Der Beklagte war mit seiner Firma zu 73 % Mehrheitsaktionär der W-AG und auf der Grundlage eines Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrags herrschender Unternehmer. Aufgrund von Einzelweisungen des Beklagten im Rahmen des Liquiditätsmanagements für den Konzern erfolgten hohe Einzelzahlungen von der W-AG an den Beklagten, über dessen Vermögen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens beantragt wurde.
In den Jahren 1999 bis 2006 hatte die W-AG verschiedene Inhaber-Teilschuldverschreibungen ohne Börsenzulassung aufgelegt. Eine solche Inhaber-Teilschuldverschreibung mit einer Laufzeit von fünf Jahren wurde mit einem im Oktober 2003 veröffentlichten Verkaufsprospekt "Ein Meisterstück" beworben. Der Prospekt wies u.a. auf den Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag mit dem Beklagten als Einzelkaufmann sowie auf das Risiko eines Totalverlusts der Anlage im Fall der Insolvenz der Gesellschaft hin. Die finanzielle Lage des Beklagten bzw. des Konzerns wurde im Prospekt nicht dargestellt.
Die Kläger verlangten von dem Beklagten Ersatz von insgesamt 42.500 € jeweils Zug um Zug gegen Übertragung ihrer Rechte im Insolvenzverfahren über das Vermögen der W-AG. Sie trugen vor, im Jahre 2004 auf der Grundlage des Prospekts Inhaber-Teilschuldverschreibungen der W-AG erworben und entsprechende Rückzahlungsansprüche in der Insolvenz der W-AG unter Herausgabe der Wertpapiere an den Insolvenzverwalter angemeldet zu haben.
Das LG wies die Klage ab; das OLG gab ihr statt. Auf die Revision der der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Nach den bisherigen Feststellungen konnte ein Anspruch der Kläger gegen den Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht bejaht werden.
Die bisherigen Feststellungen rechtfertigten bereits nicht die Beurteilung, dass der Beklagte den objektiven Tatbestand des § 264a Abs. 1 StGB erfüllt hatte. Dieser konnte gerade nicht mit der Begründung bejaht werden, in dem Prospekt hätten die sich aus dem mit dem Beklagten geschlossenen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag ergebenden Risiken des Abzugs von Liquidität gem. § 308 Abs. 1 S. 2 AktG und der Notwendigkeit des Ausgleichs des Jahresfehlbetrags gem. § 302 Abs. 1 AktG in verständlicher Weise offengelegt werden müssen.
Die Tatbestandsalternative des Verschweigens nachteiliger Tatsachen war vorliegend nicht gegeben, weil es sich bei den nach Auffassung des OLG verschwiegenen Umständen - Befugnis des Beklagten zu für die W-AG nachteiligen Weisungen - nicht um Tatsachen i.S.d. § 264a StGB, sondern um Rechtsfolgen des im Prospekt erwähnten Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrags handelte. Im Rahmen des § 264a StGB gilt uneingeschränkt der Tatsachenbegriff des § 263 StGB. Nach allgemeiner Ansicht stellen reine Rechtsausführungen ohne Behauptung anspruchsbegründender Umstände im Rahmen des § 263 StGB keine Tatsachen, sondern Werturteile dar.
Soweit das OLG außerdem einen Hinweis auf die wirtschaftlichen Auswirkungen des Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrags dahingehend für erforderlich hielt, dass die Rückzahlung der Anleihe von der im Prospekt nicht dargelegten Fähigkeit des Beklagten zum Verlustausgleich abhänge, betraf dies ebenfalls keine Tatsache i.S.d. § 263 StGB. Dass sich der Beklagte bereits zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Verkaufsprospekts in Zahlungsschwierigkeiten befunden und deswegen die - gegenwärtige - Erwartung der künftigen Zahlungsfähigkeit infrage gestanden hätte, war den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht zu entnehmen.
Eine Haftung des Beklagten gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 264a Abs. 1 Nr. 1 StGB könnte allerdings in Betracht kommen, wenn in dem Prospekt im Hinblick auf die Ertragssituation und die Finanzlage der W-AG unrichtige vorteilhafte Angaben gemacht oder nachteilige Tatsachen verschwiegen worden wären, die im Zusammenhang mit dem Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag mit dem Beklagten standen.
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