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BVerfG: Auch Nicht-EU-Bürger haben einen Anspruch auf Landeserziehungsgeldes nach dem BayLErzGG

Beschluss des BVerfG vom 28.2.2012 - 1 BvL 14/07

Der Aus­schluss von Nicht-EU-Bürgern von der Gewährung des Lan­des­er­zie­hungs­gel­des nach dem Bay­LErzGG ist ver­fas­sungs­wid­rig. Der ver­fas­sungs­recht­li­che Schutz der Fa­mi­lie ist nicht auf Deut­sche be­schränkt.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist pol­ni­sche Staats­an­gehörige und wohnt seit 1984 in Bay­ern. Sie hat seit 1988 wie­der­holt ge­ar­bei­tet. Ihr An­trag auf Lan­des­er­zie­hungs­geld für die Be­treu­ung ih­res im Jahr 2000 und da­mit vor dem Bei­tritt Po­lens zur EU ge­bo­re­nen Kin­des wurde zurück­ge­wie­sen. Die Behörde war der An­sicht, das Lan­des­er­zie­hungs­geld stehe ihr auf­grund ih­rer pol­ni­schen Staats­an­gehörig­keit nicht zu. Be­zugs­be­rech­tigt sei gem. Art. 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 Bay­LErzGG nur, wer die Staats­an­gehörig­keit ei­nes EU-Mit­glied­staa­tes oder ei­nes an­de­ren Ver­trags­staats des Ab­kom­mens über den Eu­ropäischen Wirt­schafts­raum be­sitze.

Ihre hier­ge­gen er­ho­bene Klage führte zunächst zur Vor­lage vor den Baye­ri­schen VGH, der die Re­ge­lung des Art. 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 Bay­LErzGG für ver­ein­bar mit der baye­ri­schen Ver­fas­sung erklärte. Das SG legte die Vor­schrift so­dann dem BVerfG zur ver­fas­sungs­recht­li­chen Prüfung vor, weil es sie für nicht ver­ein­bar mit dem all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz und dem grund­recht­lich gewähr­leis­te­ten Schutz von Ehe und Fa­mi­lie hielt.

Das BVerfG hat den Aus­schluss von Nicht-EU-Bürgern von der Gewährung des Lan­des­er­zie­hungs­gel­des nach dem Bay­LErzGG für ver­fas­sungs­wid­rig erklärt.

Die Gründe:
Die Re­ge­lung des Art. 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 Bay­LErzGG in der Fas­sung des Jah­res 1995 wie auch die in­halt­lich glei­chen Nach­fol­ge­re­ge­lun­gen sind nicht mit dem all­ge­mei­nen Gleich­heits­satz aus Art. 3 Abs. 1 GG ver­ein­bar, weil sie Per­so­nen, die nicht eine der dort ge­nann­ten Staats­an­gehörig­kei­ten be­sit­zen, ohne sach­li­chen Grund ge­ne­rell vom An­spruch auf Er­zie­hungs­geld aus­schließen. Der Ge­setz­ge­ber muss die ver­fas­sungs­wid­ri­gen Re­ge­lun­gen bis zum 31.8.2012 durch eine Neu­re­ge­lung er­set­zen, an­sons­ten tritt die Nich­tig­keit der Vor­schrif­ten ein.

Der ver­fas­sungs­recht­li­che Schutz der Fa­mi­lie ist nicht auf Deut­sche be­schränkt. Die Un­gleich­be­hand­lung kann auch nicht mit dem Ziel ge­recht­fer­tigt wer­den, eine Förde­rung auf Per­so­nen zu be­gren­zen, die dau­er­haft in Bay­ern le­ben wer­den, da das Kri­te­rium der Staats­an­gehörig­keit we­der auf die­sen Zweck ge­rich­tet noch ge­eig­net ist, verläss­lich Auf­schluss über die Dauer des künf­ti­gen Auf­ent­halts ei­ner Per­son zu ge­ben. Da die vor­ge­legte Re­ge­lung nicht nach der Her­kunft aus an­de­ren Bun­desländern, son­dern nach der Staats­an­gehörig­keit un­ter­schei­det, kann sie auch nicht un­ter dem Ge­sichts­punkt der Förde­rung von sog. Lan­des­kin­dern ge­recht­fer­tigt wer­den.

Auch fis­ka­li­sche In­ter­es­sen können die Schlech­ter­stel­lung ausländi­scher Staats­an­gehöri­ger durch Art. 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 Bay­LErzGG nicht recht­fer­ti­gen. Staat­li­che Aus­ga­ben zu ver­mei­den, ist zwar ein le­gi­ti­mer Zweck. Al­ler­dings ver­mag er für sich ge­nom­men eine Un­gleich­be­hand­lung von Per­so­nen­grup­pen nicht recht­fer­ti­gen. Ist kein darüber hin­aus­ge­hen­der sach­li­cher Dif­fe­ren­zie­rungs­grund vor­han­den, muss der Ge­setz­ge­ber fi­nanz­po­li­ti­schen Be­lan­gen er­for­der­li­chen­falls durch eine Be­schränkung der Leis­tungshöhe oder der Be­zugs­dauer für alle Be­rech­tig­ten Rech­nung tra­gen.

Link­hin­weis:
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