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BGH zum Fristbeginn bei vertraglich vereinbartem Widerrufsrecht

Urteil des BGH vom 22.5.2012 - II ZR 88/11

Ein Wi­der­rufs­recht kann nicht nur von Ge­set­zes we­gen be­ste­hen, son­dern auch im Ver­ein­ba­rungs­wege fest­ge­legt wer­den. Für die An­nahme, dass der Frist­be­ginn auch im Fall ei­nes mögli­cher­weise ver­ein­bar­ten ver­trag­li­chen Wi­der­rufs­rechts von ei­ner den An­for­de­run­gen für ein ge­setz­li­ches Wi­der­rufs­recht genügen­den Be­leh­rung abhängig sein soll, reicht es nicht aus, dass sich der Un­ter­neh­mer bei der For­mu­lie­rung der Wi­der­rufs­be­leh­rung an den Vor­ga­ben des ge­setz­li­chen Wi­der­rufs­rechts ori­en­tiert hat und im Fall des Ein­grei­fens ei­nes ge­setz­li­chen Wi­der­rufs­rechts mit der Be­leh­rung die ge­setz­li­chen An­for­de­run­gen erfüllen wollte.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin war mit Bei­tritts­erklärung vom 1.12..2005 der Be­klag­ten, einem ge­schlos­se­nen Fonds in der Rechts­form ei­ner GbR, bei­ge­tre­ten. Sie erklärte den Bei­tritt auf­grund der Ver­mitt­lung des N. in ih­rer Pri­vat­woh­nung. Es war eine Ein­mal­zah­lung von letzt­lich 6.000 € zuzüglich 5 % Agio so­wie mo­nat­li­che Ra­ten­zah­lung i.H.v. 100 € zuzüglich 5 % Agio über einen Zeit­raum von 30 Jah­ren vor­ge­se­hen. Die Ein­mal­zah­lung und die er­ste Rate wa­ren am 1.3.2006 fällig.

Die Bei­tritts­for­mu­lare ent­hiel­ten von der Kläge­rin un­ter­schrie­bene Wi­der­rufs­be­leh­run­gen. Die Kläge­rin er­brachte die Ein­mal­zah­lung und leis­tete 40 Mo­nats­ra­ten. Im Juni 2009 erklärte sie den Wi­der­ruf ih­rer Be­tei­li­gung. Mit ih­rer Klage ver­langte die Kläge­rin die Fest­stel­lung, dass der Ge­sell­schafts­ver­trag zwi­schen ihr und der Be­klag­ten durch ih­ren Wi­der­ruf be­en­det sei und die Be­klagte aus dem Ge­sell­schafts­ver­trag keine recht­li­chen Ver­pflich­tun­gen mehr her­lei­ten könne.

LG und OLG ga­ben der Klage statt. Das OLG war der An­sicht, es könne da­hin­ge­stellt blei­ben, ob der Bei­tritt in ei­ner sog. Haustürsi­tua­tion er­folgt sei und ob der Kläge­rin des­halb ein ge­setz­li­ches Wi­der­rufs­recht zu­stehe. Schließlich habe die Be­klagte der Kläge­rin ein ver­trag­li­ches Wi­der­rufs­recht ein­geräumt, hin­sicht­lich des­sen die­sel­ben Be­leh­rungs­pflich­ten be­stan­den hätten wie bei einem ge­setz­li­chen Wi­der­rufs­recht. Die Wi­der­rufs­be­leh­rung ent­sprach hier je­doch nicht den ge­setz­li­chen An­for­de­run­gen.

Auf die Re­vi­sion der be­klag­ten hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und wies die Sa­che zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Die An­sicht des Be­ru­fungs­ge­richts, die Kläge­rin habe ihre Be­tei­li­gung an der Be­klag­ten wirk­sam wi­der­ru­fen, war nicht frei von Rechts­feh­lern. Das OLG muss im wei­te­ren Ver­fah­ren klären, ob der Bei­tritt der Kläge­rin in ei­ner sog. Haustürsi­tua­tion er­folgt war.

Nach h.M. in Recht­spre­chung und Schrift­tum kann ein Wi­der­rufs­recht nicht nur von Ge­set­zes we­gen be­ste­hen, son­dern grundsätz­lich auch im Ver­ein­ba­rungs­wege fest­ge­legt wer­den. Da­nach können Ver­trags­part­ner - als Ausprägung der Ver­trags­frei­heit - ein Wi­der­rufs­recht ver­trag­lich ver­ein­ba­ren und für die nähere Aus­ge­stal­tung so­wie die Rechts­fol­gen auf die §§ 355, 357 BGB ver­wei­sen. Die Kläge­rin war - ein ver­trag­lich ein­geräum­tes Wi­der­rufs­recht un­ter­stellt - nach der Wi­der­rufs­be­leh­rung be­rech­tigt, ihre Bei­tritts­erklärung bin­nen zwei Wo­chen zu wi­der­ru­fen. Diese Frist wäre im Juni 2009 längst ab­ge­lau­fen ge­we­sen.

Wird einem Ver­trags­part­ner ver­trag­lich ein Wi­der­rufs­recht ein­geräumt, das ihm nach dem Ge­setz nicht zu­steht, z.B. weil der Ver­trags­schluss außer­halb ei­ner "Haustürsi­tua­tion" er­folgt und es da­her an der vom Ge­setz ty­pi­sier­ten Si­tua­tion ei­nes struk­tu­rel­len Un­gleich­ge­wichts fehlt, kann nicht ohne wei­te­res da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass sich die Ver­trags­part­ner gleich­wohl in ei­ner sol­chen Si­tua­tion be­geg­nen. Sie sind viel­mehr grundsätz­lich als vom Ge­setz gleich­ge­wich­tig ein­ge­schätzte Ver­trags­part­ner an­zu­se­hen. Dann be­stimmt sich der In­halt des Wi­der­rufs­rechts aber auch aus­schließlich durch Aus­le­gung ih­rer ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­rung.

Vor die­sem Hin­ter­grund be­darf es dann, wenn ein Un­ter­neh­mer einem Ver­brau­cher, ohne dazu ge­setz­lich ver­pflich­tet zu sein, ein Wi­der­rufs­recht ein­geräumt hat, kon­kre­ter An­halts­punkte in der ge­trof­fe­nen Ver­ein­ba­rung dafür, dass zwar das Wi­der­rufs­recht als sol­ches von den ge­setz­li­chen Vor­aus­set­zun­gen (z.B. ei­ner Haustürsi­tua­tion) un­abhängig sein soll, gleich­wohl die für die Ausübung des Wi­der­rufs­rechts ver­ein­barte Frist nur dann in Gang ge­setzt wer­den soll, wenn der Un­ter­neh­mer dem An­le­ger zusätz­lich eine Be­leh­rung er­teilt hat, die den An­for­de­run­gen für ein ge­setz­li­ches Wi­der­rufs­recht (hier: §§ 312, 355 BGB i.d.F. des Ge­set­zes zur Mo­der­ni­sie­rung des Schuld­rechts vom 20.11.2001) ent­spricht.

Der­ar­tige An­halts­punkte be­stan­den hier je­doch nicht. Ein vernünf­ti­ger Erklärungs­empfänger der Be­klag­ten konnte den For­mu­lie­run­gen der Wi­der­rufs­be­leh­rung nicht ent­neh­men, dass die Be­klagte sich für den Fall, dass ein ge­setz­li­ches Wi­der­rufs­recht nicht be­steht, ver­pflich­ten wollte, dem An­le­ger ver­trag­lich ein un­be­fris­te­tes Wi­der­rufs­recht ein­zuräumen, wenn die von ihr in der Wi­der­rufs­be­leh­rung ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen des Wi­der­rufs­rechts nicht den vom Ge­setz für ein ge­setz­li­ches Wi­der­rufs­recht auf­ge­stell­ten An­for­de­run­gen genügten. Für die ge­gen­tei­lige Aus­le­gung reichte es nicht aus, dass sich die Be­klagte bei den For­mu­lie­run­gen an den Vor­ga­ben des ge­setz­li­chen Wi­der­rufs­rechts ori­en­tiert hatte.

Link­hin­weis:
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