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BGH zum Schadensersatz wegen Androhung der Mandatsniederlegung im Termin zur Erreichung einer Haftungsübernahme durch den Gesellschafter

Urteil des BGH vom 7.2.2013 - IX ZR 138/11

Ver­an­lasst der Rechts­an­walt den persönlich nicht haf­ten­den Ge­sell­schaf­ter sei­ner Man­dan­tin erst­mals un­mit­tel­bar vor einem an­be­raum­ten Ge­richts­ter­min mit dem Hin­weis, an­de­ren­falls das Man­dat nie­der­zu­le­gen, zum Ab­schluss ei­ner Haf­tungsüber­nahme, kann hierin eine wi­der­recht­li­che Dro­hung lie­gen. Verstößt der An­walt ge­gen das Ver­bot zur Un­zeit zu kündi­gen, ist zwar die Kündi­gung re­gelmäßig wirk­sam, der An­walt macht sich aber scha­dens­er­satz­pflich­tig und han­delt rechts­wid­rig.

Der Sach­ver­halt:
Die Be­klagte ist ne­ben K Ge­sell­schaf­te­rin ver­schie­de­ner in- und ausländi­scher Ge­sell­schaf­ten, die von der Kläge­rin, ei­ner An­walts­ge­sell­schaft, u.a. auf dem Ge­biet des ge­werb­li­chen Rechts­schut­zes be­ra­ten und in Rechts­strei­tig­kei­ten ge­richt­lich ver­tre­ten wur­den. Als die Ge­sell­schaf­ten im Jahre 2006 die Ho­no­rar­rech­nun­gen der Kläge­rin aus der Zeit von März 2005 bis Juni 2006 we­gen auf­ge­tre­te­ner Zah­lungs­schwie­rig­kei­ten nicht aus­glei­chen konn­ten, for­derte die Kläge­rin die Be­klagte und de­ren Mit­ge­sell­schaf­ter mit E-Mail vom 31.7.2006 auf, die persönli­che Haf­tung für die ge­genwärti­gen und künf­ti­gen Ho­no­raran­sprüche zu über­neh­men. Den mitüber­sand­ten Ent­wurf ei­ner persönli­chen Haf­tungsüber­nahme un­ter­zeich­nete die Kläge­rin nicht.

Auch auf eine er­neute Zu­sen­dung des Ver­ein­ba­rungs­ent­wurfs mit E-Mail vom 10.8.2006 rea­gierte sie nicht. Zu die­sem Zeit­punkt wa­ren für das Jahr 2005 rd. 15.000 € und für das Jahr 2006 rd. 23.000 € of­fen. Anläss­lich ei­nes Ver­hand­lungs­ter­mins vor dem LG Saarbrücken am 28.8.2006, den die Kläge­rin für eine der Ge­sell­schaf­ten wahr­nahm und an dem die Be­klagte und ihr Mit­ge­sell­schaf­ter persönlich teil­nah­men, un­ter­zeich­ne­ten beide die von der Kläge­rin ent­wor­fene und zum Ge­richts­ter­min mit­ge­brachte, als Über­nahme der persönli­chen Haf­tung be­zeich­nete Vergütungs­ver­ein­ba­rung. Hier­aus nimmt die Kläge­rin die Be­klagte auf Zah­lung i.H.v. rd. 52.000 € in An­spruch. Die Be­klagte macht dem­ge­genüber gel­tend, die persönli­che Haf­tungsüber­nahme sei ihr vor dem Ge­richts­ter­min ab­ge­presst wor­den.

LG und OLG ga­ben der Klage - mit Aus­nahme ei­nes ge­rin­gen Teils der Zin­sen - statt. Auf die Re­vi­sion der Be­klag­ten hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und wies die Sa­che zur neuen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Nach den bis­lang ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen des OLG kann ein Scha­dens­er­satz­an­spruch der Be­klag­ten auf Be­frei­ung von der ein­ge­gan­ge­nen Haf­tungsüber­nahme nicht ver­neint wer­den.

Der Tat­be­stand ei­ner rechts­wid­ri­gen Dro­hung oder arg­lis­ti­gen Täuschung begründet außer der An­fech­tungsmöglich­keit auch einen Scha­dens­er­satz­an­spruch we­gen Ver­schul­dens beim Ver­trags­schluss (§ 311 Abs. 2 BGB), der dem Be­droh­ten oder Getäusch­ten das Recht gibt, auch ohne Ausübung ei­nes Ge­stal­tungs­rechts Be­frei­ung von der ein­ge­gan­ge­nen Ver­bind­lich­keit zu ver­lan­gen, so­fern dem Be­trof­fe­nen durch den Ver­trags­schluss ein Scha­den ent­stan­den ist. In der Ankündi­gung ei­nes Rechts­an­wal­tes, das Man­dat nie­der­zu­le­gen, um hier­durch eine güns­ti­gere Vergütungs­ab­rede durch­zu­set­zen, kann aus­nahms­weise eine rechts­wid­rige Dro­hung lie­gen.

Ob eine Dro­hung in einem sol­chen Fall rechts­wid­rig ist, hängt von dem Verhält­nis zwi­schen dem ver­folg­ten Zweck und dem dazu ein­ge­setz­ten Mit­tel ab; ent­schei­dend ist, ob der Dro­hende an der Er­rei­chung des Zwecks ein be­rech­tig­tes In­ter­esse hat und die Dro­hung nach Treu und Glau­ben als ein an­ge­mes­se­nes Mit­tel zur Er­rei­chung die­ses Zwecks an­zu­se­hen ist. So ist auf­grund der Mit­tel-Zweck-Re­la­tion eine wi­der­recht­li­che Dro­hung ge­ge­ben, wenn der Ver­tei­di­ger un­mit­tel­bar vor Be­ginn der Haupt­ver­hand­lung erst­mals sei­nen Man­dan­ten mit dem Hin­weis, an­de­ren­falls das Man­dat nie­der­zu­le­gen, zur Un­ter­zeich­nung ei­ner Gebühren­ver­ein­ba­rung ver­an­lasst. Ent­ge­gen der An­sicht der Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung sind diese Grundsätze auch auf die Pro­zess­ver­tre­tung im Zi­vil­rechts­streit über­trag­bar.

Dass auch im Zi­vil­pro­zess von einem be­son­de­ren Ver­trau­ens­verhält­nis zwi­schen Man­dant und An­walt aus­zu­ge­hen ist, zeigt die vor­lie­gende Fall­ge­stal­tung. Wird un­mit­tel­bar vor dem an­be­raum­ten Ver­hand­lungs­ter­min der Man­dant mit der Ankündi­gung des Pro­zess­be­vollmäch­tig­ten über­rascht, er werde das Man­dat un­verzüglich nie­der­le­gen, wird der Man­dant im An­walt­spro­zess nur sel­ten in der Lage sein, einen neuen Pro­zess­an­walt für die­sen Ter­min zu stel­len. Da sich die Par­tei die Man­dats­nie­der­le­gung selbst dann als ei­ge­nes Ver­schul­den zu­rech­nen las­sen muss, wenn der An­walt die Kündi­gung zur Un­zeit aus­spricht, liegt es nicht fern, dass im an­be­raum­ten Ter­min ge­gen die nicht ver­tre­tene Par­tei Versäum­nis­ur­teil er­ge­hen wird. Der Grund­satz, dass der An­walt sei­nen Man­dan­ten nicht im Stich las­sen darf, erfährt da­her im Zi­vil­pro­zess be­son­dere Be­deu­tung.

Un­ter Berück­sich­ti­gung die­ser Grundsätze ist die erst­ma­lige An­dro­hung ei­ner Man­dats­nie­der­le­gung kurz vor Auf­ruf der Sa­che im Zi­vil­pro­zess zur Durch­set­zung ei­ner güns­ti­ge­ren Vergütungs­ab­rede oder ei­ner ent­spre­chen­den Haf­tungsüber­nahme kein an­ge­mes­se­nes Mit­tel zur Er­rei­chung des an sich be­rech­tig­ten An­lie­gens, eine beträcht­li­che, of­fen­ste­hende Vergütung zu er­hal­ten oder zu si­chern. Verstößt der An­walt ge­gen das Ver­bot zur Un­zeit zu kündi­gen, ist zwar die Kündi­gung re­gelmäßig wirk­sam, der An­walt macht sich aber scha­dens­er­satz­pflich­tig und han­delt rechts­wid­rig. Das OLG wird nun die von den Par­teien be­nann­ten Be­weis­mit­tel zur be­strit­te­nen Be­haup­tung der Be­klag­ten, sie sei erst­mals vor dem Ge­richts­ter­min mit der Ankündi­gung ei­ner Man­dats­nie­der­le­gung kon­fron­tiert wor­den, zu er­he­ben ha­ben.

Link­hin­weis:
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