­ner nicht oder nur ein­ge­schränkt er­werbstätig ist.
Dass der Kin­der­an­teil bei ein­ge­tra­ge­nen Le­bens­part­ner­schaf­ten weit un­ter
dem von Ehe­paa­ren liegt, genügt für eine ty­pi­sie­rende Be­schränkung des
Split­ting­ver­fah­rens auf Ehe­paare nicht. Die Be­nach­tei­li­gung von
Le­bens­part­ner­schaf­ten beim Split­ting­ver­fah­ren ist ohne größere
Schwie­rig­kei­ten für den Ge­setz­ge­ber und die Ver­wal­tung ver­meid­bar.
Aus­zu­blen­den, dass auch in Le­bens­part­ner­schaf­ten Kin­der auf­wach­sen,
liefe auf eine mit­tel­bare Dis­kri­mi­nie­rung ge­rade we­gen der se­xu­el­len
Ori­en­tie­rung der Part­ner hin­aus.

3. Der Ge­setz­ge­ber ist ver­pflich­tet, den fest­ge­stell­ten
Ver­fas­sungs­ver­stoß rück­wir­kend zum Zeit­punkt der Einführung des
In­sti­tuts der Le­bens­part­ner­schaft am 1. Au­gust 2001 zu be­sei­ti­gen. Da er
hierfür un­ter­schied­li­che Möglich­kei­ten hat, kommt vor­lie­gend nur eine
Un­ver­ein­bar­keits­erklärung in Be­tracht. Bis zum In­kraft­tre­ten ei­ner
Neu­re­ge­lung, die der Ge­setz­ge­ber un­verzüglich zu tref­fen hat, blei­ben §§
26, 26b, 32a Abs. 5 EStG zur Ver­mei­dung ei­ner Un­si­cher­heit über die
Rechts­lage an­wend­bar mit der Maßgabe, dass auch ein­ge­tra­gene
Le­bens­part­ner, de­ren Ver­an­la­gun­gen noch nicht be­standskräftig
durch­geführt sind, mit Wir­kung ab dem 1. Au­gust 2001 un­ter den für
Ehe­gat­ten gel­ten­den Vor­aus­set­zun­gen eine Zu­sam­men­ver­an­la­gung und die
An­wen­dung des Split­ting­ver­fah­rens be­an­spru­chen können.

Son­der­vo­tum des Rich­ters Landau und der Rich­te­rin Kes­sal-Wulf:

1. Der Se­nat ver­kennt, dass die ein­ge­tra­gene Le­bens­part­ner­schaft bis zum
In­kraft­tre­ten des Ge­set­zes zur Über­ar­bei­tung des
Le­bens­part­ner­schafts­rechts am 1. Ja­nuar 2005 nach dem ausdrück­li­chen
Wil­len des Ge­setz­ge­bers nicht als eine der Ehe ver­gleich­bare
Ge­mein­schaft von Er­werb und Ver­brauch aus­ge­stal­tet war. Be­reits dies
recht­fer­tigt die Pri­vi­le­gie­rung der Ehe in den al­lein
streit­ge­genständ­li­chen Ver­an­la­gungs­jah­ren 2001 und 2002, ohne dass es
ei­nes Rück­griffs auf Art. 6 Abs. 1 GG be­darf.

a) Die Ehe ist von Ver­fas­sungs we­gen als Ge­mein­schaft des Er­werbs und
Ver­brauchs kon­zi­piert, in der ein Ehe­gatte an den Einkünf­ten und Las­ten
des an­de­ren je­weils zur Hälfte teil­hat. Die §§ 26, 26b und 32a EStG
neh­men die zi­vil- und so­zi­al­ver­si­che­rungs­recht­li­che Ge­stal­tung der Ehe
auf und führen sie für den Be­reich des Ein­kom­men­steu­er­rechts fort. Der
Ge­setz­ge­ber hat das Split­ting­ver­fah­ren als „Re­flex“ der
Zu­ge­winn­ge­mein­schaft an­ge­se­hen. Es wahrt und stärkt - dem Schutz­auf­trag
des Art. 6 Abs. 1 GG fol­gend - die ehe­li­che Ge­mein­schaft von Er­werb und
Ver­brauch. Einem Ehe­part­ner wird ermöglicht, ohne steu­er­li­che Einbußen
dau­er­haft oder vorüber­ge­hend ei­ner Be­schäfti­gung in Teil­zeit nach­zu­ge­hen
oder sich gar aus­schließlich fa­miliären Auf­ga­ben zu stel­len.

b) Für das Kri­te­rium der Ver­gleich­bar­keit sind das ehe­li­che Güter­recht
und das Recht des Ver­sor­gungs­aus­gleichs da­her in be­son­de­rem Maße
be­deut­sam; hinzu tre­ten flan­kie­rende Re­ge­lun­gen im
So­zi­al­ver­si­che­rungs­recht, ins­be­son­dere zur Hin­ter­blie­be­nen­ver­sor­gung.
Diese kon­sti­tu­ti­ven Merk­male sind je­doch erst mit Wir­kung zum 1. Ja­nuar
2005 auf die ein­ge­tra­gene Le­bens­part­ner­schaft aus­ge­dehnt wor­den. Die
Überg­angs­vor­schrif­ten sa­hen keine zwin­gende rück­wir­kende Er­stre­ckung auf
be­ste­hende Le­bens­part­ner­schaf­ten vor.

c) Die Le­bens­part­ner­schaf­ten der Be­schwer­deführer sind da­her -
je­den­falls in den al­lein streit­ge­genständ­li­chen Ver­an­la­gungs­jah­ren 2001
und 2002 - nicht als Ge­mein­schaf­ten von Er­werb und Ver­brauch im Sinne
der Split­ting­vor­schrif­ten an­zu­se­hen. Der Ver­weis des Se­nats auf die
Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts zur Erb­schaft- und
Schen­kung­steuer, zur Grund­er­werb­steuer und zum be­sol­dungs­recht­li­chen
Fa­mi­li­en­zu­schlag ist un­ge­eig­net, das ge­gen­tei­lige Er­geb­nis zu begründen.
Keine der ge­nann­ten Ent­schei­dun­gen stellt Grundsätze auf, die auf den
Be­reich des Ein­kom­men­steu­er­rechts un­be­se­hen über­trag­bar sind. Durch den
bloßen Hin­weis auf diese Ent­schei­dun­gen setzt sich der Se­nat dem Vor­wurf
ei­ner rein sche­ma­ti­schen Fortführung der bis­he­ri­gen Recht­spre­chung aus.

Die Er­stre­ckung des Split­ting­ver­fah­rens auf ein­ge­tra­gene Le­bens­part­ner
für die Ver­an­la­gungs­jahre vor 2005 läuft auf die Gewährung der
ein­kom­men­steu­er­recht­li­chen Vor­teile ei­ner Ge­mein­schaft von Er­werb und
Ver­brauch hin­aus, ohne dass die hier­aus spie­gel­bild­lich er­wach­sen­den
Ver­pflich­tun­gen zwi­schen den Le­bens­part­nern in auch nur annähernd
ver­gleich­ba­rem Um­fang be­stan­den hätten. Auch blen­det die Begründung des
Se­nats aus, dass der Ge­setz­ge­ber be­wusst von ei­ner vollständi­gen
Gleich­stel­lung ab­ge­se­hen und ge­rade die öko­no­mi­sche Selbstständig­keit
bei­der Part­ner als ge­setz­li­ches Leit­bild her­aus­ge­stellt hat. So­mit setzt
der Se­nat seine Ein­schätzung an die Stelle des hierzu al­leine be­ru­fe­nen
Ge­setz­ge­bers.

2. Die An­nahme des Se­nats, die Ty­pi­sie­rungs­be­fug­nis des Ge­setz­ge­bers
recht­fer­tige nicht die fest­ge­stellte Un­gleich­be­hand­lung von Ehe und
Le­bens­part­ner­schaft, ent­behrt ei­ner tragfähi­gen Begründung.

a) Der Se­nat räumt zwar ein, dass der Ge­setz­ge­ber mit der Einführung des
Split­ting­ver­fah­rens im Jahr 1958 auch fa­mi­li­en­po­li­ti­sche Zwecke ver­folgt
hat. Er zieht dar­aus aber nicht den ge­bo­te­nen Schluss, dass auch diese
fa­mi­li­en­po­li­ti­sche Funk­tion grundsätz­lich ge­eig­net ist, eine
ty­pi­sie­rende Pri­vi­le­gie­rung der Ehe ge­genüber an­de­ren Le­bens­for­men zu
recht­fer­ti­gen, selbst wenn sie in ver­gleich­ba­rer Weise recht­lich
ver­bind­lich ge­fasst sind. Ent­spre­chend der so­zia­len Wirk­lich­keit konnte
der Ge­setz­ge­ber bei der Einführung des Split­ting­ver­fah­rens da­von
aus­ge­hen, dass die weit über­wie­gende Mehr­zahl der Ehen auf die Er­zie­hung
von Kin­dern aus­ge­rich­tet war, und es - ty­pi­sie­rend - nur vom Be­stand der
Ehe und nicht zusätz­lich vom Vor­han­den­sein von Kin­dern abhängig ma­chen.

b) Heute wach­sen zu­neh­mend auch in ein­ge­tra­ge­nen Le­bens­part­ner­schaf­ten
Kin­der auf. Hier­aus kann je­doch nicht zwin­gend ge­schlos­sen wer­den, dass
schon in den Ver­an­la­gungs­jah­ren 2001 und 2002 der Ge­samt­heit der
ein­ge­tra­ge­nen Le­bens­part­ner­schaf­ten das Split­ting­ver­fah­ren im Wege der
Ty­pi­sie­rung zu eröff­nen ge­we­sen wäre. Die An­nahme des Se­nats, die
steu­er­li­chen Vor­teile kämen auch bei Le­bens­part­ner­schaf­ten
ty­pi­scher­weise sol­chen mit Kin­dern zu­gute, ist nicht be­legt.
Un­be­ant­wor­tet bleibt zu­dem die für die Ty­pi­sie­rung ent­schei­dende Frage,
wie hoch der An­teil der Le­bens­part­ner­schaf­ten ge­we­sen ist, in de­nen
Kin­der er­zo­gen wur­den.

Et­wai­gen Un­gleich­be­hand­lun­gen von ein­ge­tra­ge­nen Le­bens­part­ner­schaf­ten,
in de­nen Kin­der er­zo­gen wer­den oder wur­den, hätte auch durch eine auf
diese be­schränkte Eröff­nung des Split­ting­ver­fah­rens Rech­nung ge­tra­gen
wer­den können. Ein sol­cher Lösungs­an­satz ist durch den Se­nat, der
aus­schließlich auf die ty­pi­sie­rende Ein­be­zie­hung der
Le­bens­part­ner­schaf­ten ab­stellt, je­doch nicht ver­tieft wor­den.

3. Schließlich wäre es dem Ge­setz­ge­ber an­ge­sichts des
fa­mi­li­en­po­li­ti­schen Norm­zwecks des Split­ting­ver­fah­rens zu­zu­bil­li­gen
ge­we­sen, zunächst die ein­ge­tra­gene Le­bens­part­ner­schaft im Hin­blick auf
ihre Vor­wir­kung für die Fa­mi­lie und Ge­ne­ra­tio­nen­folge zu eva­lu­ie­ren und
hier­aus ge­ge­be­nen­falls steu­er­li­che Kon­se­quen­zen zu zie­hen. Die­sen
Ein­schätzungs­spiel­raum des Ge­setz­ge­bers über­geht der Se­nat durch seine
rück­wir­kende Un­ver­ein­bar­keits­erklärung und ver­engt des­sen
Ge­stal­tungsmöglich­kei­ten zusätz­lich. Da­bei setzt sich der Se­nat zu­dem
über die bis­he­rige Recht­spre­chung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts hin­weg,
wo­nach der Ge­setz­ge­ber einen mit dem Grund­ge­setz un­ver­ein­ba­ren
Rechts­zu­stand nicht rück­wir­kend be­sei­ti­gen muss, wenn die
Ver­fas­sungs­lage nicht hin­rei­chend geklärt war.

Quelle: Pres­se­mit­tei­lung des BVerfG Nr. 41/2013 vom 06.06.2013

Den Be­schluss des BVerfG im Voll­text fin­den Sie hier.

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