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BGH zur Urheberrechtsverletzung: Missbräuchliche Abmahnung führt nicht zur Unzulässigkeit der Klage

Urteil des BGH vom 31.5.2012 - I ZR 106/10

Eine missbräuch­li­che Ab­mah­nung we­gen ei­ner Ur­he­ber­rechts­ver­let­zung führt grundsätz­lich nicht zum Erlöschen des Un­ter­las­sungs­an­spruchs aus § 97 Abs. 1 UrhG und zur Un­zulässig­keit ei­ner nach­fol­gen­den Klage. Hätte eine missbräuch­li­che Ab­mah­nung zur Folge, dass der Ver­letzte seine An­sprüche auch nicht mehr ge­richt­lich gel­tend ma­chen könnte und eine nach­fol­gende Klage un­zulässig wäre, müsste er die Rechts­ver­let­zung endgültig hin­neh­men; für eine der­art weit­ge­hende Ein­schränkung sei­ner Rechte gibt es kei­nen sach­li­chen Grund.

Der Sach­ver­halt:
Die Be­klagte zu 3) ver­mark­tet und ver­mit­telt Fe­ri­en­woh­nun­gen auf der In­sel Use­dom. Der Be­klagte zu 2), ei­ner ih­rer bei­den Ge­schäftsführer, be­schloss, be­stimmte Fe­ri­en­woh­nun­gen, die bis­her ein Ho­tel­kom­plex mit­ver­wal­tet hatte, ab Ja­nuar 2008 über die In­ter­net­seite "fe­ri­en­lu­xus­woh­nung.de" selbst zu ver­mark­ten. Die Be­klagte zu 3) wurde In­ha­be­rin des Do­main­na­mens; der Be­klagte zu 1) be­tei­ligte sich als Ei­gentümer ei­ner Fe­ri­en­woh­nung an dem Pro­jekt.

Der Kläger über­nahm die Ge­stal­tung der Web­seite. Er fer­tigte zur Dar­stel­lung der Fe­ri­en­woh­nun­gen und ih­res Um­fel­des drei Licht­bil­der an, die er im No­vem­ber 2007 zu­sam­men mit wei­te­ren Fo­to­gra­fien auf der In­ter­net­seite "fe­ri­en­lu­xus­woh­nung.de" ein­stellte. Im Fe­bruar 2008 be­merkte der Kläger, dass die von ihm ge­stal­tete Web­seite ein­schließlich der Fo­to­gra­fien auch über vier wei­tere In­ter­net­sei­ten auf­ge­ru­fen wer­den konnte; die Be­klag­ten zu 1) und 2) sind je­weils In­ha­ber von zwei die­ser In­ter­net­sei­ten.

Der Kläger trägt vor, die Be­klag­ten hätten die von ihm ge­stal­tete Web­seite ein­schließlich der drei Fo­to­gra­fien auf ihre In­ter­net­sei­ten hoch­ge­la­den. Er ist der An­sicht, sie hätten da­durch seine Rechte an den Licht­bil­dern ver­letzt. Der Kläger ver­langt von den Be­klag­ten - so­weit für das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren noch von Be­deu­tung - es zu un­ter­las­sen, die von ihm her­ge­stell­ten drei Licht­bil­der über die ge­nann­ten Do­main­na­men zu ver­brei­ten, zu ver­vielfälti­gen oder zu veröff­ent­li­chen, ohne ihn als Ur­he­ber zu be­zeich­nen, ohne ihm eine Vergütung zu zah­len und ohne über seine Zu­stim­mung zu verfügen. Darüber hin­aus nimmt er die Be­klag­ten aus Aus­kunfts­er­tei­lung, Fest­stel­lung ih­rer Scha­dens­er­satz­pflicht und Zah­lung von Ab­mahn­kos­ten in An­spruch.

Das LG gab der Klage statt; das OLG wies sie ab. Auf die Re­vi­sion des Klägers hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und ver­wies die Sa­che zur neuen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Mit der vom OLG ge­ge­be­nen Begründung kann die Klage nicht ab­ge­wie­sen wer­den.

Das OLG hat an­ge­nom­men, für die Frage des Rechts-miss­brauchs komme es im Ur­he­ber­recht - wie im Wett­be­werbs­recht - nicht al­lein auf die ge­richt­li­che In­an­spruch­nahme, son­dern auch, und zwar ent­schei­dend, auf die Ab­mah­nung an. Sei die Ab­mah­nung missbräuch­lich, erlösche der Un­ter­las­sungs­an­spruch und sei eine Un­ter­las­sungs­klage man­gels Kla­ge­be­fug­nis selbst dann un­zulässig, wenn sie nur in ein­ge­schränk­tem Um­fang er­ho­ben werde. Dem kann nicht zu­ge­stimmt wer­den. Eine missbräuch­li­che Ab­mah­nung we­gen ei­ner Ur­he­ber­rechts­ver­let­zung führt grundsätz­lich nicht zum Erlöschen des Un­ter­las­sungs­an­spruchs und zur Un­zulässig­keit ei­ner nach­fol­gen­den Klage.

Das UrhG re­gelt nicht die Fol­gen ei­ner missbräuch­li­chen Gel­tend­ma­chung von An­sprüchen. Eine ent­spre­chende An­wen­dung des § 8 Abs. 4 UWG im Ur­he­ber­recht kommt nicht in Be­tracht, weil keine plan­wid­rige Re­ge­lungslücke be­steht. Al­ler­dings gilt auch für ur­he­ber­recht­li­che An­sprüche das all­ge­meine Ver­bot un­zulässi­ger Rechts­ausübung nach § 242 BGB. Die im Wett­be­werbs­recht zur missbräuch­li­chen Gel­tend­ma­chung von An­sprüchen ent­wi­ckel­ten Rechts­grundsätze be­ru­hen gleich­falls auf dem Ge­dan­ken der un­zulässi­gen Rechts­ausübung. Sie können da­her grundsätz­lich auch für das Ur­he­ber­recht frucht­bar ge­macht wer­den. Da­bei sind al­ler­dings die zwi­schen bei­den Rechts­ge­bie­ten be­ste­hen­den Un­ter­schiede zu be­ach­ten.

Im Wett­be­werbs­recht führt eine i.S.d. § 8 Abs. 4 UWG missbräuch­li­che außer­ge­richt­li­che Gel­tend­ma­chung des Un­ter­las­sungs­an­spruchs nach der Recht­spre­chung des BGH dazu, dass der Un­ter­las­sungs­an­spruch auch nicht mehr ge­richt­lich gel­tend ge­macht wer­den kann und eine nach­fol­gende - für sich ge­nom­men nicht missbräuch­li­che - Klage un­zulässig ist. Die­ser Grund­satz kann nicht ohne wei­te­res auf das Ur­he­ber­recht über­tra­gen wer­den. Der Re­ge­lung des § 8 Abs. 4 UWG kommt ne­ben der Auf­gabe der Bekämp­fung von Missbräuchen bei der Ver­fol­gung von Wett­be­werbs­verstößen auch die Funk­tion ei­nes Kor­rek­tivs ge­genüber der weit ge­fass­ten An­spruchs­be­rech­ti­gung nach § 8 Abs. 3 UWG zu. Denn nach § 8 Abs. 3 UWG kann ein und der­selbe Wett­be­werbs­ver­stoß durch eine Viel­zahl von An­spruchs­be­rech­tig­ten ver­folgt wer­den.

Bei der Ver­let­zung des Ur­he­ber­rechts oder ei­nes an­de­ren nach dem UrhG ge­schütz­ten Rechts ist da­ge­gen al­lein der Ver­letzte be­rech­tigt, An­sprüche gel­tend zu ma­chen (§ 97 UrhG). Die Be­rech­ti­gung zur Ver­fol­gung von Ur­he­ber­rechts­ver­let­zun­gen be­steht nicht auch im In­ter­esse der All­ge­mein­heit, son­dern al­lein im In­ter­esse des Ver­letz­ten. Hätte eine missbräuch­li­che Ab­mah­nung zur Folge, dass der Ver­letzte seine An­sprüche auch nicht mehr ge­richt­lich gel­tend ma­chen könnte und eine nach­fol­gende Klage un­zulässig wäre, müsste er die Rechts­ver­let­zung endgültig hin­neh­men. Für eine so weit­ge­hende Ein­schränkung sei­ner Rechte gibt es kei­nen sach­li­chen Grund.

Link­hin­weis:
  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
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