Der Kläger ist der Ende 2008 gegründete GIG Verband für Gewerbetreibende im Glücksspielwesen e.V. Er nimmt die Beklagte zu 1), die staatliche Lottogesellschaft von Nordrhein-Westfalen, und deren Geschäftsführer, den Beklagten zu 2), wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Teilnahme Minderjähriger an öffentlichen Glücksspielen auf Unterlassung in Anspruch. Die Verbandssatzung des Klägers enthält in § 3 u.a. folgende Zweckbestimmung:
"Der Verein fördert insbes. i.S.d. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG und § 3 UKlaG die gewerblichen oder selbständigen beruflichen Interessen seiner Mitglieder und von Personen, die sich unmittelbar oder mittelbar im Wirtschaftsbereich des Geschicklichkeits-, Gewinn- und Glücksspielwesens einschließlich Lotterien, Ausspielungen und Wetten (der "Vereinsinteressenbereich") betätigen und/oder betätigen wollen, unter Ausschluss von Interessen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder privatrechtlichen Gesellschaften, an denen juristische Personen des öffentlichen Rechts unmittelbar oder mittelbar beteiligt sind." Weiter heißt es, Zweck des Vereins sei es u.a. den lauteren Wettbewerb zu fördern, das Marktverhalten von Marktteilnehmern zu beobachten, sowie den unlauteren, leistungswidrigen Wettbewerb zu bekämpfen.
Der Kläger behauptet, er habe am 3.4.2009 von einer damals 17-jährigen Schülerin in zwei Lotto-Annahmestellen der Beklagten in Bonn Testkäufe durchführen lassen. Die Testkäuferin habe ohne Alterskontrolle jeweils ein Rubbellos erwerben können. Der Kläger hat dementsprechend beantragt, den Beklagten zu verbieten, Minderjährigen die Teilnahme an öffentlichen Glücksspielen zu ermöglichen, hilfsweise, den Beklagten aufzugeben, entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen.
Das LG wies die Klage als unzulässig ab, da sie rechtsmissbräuchlich sei. Die Berufung des Klägers hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Entgegen der Ansicht des OLG ist der Kläger nach seiner finanziellen Ausstattung imstande, seine satzungsgemäße Aufgabe der Verfolgung gewerblicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen. Es kann nicht ausreichen, wenn die finanzielle Ausstattung eines Verbands zwar jeweils zur Kostendeckung in dem gerade zu entscheidenden Verfahren ausreicht, dabei aber gänzlich unberücksichtigt bliebe, dass der Verband gleichzeitig eine Vielzahl anderer Verfahren führt, aus denen sich für ihn Kostenbelastungen ergeben können.
Legt der Verband aber eine die Kosten des Streitfalls vielfach übersteigende liquide Finanzausstattung dar und ist nicht bekannt geworden, dass er in der Vergangenheit Zahlungspflichten für Prozesskosten nicht nachgekommen ist, so kann eine unzureichende finanzielle Ausstattung des Verbands grundsätzlich nur angenommen werden, wenn das bei zurückhaltender Betrachtung realistische Kostenrisiko des Verbands seine dafür verfügbaren Mittel spürbar übersteigt. Das danach zu berücksichtigende Kostenrisiko liegt im Streitfall deutlich unter dem vom OLG angenommenen theoretischen Gesamtkostenrisiko.
Zu Unrecht hat das OLG auch angenommen, die Klage sei i.S.v. § 8 Abs. 4 UWG rechtsmissbräuchlich erhoben worden. Einem nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG klagebefugten Verband ist es grundsätzlich nicht verwehrt, nur gegen bestimmte Verletzer gerichtlich vorzugehen. Allerdings können besondere Umstände, insbes. sachfremde Erwägungen, im Einzelfall eine andere Beurteilung nahelegen. Solche besonderen Umstände sind im Streitfall jedoch nicht ersichtlich. Grundsätzlich ist es eine Frage der Gesamtumstände des Einzelfalls, ob das dauerhaft selektive Vorgehen eines Verbands ausschließlich gegen Nichtmitglieder als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist. Dabei lassen sich allerdings bestimmte Fallgruppen bilden.
So ist es insbes. rechtsmissbräuchlich, wenn der Verband mit einem selektiven Vorgehen ausschließlich gegen Nichtmitglieder bezweckt, neue Mitglieder zu werben, denen er nach einem Beitritt Schutz vor Verfolgung verspricht. Ein solcher Fall liegt hier aber schon deswegen nicht vor, weil die vom Kläger angegriffenen staatlichen Lottogesellschaften von der Mitgliedschaft beim Kläger kraft Verbandssatzung ausgeschlossen sind. Andererseits kann sich eine dauerhafte Beschränkung der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen auf Nichtmitglieder für einen Verband aus der Natur der Sache ergeben, wenn sie schon aus seinem - rechtlich unbedenklichen - Verbandszweck folgt. In einem solchen Fall ist ein Rechtsmissbrauch zu verneinen.
Der Kläger ist ein Verband, bei dem eine dauerhafte Beschränkung der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen auf Nichtmitglieder schon aus dem Verbandszweck folgt. Aus § 3 seiner Satzung ergibt sich deutlich, dass er ausschließlich die Förderung der Interessen privater Gewerbetreibender im Glücksspielwesen bezweckt. Es ist daher nicht rechtsmissbräuchlich, wenn er sich - auch dauerhaft - auf die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen der staatlichen Lottogesellschaften beschränkt. Die Sache war an das OLG zurückzuverweisen, da es bisher keine Feststellungen zur Begründetheit getroffen hat.
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