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BGH zu unrichtigen Prospektangaben im Rahmen eines Kapitalanlagebetruges

Urteil des BGH vom 8.1.2013 - VI ZR 386/11

Nach all­ge­mei­ner An­sicht stel­len reine Rechts­ausführun­gen ohne Be­haup­tung an­spruchs­begründen­der Umstände im Rah­men des § 263 StGB keine Tat­sa­chen, son­dern Wert­ur­teile dar. Eine Haf­tung we­gen Ka­pi­tal­an­la­ge­be­trugs nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264a Abs. 1 Nr. 1 StGB kann des­halb nicht mit der Begründung be­jaht wer­den, in einem Pro­spekt hätten die sich aus dem ge­schlos­se­nen Ge­winn­abführungs- und Be­herr­schungs­ver­trag er­ge­ben­den Ri­si­ken des Ab­zugs von Li­qui­dität gem. § 308 Abs. 1 S. 2 AktG und der Not­wen­dig­keit des Aus­gleichs des Jah­res­fehl­be­trags gem. § 302 Abs. 1 AktG in verständ­li­cher Weise of­fen­ge­legt wer­den müssen.

Der Sach­ver­halt:
Der Be­klagte war mit sei­ner Firma zu 73 % Mehr­heits­ak­tionär der W-AG und auf der Grund­lage ei­nes Ge­winn­abführungs- und Be­herr­schungs­ver­trags herr­schen­der Un­ter­neh­mer. Auf­grund von Ein­zel­wei­sun­gen des Be­klag­ten im Rah­men des Li­qui­ditätsma­nage­ments für den Kon­zern er­folg­ten hohe Ein­zel­zah­lun­gen von der W-AG an den Be­klag­ten, über des­sen Vermögen die Eröff­nung ei­nes In­sol­venz­ver­fah­rens be­an­tragt wurde.

In den Jah­ren 1999 bis 2006 hatte die W-AG ver­schie­dene In­ha­ber-Teil­schuld­ver­schrei­bun­gen ohne Börsen­zu­las­sung auf­ge­legt. Eine sol­che In­ha­ber-Teil­schuld­ver­schrei­bung mit ei­ner Lauf­zeit von fünf Jah­ren wurde mit einem im Ok­to­ber 2003 veröff­ent­lich­ten Ver­kaufs­pro­spekt "Ein Meis­terstück" be­wor­ben. Der Pro­spekt wies u.a. auf den Ge­winn­abführungs- und Be­herr­schungs­ver­trag mit dem Be­klag­ten als Ein­zel­kauf­mann so­wie auf das Ri­siko ei­nes To­tal­ver­lusts der An­lage im Fall der In­sol­venz der Ge­sell­schaft hin. Die fi­nan­zi­elle Lage des Be­klag­ten bzw. des Kon­zerns wurde im Pro­spekt nicht dar­ge­stellt.

Die Kläger ver­lang­ten von dem Be­klag­ten Er­satz von ins­ge­samt 42.500 € je­weils Zug um Zug ge­gen Über­tra­gung ih­rer Rechte im In­sol­venz­ver­fah­ren über das Vermögen der W-AG. Sie tru­gen vor, im Jahre 2004 auf der Grund­lage des Pro­spekts In­ha­ber-Teil­schuld­ver­schrei­bun­gen der W-AG er­wor­ben und ent­spre­chende Rück­zah­lungs­an­sprüche in der In­sol­venz der W-AG un­ter Her­aus­gabe der Wert­pa­piere an den In­sol­venz­ver­wal­ter an­ge­mel­det zu ha­ben.

Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr statt. Auf die Re­vi­sion der der Be­klag­ten hob der BGH das Be­ru­fungs­ur­teil auf und wies die Sa­che zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Nach den bis­he­ri­gen Fest­stel­lun­gen konnte ein An­spruch der Kläger ge­gen den Be­klag­ten aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht be­jaht wer­den.

Die bis­he­ri­gen Fest­stel­lun­gen recht­fer­tig­ten be­reits nicht die Be­ur­tei­lung, dass der Be­klagte den ob­jek­ti­ven Tat­be­stand des § 264a Abs. 1 StGB erfüllt hatte. Die­ser konnte ge­rade nicht mit der Begründung be­jaht wer­den, in dem Pro­spekt hätten die sich aus dem mit dem Be­klag­ten ge­schlos­se­nen Ge­winn­abführungs- und Be­herr­schungs­ver­trag er­ge­ben­den Ri­si­ken des Ab­zugs von Li­qui­dität gem. § 308 Abs. 1 S. 2 AktG und der Not­wen­dig­keit des Aus­gleichs des Jah­res­fehl­be­trags gem. § 302 Abs. 1 AktG in verständ­li­cher Weise of­fen­ge­legt wer­den müssen.

Die Tat­be­stands­al­ter­na­tive des Ver­schwei­gens nach­tei­li­ger Tat­sa­chen war vor­lie­gend nicht ge­ge­ben, weil es sich bei den nach Auf­fas­sung des OLG ver­schwie­ge­nen Umständen - Be­fug­nis des Be­klag­ten zu für die W-AG nach­tei­li­gen Wei­sun­gen - nicht um Tat­sa­chen i.S.d. § 264a StGB, son­dern um Rechts­fol­gen des im Pro­spekt erwähn­ten Ge­winn­abführungs- und Be­herr­schungs­ver­trags han­delte. Im Rah­men des § 264a StGB gilt un­ein­ge­schränkt der Tat­sa­chen­be­griff des § 263 StGB. Nach all­ge­mei­ner An­sicht stel­len reine Rechts­ausführun­gen ohne Be­haup­tung an­spruchs­begründen­der Umstände im Rah­men des § 263 StGB keine Tat­sa­chen, son­dern Wert­ur­teile dar.

So­weit das OLG außer­dem einen Hin­weis auf die wirt­schaft­li­chen Aus­wir­kun­gen des Ge­winn­abführungs- und Be­herr­schungs­ver­trags da­hin­ge­hend für er­for­der­lich hielt, dass die Rück­zah­lung der An­leihe von der im Pro­spekt nicht dar­ge­leg­ten Fähig­keit des Be­klag­ten zum Ver­lust­aus­gleich abhänge, be­traf dies eben­falls keine Tat­sa­che i.S.d. § 263 StGB. Dass sich der Be­klagte be­reits zum Zeit­punkt der Veröff­ent­li­chung des Ver­kaufs­pro­spekts in Zah­lungs­schwie­rig­kei­ten be­fun­den und des­we­gen die - ge­genwärtige - Er­war­tung der künf­ti­gen Zah­lungsfähig­keit in­frage ge­stan­den hätte, war den Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts nicht zu ent­neh­men.

Eine Haf­tung des Be­klag­ten gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264a Abs. 1 Nr. 1 StGB könnte al­ler­dings in Be­tracht kom­men, wenn in dem Pro­spekt im Hin­blick auf die Er­trags­si­tua­tion und die Fi­nanz­lage der W-AG un­rich­tige vor­teil­hafte An­ga­ben ge­macht oder nach­tei­lige Tat­sa­chen ver­schwie­gen wor­den wären, die im Zu­sam­men­hang mit dem Ge­winn­abführungs- und Be­herr­schungs­ver­trag mit dem Be­klag­ten stan­den.

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