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BGH zum Rechtsschutzbedürfnis bei Kürzungen von Sachverständigenhonoraren im Rahmen außergerichtlicher Schadensregulierung

Urteil des BGH vom 19.7.2012 - I ZR 105/11

Ei­ner Un­ter­las­sungs­klage, mit der auf einen Haft­pflicht­ver­si­che­rer ein­ge­wirkt wer­den soll, um ihn daran zu hin­dern, im Rah­men der außer­ge­richt­li­chen Scha­dens­re­gu­lie­rung Sach­verständi­gen­ho­no­rare al­lein un­ter Hin­weis auf pau­schale Vergütungssätze zu kürzen, die nach der Höhe des Un­fall­scha­dens ge­staf­felt sind, fehlt das Rechts­schutz­bedürf­nis. Da­durch würde in un­zulässi­ger Weise auf die Rechts­ver­tei­di­gung des Ver­si­che­rers ein­ge­wirkt wer­den.

Der Sach­ver­halt:
Die Be­klagte ist ein Kraft­fahr­zeug­ver­si­che­rer. Sie er­stat­tet bei der Re­gu­lie­rung von Un­fall­schäden in der Haft­pflicht­ver­si­che­rung die gel­tend ge­mach­ten Sach­verständi­gen­kos­ten nach pau­scha­len Vergütungssätzen, die nach der Höhe des Un­fall­scha­dens ge­staf­felt sind. Die Vergütungssätze ent­spre­chen dem Er­geb­nis von Ge­sprächen mit dem Bun­des­ver­band der frei­be­ruf­li­chen und un­abhängi­gen Sach­verständi­gen für das Kraft­fahr­zeug­we­sen e.V. (BVSK). Über­stei­gen die vom Ge­schädig­ten bei der Ab­wick­lung von Un­fall­schäden gel­tend ge­mach­ten Sach­verständi­gen­kos­ten die pau­scha­len Vergütungssätze, kürzt die Be­klagte - ohne wei­tere Prüfung im Ein­zel­fall - die Kos­ten auf den je­wei­li­gen pau­scha­len Vergütungs­satz.

Die kla­gende Zen­trale zur Bekämp­fung un­lau­te­ren Wett­be­werbs hielt dies für wett­be­werbs­recht­lich un­lau­ter. Durch die Ho­no­rarkürzun­gen ohne Ein­zel­fallprüfung setze die Be­klagte die Tätig­kei­ten und ge­schäft­li­chen Verhält­nisse der Sach­verständi­gen herab. Durch das von ihr ver­wandte For­mu­larschrei­ben ent­stehe beim Adres­sa­ten der Ein­druck, der Sach­verständige halte sich nicht an ver­bind­li­che Stan­dards. Die Ge­schädig­ten, die Sach­verständige be­auf­trag­ten, die sich nicht an die von der Be­klag­ten ver­wen­dete Kos­ten­ta­belle hiel­ten, müss­ten mit Schwie­rig­kei­ten bei der Scha­dens­ab­wick­lung rech­nen, weil sie einem Gebühren­an­spruch des Sach­verständi­gen aus­ge­setzt seien, den sie bei der Ver­si­che­rung nicht in vol­ler Höhe rea­li­sie­ren könn­ten. Dies führe letzt­lich dazu, dass nur Sach­verständige be­auf­tragt würden, die sich an die Gebührensätze der Be­klag­ten hiel­ten.

Die Kläge­rin be­gehrte von der Be­klag­ten ge­richt­lich u.a., es zu un­ter­las­sen, im Wett­be­werb han­delnd Kürzun­gen bei Ho­no­ra­ren von Sach­verständi­gen im Rah­men der Re­gu­lie­rung von Kfz-Haft­pflicht­schäden vor­zu­neh­men, ohne die dem Ge­schädig­ten ge­genüber be­ste­hende zi­vil­recht­li­che Er­satz­pflicht des vollständi­gen vom Sach­verständi­gen an­ge­setz­ten Ho­no­rars zu­vor in je­dem Ein­zel­fall zu überprüfen. Die Un­ter­las­sungs­klage blieb in al­len In­stan­zen er­folg­los.

Die Gründe:
Der Kläge­rin fehlte für den in ers­ter Li­nie ver­folg­ten Un­ter­las­sungs­an­trag das Rechts­schutz­bedürf­nis.

Ei­ner Klage auf Un­ter­las­sung oder Be­sei­ti­gung von Äußerun­gen, die der Rechts­ver­fol­gung oder Rechts­ver­tei­di­gung in einem ge­richt­li­chen oder behörd­li­chen Ver­fah­ren die­nen, fehlt das Rechts­schutz­bedürf­nis. Dem liegt die Erwägung zu­grunde, dass auf den Ab­lauf ei­nes rechts­staat­lich ge­re­gel­ten Ver­fah­rens nicht da­durch Ein­fluss ge­nom­men wer­den und sei­nem Er­geb­nis nicht da­durch vor­ge­grif­fen wer­den soll, dass ein an die­sem Ver­fah­ren Be­tei­lig­ter durch Un­ter­las­sungs- oder Be­sei­ti­gungs­an­sprüche in sei­ner Äußerungs­frei­heit ein­ge­engt wird. Dies gilt grundsätz­lich auch bei Äußerun­gen in einem rechts­staat­lich ge­re­gel­ten Ver­fah­ren, durch die Rechte von am Ver­fah­ren be­tei­lig­ten Drit­ten be­trof­fen wer­den, wenn die Äußerun­gen in einem en­gen Be­zug zum Ver­fah­ren ste­hen.

In­fol­ge­des­sen kann die Kläge­rin von der Be­klag­ten nicht ver­lan­gen, es zu un­ter­las­sen, in einem Haft­pflicht­pro­zess über den Er­satz der Sach­verständi­gen­kos­ten die Kürzung des Sach­verständi­gen­ho­no­rars ohne eine auf den Ein­zel­fall be­zo­gene Prüfung und Begründung al­lein un­ter Be­ru­fung auf das Er­geb­nis des BVSK-Ge­sprächs vor­zu­neh­men. Da­durch würde auf die Rechts­ver­tei­di­gung der Be­klag­ten in einem ge­richt­li­chen Ver­fah­ren ein­ge­wirkt wer­den, was grundsätz­lich un­zulässig ist.

Der Un­ter­las­sungs­an­trag war zu­dem auch in­so­weit un­zulässig, als er das außer­ge­richt­li­che Re­gu­lie­rungs­ver­hal­ten der Be­klag­ten be­traf. In der BGH-Recht­spre­chung ist an­er­kannt, dass das Rechts­schutz­bedürf­nis für eine Un­ter­las­sungs­klage nicht nur in Fällen fehlt, in de­nen Äußerun­gen in einem ge­richt­li­chen Ver­fah­ren un­ter­sagt wer­den sol­len. Pri­vi­le­giert sind grundsätz­lich auch Äußerun­gen, die der Rechts­ver­fol­gung oder -ver­tei­di­gung in einem behörd­li­chen Ver­fah­ren die­nen oder die im Vor­feld ei­ner ge­richt­li­chen Aus­ein­an­der­set­zung er­fol­gen.

Link­hin­weis:
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