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BGH zum Vertrauen des Anlegers in ein Wirtschaftsprüfertestat hinsichtlich eines zwischenzeitlich überholten Stichtags

Urteil des BGH vom 21.2.2013 - III ZR 139/12

Die tatsäch­li­che Ver­mu­tung, dass es dem An­le­ger für seine An­la­ge­ent­schei­dung auf die Rich­tig­keit al­ler we­sent­li­chen Pro­spek­tan­ga­ben an­kommt, er­fasst Fest­stel­lun­gen in einem veröff­ent­lich­ten Wirt­schaftsprüfer­te­stat grundsätz­lich auch dann, wenn es sich auf einen über­hol­ten Stich­tag be­zieht und ein neuer bestätig­ter Jah­res­ab­schluss zu er­war­ten war. Auch ein über­hol­ter Bestäti­gungs­ver­merk begründet zu­min­dest das Ver­trauen, dass die An­lage in dem bestätig­ten Um­fang zu dem maßgeb­li­chen Zeit­punkt keine Mängel auf­wies.

Der Sach­ver­halt:
Die Be­klagte ist ein Wirt­schaftsprüfungs­un­ter­neh­men, von dem die Kläger Scha­dens­er­satz we­gen ei­nes ih­rem Vor­trag zu­folge un­rich­ti­gen Testats ver­lan­gen. Sie hiel­ten In­ha­ber­schuld­ver­schrei­bun­gen der Woh­nungs­bau­ge­sell­schaft L-AG (künf­tig: WBG L). Im Juni 2004 er­teilte die Be­klagte dem Ab­schluss der WBG L für das Ge­schäfts­jahr vom 1.1. bis 31.12.2003 und dem La­ge­be­richt der Ge­sell­schaft, die von dem Ge­schäftsführer der Be­klag­ten geprüft wor­den wa­ren, einen un­ein­ge­schränk­ten Bestäti­gungs­ver­merk.

In der zwei­ten Jah­reshälfte 2005 tausch­ten die Kläger ihre Pa­piere in neue In­ha­ber­schuld­ver­schrei­bun­gen der Woh­nungs­bau­ge­sell­schaft um. Der von ih­rem Ge­schäftsführer un­ter­zeich­nete Bestäti­gungs­ver­merk der Be­klag­ten war in dem Emis­si­ons­pro­spekt für die von den Klägern 2005 ein­ge­tausch­ten neuen In­ha­ber­schuld­ver­schrei­bun­gen ab­ge­druckt. Am 1.9.2006 wurde über das Vermögen der WBG L das In­sol­venz­ver­fah­ren eröff­net.

Die Kläger ma­chen gel­tend, das Prüfte­stat hätte nicht er­teilt wer­den dürfen, da, wie für einen Wirt­schaftsprüfer ohne wei­te­res er­kenn­bar ge­we­sen sei, die Fi­nanz­si­tua­tion der WBG L be­reits 2003 de­so­lat ge­we­sen sei und diese nach einem Schnee­ball­sys­tem ge­ar­bei­tet habe. Der Ge­schäftsführer der Be­klag­ten habe in­so­weit min­des­tens be­dingt vorsätz­lich ge­han­delt. Hätte die Be­klagte den Jah­res­ab­schluss der WBG L und den La­ge­be­richt nicht un­ein­ge­schränkt bestätigt, hätten sie, die Kläger, die neuen, wert­lo­sen In­ha­ber­schuld­ver­schrei­bun­gen nicht im Tausch­wege er­wor­ben.

Das LG wies die auf Er­satz von ins­ge­samt 27.000 € nebst Zin­sen und Kos­ten der vor­ge­richt­li­chen Rechts­ver­fol­gung ge­rich­tete Klage ab. Das OLG wies die da­ge­gen ge­rich­tete Be­ru­fung durch einen Be­schluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurück. Auf die Re­vi­sion der Kläger hob der BGH den Be­schluss des OLG auf und wies die Sa­che zur neuen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung dort­hin zurück.

Die Gründe:
Nach dem der­zei­ti­gen Sach- und Streit­stand ist ein Scha­dens­er­satz­an­spruch der Kläger ge­gen die Be­klagte nicht aus­zu­schließen.

Die Kläger ha­ben nach dem im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren zu­grunde zu le­gen­den Sach­ver­halt dem Grunde nach einen An­spruch, der auf § 826 BGB so­wie § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264a Abs. 1, § 27 Abs. 1 StGB und § 332 HGB, je­weils i.V.m. § 31 BGB be­ruht. Sie ha­ben vor­ge­tra­gen, der Ge­schäftsführer der Be­klag­ten habe zu­min­dest be­dingt vorsätz­lich einen feh­ler­haft un­ein­ge­schränk­ten Bestäti­gungs­ver­merk für den Jah­res­ab­schluss 2003 er­teilt. Sie ha­ben sich in­so­weit ein im Rah­men ei­nes Er­mitt­lungs­ver­fah­rens ge­gen den Ge­schäftsführer der Be­klag­ten er­stat­te­tes Gut­ach­ten der Wirt­schaftsprüfer­kam­mer B zu Ei­gen ge­macht. In die­sem Gut­ach­ten wer­den gra­vie­rende Mängel bei der Durchführung der Jah­res­ab­schlussprüfun­gen 2002 und 2003 fest­ge­stellt. Das OLG hat auch in­so­weit ein vorsätz­li­ches und sit­ten­wid­ri­ges Ver­hal­ten des Ge­schäftsführers der Be­klag­ten un­ter­stellt, so dass hier­von auch in der Re­vi­si­ons­in­stanz aus­zu­ge­hen ist.

An­sprüche we­gen vorsätz­li­cher un­er­laub­ter Hand­lun­gen können un­ein­ge­schränkt ne­ben den ge­setz­li­chen Pro­spekt­haf­tungs­an­sprüchen (so­fern de­ren persönli­cher An­wen­dungs­be­reich für die Be­klagte über­haupt eröff­net sein sollte) gel­tend ge­macht wer­den (§ 13 Abs. 1 Verk­Pro­spG, § 47 Abs. 2 BörsG; siehe jetzt § 21 Abs. 5 S. 2 VermAnlG und § 25 Abs. 2 WpPG). In der vor­lie­gen­den Fall­ge­stal­tung ist auch nicht da­von aus­zu­ge­hen, dass der im Jahr 2004 er­teilte Bestäti­gungs­ver­merk zum Stich­tag des Jah­res­ab­schlus­ses für 2003 keine Be­deu­tung mehr für die 2005 ge­fass­ten Er­werb­sent­schlüsse der Kläger ge­habt ha­ben konnte. Die tatsäch­li­che Ver­mu­tung, dass es dem An­le­ger für seine Ent­schei­dung auf die Rich­tig­keit al­ler we­sent­li­chen Pro­spek­tan­ga­ben an­kommt, er­fasst sol­che Fest­stel­lun­gen in einem veröff­ent­lich­ten Wirt­schaftsprüfer­te­stat grundsätz­lich auch dann, wenn es sich auf einen ab­ge­lau­fe­nen Stich­tag be­zieht.

Ein sol­cher Bestäti­gungs­ver­merk begründet zu­min­dest das Ver­trauen, dass die An­lage in dem bestätig­ten Um­fang zu dem maßgeb­li­chen Zeit­punkt keine Mängel auf­wies, die zur Ver­wei­ge­rung oder Ein­schränkung des Testats hätten führen müssen. Auch wenn bis zur An­la­ge­ent­schei­dung mit der zwi­schen­zeit­li­chen Er­stel­lung ei­nes neuen Testats zu rech­nen ge­we­sen sein mag, wirkt die­ses Ver­trauen in­so­weit fort, als der An­le­ger nur mit ei­ner seit­her ein­ge­tre­te­nen Verände­rung der Verhält­nisse rech­nen muss, nicht aber da­mit, dass zu dem für den im Pro­spekt wie­der­ge­ge­be­nen Bestäti­gungs­ver­merk maßgeb­li­chen Prüfungs­zeit­punkt struk­tu­relle Mängel der An­lage be­stan­den, die sich noch aus­wir­ken.

Erst wenn, was hier aber nicht der Fall ist, zwi­schen dem Prüfungs­stich­tag und dem An­la­ge­ent­schluss eine so lange Zeit ver­stri­chen ist, dass mit we­sent­li­chen, auch die Grund­la­gen des Un­ter­neh­mens er­fas­sen­den Ände­run­gen der Verhält­nisse ge­rech­net wer­den muss, kann die durch Le­bens­er­fah­rung begründete Ver­mu­tung der Ursäch­lich­keit des un­rich­ti­gen Bestäti­gungs­ver­merks für die An­la­ge­ent­schei­dung nicht mehr ein­grei­fen. Das OLG hat of­fen ge­las­sen, ob der Pro­spekt­feh­ler des­halb nicht ursäch­lich für einen Scha­den der Kläger wurde, weil die ur­sprüng­lich von ih­nen ge­hal­te­nen In­ha­ber­schuld­ver­schrei­bun­gen be­reits vor dem Um­tausch in die neuen Pa­piere wert­los wa­ren. Im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren ist des­halb zu­guns­ten der Kläger da­von aus­zu­ge­hen, dass dies nicht der Fall ist. Da zur ab­schließen­den Prüfung der gel­tend ge­mach­ten An­sprüche wei­tere Fest­stel­lun­gen er­for­der­lich sind, war die Sa­che an das OLG zurück­zu­ver­wei­sen.

Link­hin­weis:
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