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BGH zur Abgrenzung des bedingten Vorsatzes zur Fahrlässigkeit

Urteil des BGH vom 20.12.2011 - VI ZR 309/10

Es genügt für die An­nahme ei­nes be­ding­ten Vor­sat­zes (hier im Zu­sam­men­hang mit ei­ner ge­schei­ter­ten Fonds­an­lage) nicht, wenn die re­le­van­ten Ta­tumstände le­dig­lich ob­jek­tiv er­kenn­bar wa­ren und der Han­delnde sie hätte ken­nen können oder ken­nen müssen. In ei­ner sol­chen Si­tua­tion ist le­dig­lich ein Fahrlässig­keits­vor­wurf ge­recht­fer­tigt, der einen An­spruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264a StGB, § 826 BGB schei­tern lässt.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger hatte sich im De­zem­ber 2000 mit ei­ner Kom­man­dit­ein­lage von 200.000 DM zuzüglich Agio in Höhe von 5 % an ei­ner Fonds­ge­sell­schaft be­tei­ligt, de­ren Zweck laut Emis­si­ons­pro­spekt darin be­stand, kom­mer­zi­elle Fern­seh- und Ki­no­spiel­filme so­wie Fern­seh­se­rien zu ent­wi­ckeln, zu pro­du­zie­ren und zu ver­wer­ten. Nach den An­ga­ben im Pro­spekt soll­ten die Film­pro­duk­tio­nen durch den Ab­schluss von Erlösaus­fall­ver­si­che­run­gen ab­ge­si­chert wer­den. Die Be­klagte hatte im Rah­men der Kon­sti­tu­ie­rung des Film­fonds ver­schie­dene Auf­ga­ben über­nom­men, dar­un­ter die Ei­gen­ka­pi­tal­ver­mitt­lung, die Er­stel­lung des Pro­spekt­ent­wurfs und Be­ra­tungs­leis­tun­gen.

Im Jahr 2002 der Film­fonds im Zu­sam­men­hang mit der In­sol­venz des Pro­duk­ti­ons­dienst­leis­ters in wirt­schaft­li­che Schwie­rig­kei­ten. An den Pro­duk­ti­ons­dienst­leis­ter über­wie­sene Gelder wa­ren nicht zurück­zu­er­lan­gen. Es stellte sich her­aus, dass keine Erlösaus­fall­ver­si­che­run­gen für die ein­zel­nen Pro­duk­tio­nen ab­ge­schlos­sen wor­den wa­ren, son­dern le­dig­lich ein Rah­men­ver­trag ("co­ver-note") mit ei­ner Ver­si­che­rung be­stand, der den späte­ren Ab­schluss von Ein­zel­erlösaus­fall­ver­si­che­run­gen vor­sah.

LG und OLG wie­sen die auf Rück­zah­lung der ge­leis­te­ten Ein­lage Zug um Zug ge­gen Ab­tre­tung sämt­li­cher An­sprüche aus der Be­tei­li­gung ge­rich­tete Klage ab. Auch die Re­vi­sion des Klägers blieb vor dem BGH er­folg­los.

Die Gründe:
Für eine Haf­tung der Be­klag­ten aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264a StGB, § 826 BGB fehlte der er­for­der­li­che Vor­satz ih­res Ge­schäftsführers.

Eine ent­spre­chende Scha­dens­er­satz­pflicht der Be­klag­ten setzt vor­aus, dass ihr ge­setz­li­cher Ver­tre­ter den ob­jek­ti­ven Tat­be­stand des § 264a StGB vorsätz­lich - zu­min­dest in der Form des be­ding­ten Vor­sat­zes - ver­wirk­licht hat. Ent­spre­chen­des gilt für eine Haf­tung der Be­klag­ten aus § 826 BGB. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Klägers ist Vor­satz aber nicht im­mer be­reits dann zu be­ja­hen, wenn ein vernünf­tig den­ken­der Drit­ter in der Si­tua­tion des in An­spruch Ge­nom­me­nen über Er­kennt­nisse in Be­zug auf die re­le­van­ten Ta­tumstände verfügt hätte oder hätte verfügen müssen, auf­grund de­rer auf der Hand liegt, dass für ein Ver­trauen in das Aus­blei­ben des tat­be­stand­li­chen Er­folgs kein Raum ist.

Vor­satz enthält ein "Wis­sens-" und ein "Wol­lens­ele­ment". Der Han­delnde muss die Umstände, auf die sich der Vor­satz be­zie­hen muss, - im Fall des § 264a StGB die Ver­wirk­li­chung des ob­jek­ti­ven Tat­be­stands, im Fall des § 826 BGB die Schädi­gung des An­spruch­stel­lers - ge­kannt bzw. vor­aus­ge­se­hen und in sei­nen Wil­len auf­ge­nom­men ha­ben. Die An­nahme der - vor­lie­gend al­lein in Be­tracht kom­men­den - Form des be­ding­ten Vor­sat­zes setzt vor­aus, dass der Han­delnde die re­le­van­ten Umstände je­den­falls für möglich ge­hal­ten und bil­li­gend in Kauf ge­nom­men hat. Es genügt da­ge­gen nicht, wenn die re­le­van­ten Ta­tumstände le­dig­lich ob­jek­tiv er­kenn­bar wa­ren und der Han­delnde sie hätte ken­nen können oder ken­nen müssen. In ei­ner sol­chen Si­tua­tion ist le­dig­lich ein Fahrlässig­keits­vor­wurf ge­recht­fer­tigt.

Zwar sind von den ma­te­ri­el­len Vor­aus­set­zun­gen des be­ding­ten Vor­sat­zes die An­for­de­run­gen zu un­ter­schei­den, die an sei­nen Be­weis zu stel­len sind. So kann sich im Rah­men des § 826 BGB aus der Art und Weise des sit­ten­wid­ri­gen Han­delns, ins­be­son­dere dem Grad der Leicht­fer­tig­keit des Schädi­gers, die Schluss­fol­ge­rung er­ge­ben, dass er mit Schädi­gungs­vor­satz ge­han­delt hat. Auch kann es im Ein­zel­fall be­weis­recht­lich na­he­lie­gen, dass der Schädi­ger einen pflicht­wid­ri­gen Er­folg ge­bil­ligt hat, wenn er sein Vor­ha­ben trotz star­ker Gefähr­dung des be­trof­fe­nen Rechts­guts durchführt, ohne auf einen glück­li­chen Aus­gang ver­trauen zu können, und es dem Zu­fall überlässt, ob sich die von ihm er­kannte Ge­fahr ver­wirk­licht oder nicht. Al­ler­dings kann der Grad der Wahr­schein­lich­keit ei­nes Scha­dens­ein­tritts nicht al­lein das Kri­te­rium für die Frage sein, ob der Han­delnde mit dem Er­folg auch ein­ver­stan­den war. Viel­mehr ist im­mer eine um­fas­sende Würdi­gung sämt­li­cher Umstände des Ein­zel­fal­les er­for­der­lich.

Link­hin­weis:
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