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BGH zum Darlehensrückzahlungsanspruch eines ausgeschiedenen Gesellschafters im Insolvenzverfahren

Urteil des BGH vom 15.11.2011 - II ZR 6/11

Pro­zess­kos­ten­hilfe ist dem Rechts­mit­telführer nicht zu be­wil­li­gen, wenn die an­ge­foch­tene Ent­schei­dung for­mell kei­nen Be­stand ha­ben kann, das ma­te­ri­elle Er­geb­nis sich nach ei­ner Zurück­ver­wei­sung je­doch vor­aus­sicht­lich nicht ändern wird. Der Dar­le­hensrück­zah­lungs­an­spruch ei­nes aus­ge­schie­de­nen Ge­sell­schaf­ters ist im In­sol­venz­ver­fah­ren al­len­falls dann als nach­ran­gig zu be­han­deln, wenn er im letz­ten Jahr vor dem Eröff­nungs­an­trag oder nach die­sem An­trag aus­ge­schie­den ist.

Der Sach­ver­halt:
Die Rechts­vorgänge­rin der Kläge­rin, die E-AG (im Fol­gen­den: Kläge­rin), war Ge­sell­schaf­te­rin der Schuld­ne­rin, ei­ner GmbH, und gewährte die­ser im Juli 2000 ein Ge­sell­schaf­ter­dar­le­hen i.H.v. 1,5 Mio. DM. Gleich­zei­tig erklärte sie sich be­reit, der Schuld­ne­rin bei er­kenn­ba­rer Not­wen­dig­keit wei­tere 1,5 Mio. DM zur Verfügung zu stel­len. Im Ja­nuar 2002 veräußerte die Kläge­rin ihre Ge­schäfts­an­teile an der Schuld­ne­rin an ihre Mit­ge­sell­schaf­ter, wo­bei sie sich ver­pflich­tete, der Schuld­ne­rin die wei­te­ren Dar­le­hens­mit­tel i.H.v. 766.938 € in­ner­halb von zwei Bank­ar­beits­ta­gen zu zah­len.

Die Kläge­rin und die Er­wer­ber erklärten bzgl. der Dar­le­hens­mit­tel einen bis 31.12.2005 be­fris­te­ten Rangrück­tritt. Das Dar­le­hen sollte in Ra­ten von 0,5 Mio. DM zum 31.12.2003, i.H.v. 1 Mio. DM zum 31.12.2004 und i.H.v. 1,5 Mio. DM zum 31.12.2005 ge­tilgt wer­den; die bei­den ers­ten Ra­ten soll­ten nur fällig wer­den, wenn die wirt­schaft­li­che Si­tua­tion der Ge­sell­schaft eine Til­gung zu­ließ. Spätes­tens zum 31.12.2005 sollte die Kläge­rin die Rück­zah­lung des ge­sam­ten aus­ste­hen­den Be­trags ver­lan­gen können. Mit der Klage ver­langt die Kläge­rin von der Schuld­ne­rin Rück­zah­lung des Dar­le­hens.

Das LG wies die Klage ab, weil das Dar­le­hen ei­gen­ka­pi­ta­ler­set­zend sei. Das OLG wies in der münd­li­chen Ver­hand­lung dar­auf hin, dass die frühere Recht­spre­chung zu den ei­gen­ka­pi­ta­ler­set­zen­den Dar­le­hen auf Altfälle keine An­wen­dung mehr finde, gab den Par­teien Ge­le­gen­heit, zu den "heute auf­ge­wor­fe­nen Rechts­fra­gen" bis 8.11.2010 Stel­lung zu neh­men, und be­stimmte Ter­min zur Verkündung ei­ner Ent­schei­dung auf den 22.11.2010. Am 4.11.2010 wurde über das Vermögen der Schuld­ne­rin das In­sol­venz­ver­fah­ren eröff­net und der Be­klagte zum In­sol­venz­ver­wal­ter be­stellt.

Am 8.11.2010 be­schloss das OLG, dass das Ver­fah­ren un­ter­bro­chen sei, er­hielt den Verkündungs­ter­min aber nach § 249 Abs. 3 ZPO auf­recht. Mit sei­nem am 22.11.2010 verkünde­ten Ur­teil, in dem der Be­klagte als In­sol­venz­ver­wal­ter der Schuld­ne­rin als Par­tei be­zeich­net ist, änderte das OLG das Ur­teil des LG ab und ver­ur­teilte "die Be­klagte" zur Zah­lung von 1,53 Mio. € nebst Zin­sen. Da­ge­gen legte der Be­klagte Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde ein und be­an­tragte in­ner­halb der Begründungs­frist Pro­zess­kos­ten­hilfe. Der BGH lehnte den An­trag auf Pro­zess­kos­ten­hilfe ab.

Die Gründe:
Die be­ab­sich­tigte Rechts­ver­fol­gung hat im End­er­geb­nis keine Aus­sicht auf Er­folg.

Zur Be­wil­li­gung von Pro­zess­kos­ten­hilfe muss die Rechts­ver­fol­gung auch im ma­te­ri­el­len Er­geb­nis Er­folgs­aus­sich­ten ha­ben. Pro­zess­kos­ten­hilfe ist dem Rechts­mit­telführer nicht zu be­wil­li­gen, wenn die an­ge­foch­tene Ent­schei­dung for­mell kei­nen Be­stand ha­ben kann, das ma­te­ri­elle Er­geb­nis sich nach ei­ner Zurück­ver­wei­sung je­doch vor­aus­sicht­lich nicht ändern wird. Der Zweck der Pro­zess­kos­ten­hilfe ge­bie­tet le­dig­lich, den Un­be­mit­tel­ten einem sol­chen Be­mit­tel­ten gleich­zu­stel­len, der seine Pro­zess­aus­sich­ten vernünf­tig abwägt und da­bei auch das Kos­ten­ri­siko berück­sich­tigt. Das gilt auch für die Auf­he­bung ei­nes Ur­teils, das trotz Un­ter­bre­chung des Ver­fah­rens in­folge In­sol­ven­zeröff­nung er­las­sen wurde.

Vor­lie­gend hat die Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde zwar Aus­sicht auf Er­folg, da das am 22.12.2010 verkündete Be­ru­fungs­ur­teil we­gen der nach der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 6.10.2010 ein­ge­tre­te­nen Un­ter­bre­chung durch die Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens am 4.11.2010 nicht hätte er­ge­hen dürfen. Nach § 249 Abs. 3 ZPO wird die Verkündung der auf­grund ei­ner münd­li­chen Ver­hand­lung zu er­las­sen­den Ent­schei­dung durch die nach dem Schluss die­ser münd­li­chen Ver­hand­lung ein­tre­tende Un­ter­bre­chung grundsätz­lich nicht ge­hin­dert. Die Verkündung ist aber un­zulässig, wenn die Un­ter­bre­chung zwar nach dem Schluss ei­ner münd­li­chen Ver­hand­lung, aber vor Ende ei­ner Schrift­satz­frist, die ei­ner Par­tei be­wil­ligt war, ein­ge­tre­ten ist.

Die Rechts­ver­fol­gung hat im ma­te­ri­el­len End­er­geb­nis aber keine Aus­sicht auf Er­folg. Der Kläge­rin stand eine Dar­le­hensrück­zah­lungs­for­de­rung i.H.v. 1,53 Mio. € nebst Zin­sen zu, die nach In­sol­ven­zeröff­nung auch zur Ta­belle fest­zu­stel­len ist, selbst wenn das Dar­le­hen ei­gen­ka­pi­ta­ler­set­zend war. Die For­de­rung der Kläge­rin auf Rück­zah­lung ih­res Dar­le­hens war durch­setz­bar. Nach der Recht­spre­chung des BGH führte ein ei­gen­ka­pi­ta­ler­set­zen­des Dar­le­hen zu ei­ner Sperre für die Durch­setz­bar­keit des Rück­zah­lungs­an­spruchs im Sinn ei­ner Stun­dung. Da die Recht­spre­chungs­re­geln zum Ei­gen­ka­pi­ta­ler­satz mit In­kraft­tre­ten des Mo­MiG am 1.11.2008 auf­ge­ho­ben wur­den (§ 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG), konn­ten die Ge­sell­schaf­ter und erst recht ge­sell­schafts­fremde Dritte wie die Kläge­rin, die keine Ge­sell­schaf­te­rin mehr war, die Rück­zah­lung ih­rer ei­gen­ka­pi­ta­ler­set­zen­den Dar­le­hen ab die­sem Zeit­punkt durch­set­zen.

Die For­de­rung der Kläge­rin ist auch nicht als nach­ran­gig zu be­han­deln, da die Kläge­rin früher als ein Jahr vor dem An­trag auf Eröff­nung des In­sol­venz­ver­fah­rens aus der Schuld­ne­rin aus­ge­schie­den ist. Der Dar­le­hensrück­zah­lungs­an­spruch ei­nes aus­ge­schie­de­nen Ge­sell­schaf­ters ist im In­sol­venz­ver­fah­ren al­len­falls dann als nach­ran­gig zu be­han­deln, wenn er im letz­ten Jahr vor dem Eröff­nungs­an­trag oder nach die­sem An­trag aus­ge­schie­den ist. Die Nach­ran­gig­keit be­ur­teilt sich nach § 39 InsO in der Fas­sung des Mo­MiG, weil das In­sol­venz­ver­fah­ren nach dem 1.11.2008 eröff­net wurde.

Link­hin­weis:
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