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BGH zu den Voraussetzungen eines Geschäftsherrn-/ Verrichtungsgehilfenverhältnisses zwischen konzernangehörigen Gesellschaften

Urteil des BGH vom 6.11.2012 - VI ZR 174/11

Ob ein Ge­schäfts­herrn-/ Ver­rich­tungs­ge­hil­fen­verhält­nis be­steht, be­ur­teilt sich nach den tatsäch­li­chen Umständen; die Qua­li­fi­ka­tion ei­nes selbständi­gen Un­ter­neh­mens als Ver­rich­tungs­ge­hilfe setzt Abhängig­keit und Wei­sungs­ge­bun­den­heit vor­aus. Daran fehlt es in der Re­gel bei selbständi­gen Un­ter­neh­men, denn die Über­tra­gung von Auf­ga­ben auf ein be­stimm­tes Un­ter­neh­men in­ner­halb ei­nes Kon­zerns dient re­gelmäßig ge­rade dem Zweck, durch die selbständige - nicht wei­sungs­ge­bun­dene - Er­le­di­gung der Auf­gabe an­dere Teile des Kon­zerns zu ent­las­ten.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin, eine Apo­the­ke­rin, macht als Un­ter­mie­te­rin ver­trag­li­che und de­lik­ti­sche Scha­dens­er­satz-, Frei­stel­lungs- und Fest­stel­lungs­an­sprüche für be­haup­tete Vermögens­schäden im Zu­sam­men­hang mit Ver­trags­ver­hand­lun­gen über den Ab­schluss ei­nes Miet­ver­trags gel­tend. Die Be­klagte ist Rechts­nach­fol­ge­rin der D-Bank AG. Diese war Ei­gentüme­rin ei­nes Ein­kaufs­zen­trums. Das ge­samte Ver­mie­tungs­ge­schäft für das Ein­kaufs­zen­trum wurde von der A-GmbH, ei­ner "Kon­zern­schwes­ter" der D-Bank, or­ga­ni­siert und durch­geführt.

Die Kläge­rin über­legte im Jahr 2004, in dem Ein­kaufs­zen­trum eine Apo­theke zu eröff­nen. Sie be­auf­tragte ihre vor­ma­lige Streit­hel­fe­rin, de­ren Rechts­nach­fol­ge­rin in­zwi­schen in­sol­vent ge­wor­den ist, mit Ver­hand­lun­gen über die An­mie­tung von Räumen für eine Apo­theke. Bei den zwi­schen der A-GmbH und der Streit­hel­fe­rin am 26.11.2004 geführ­ten Ver­trags­ver­hand­lun­gen erklärte die für die A-GmbH tätige Cen­ter­ma­na­ge­rin B, dass im Durch­schnitt von ei­ner tägli­chen Be­su­cher­zahl von rd. 28.000 Per­so­nen aus­ge­gan­gen wer­den könne. Mit die­ser Be­su­cher­zahl warb A auch in ih­rem In­ter­net­auf­tritt so­wie in Fly­ern.

Im Fe­bruar 2005 mie­tete die Streit­hel­fe­rin Räume von der D-Bank an, in de­nen die Kläge­rin ihre Apo­theke be­trei­ben sollte. Im Juni 2005 un­ter­zeich­ne­ten die Streit­hel­fe­rin und die Kläge­rin einen Un­ter­miet­ver­trag. Im Juli 2005 be­gann die Kläge­rin mit dem Be­trieb der Apo­theke in dem Ein­kaufs­zen­trum. Ab Sep­tem­ber 2005 be­zahlte sie nicht mehr die volle Miete, weil die Be­su­cher­zahl von täglich 28.000 Per­so­nen nicht er­reicht werde.

Das LG gab der Klage teil­weise statt und ver­ur­teilte die Be­klagte zur Zah­lung von 424.544 €. Das OLG wies die Klage ab. Die Re­vi­sion der Kläge­rin hatte vor dem BGH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Die Re­vi­sion rügt ohne Er­folg, dass das OLG ver­trag­li­che Scha­dens­er­satz­an­sprüche ab­ge­lehnt hat. Ver­trag­li­che Scha­dens­er­satz­an­sprüche der Kläge­rin ge­gen die D-Bank (und da­mit ge­gen die Be­klagte als de­ren Rechts­nach­fol­ge­rin) schei­den aus, weil keine di­rek­ten ver­trag­li­chen Be­zie­hun­gen zwi­schen ih­nen be­stan­den und die Kläge­rin auch nicht in den Schutz­be­reich des Haupt­miet­ver­tra­ges ein­be­zo­gen ist.

Ohne Er­folg rügt die Re­vi­sion auch, dass das OLG eine de­lik­ti­sche Haf­tung gem. § 831 Abs. 1 BGB ab­ge­lehnt hat. Ent­ge­gen der Begründung des OLG folgt dies be­reits dar­aus, dass die A-GmbH nicht als Ver­rich­tungs­ge­hil­fin der D-Bank an­zu­se­hen ist. Maßge­bend für die Ein­ord­nung als Ver­rich­tungs­ge­hilfe sind die fak­ti­schen Verhält­nisse. Ver­rich­tungs­ge­hilfe i.S.v. § 831 BGB ist nur, wer von den Wei­sun­gen sei­nes Ge­schäfts­herrn abhängig ist. Ent­schei­dend ist da­bei, dass die Tätig­keit in ei­ner or­ga­ni­sa­to­ri­sch abhängi­gen Stel­lung vor­ge­nom­men wird. Es genügt, dass der Ge­schäfts­herr die Tätig­keit des Han­deln­den je­der­zeit be­schränken oder ent­zie­hen oder nach Zeit und Um­fang be­stim­men kann.

Der Per­so­nen­kreis, der nach die­sen Grundsätzen "zu ei­ner Ver­rich­tung be­stellt" ist, un­ter­schei­det sich von dem Kreis der Erfüllungs­ge­hil­fen i.S.v. § 278 BGB durch den Man­gel an Selbstständig­keit und Ei­gen­ver­ant­wort­lich­keit. Während selbständige Un­ter­neh­men ohne wei­te­res Erfüllungs­ge­hil­fen sein können, setzt die Qua­li­fi­ka­tion als Ver­rich­tungs­ge­hilfe Abhängig­keit und Wei­sungs­ge­bun­den­heit vor­aus. Daran fehlt es in der Re­gel bei selbständi­gen Un­ter­neh­men, un­abhängig da­von, ob sie mit dem Un­ter­neh­men, für das sie eine be­stimmte Auf­gabe wahr­neh­men, in einem Kon­zern­verhält­nis ste­hen. Die Über­tra­gung von Auf­ga­ben auf ein be­stimm­tes Un­ter­neh­men in­ner­halb ei­nes Kon­zerns dient re­gelmäßig ge­rade dem Zweck, durch die selbständige - nicht wei­sungs­ge­bun­dene - Er­le­di­gung der Auf­gabe an­dere Teile des Kon­zerns zu ent­las­ten.

Der pau­schale Vor­trag der Kläge­rin, dass das ge­samte Ver­mie­tungs­ge­schäft für das Ein­kaufs­zen­trum von der A-GmbH für die Rechts­vorgänge­rin der Be­klag­ten or­ga­ni­siert und durch­geführt wurde, führt im Streit­fall nicht zu ei­ner an­de­ren Wer­tung. Dies mag zwar eine Erfüllungs­ge­hil­fen­ei­gen­schaft der A-GmbH für die D-Bank begründen, die für einen Ver­rich­tungs­ge­hil­fen er­for­der­li­che Abhängig­keit und Wei­sungs­ge­bun­den­heit er­gibt sich dar­aus aber nicht. Die Kläge­rin hat in­so­weit auch keine kon­kre­ten Umstände auf­ge­zeigt, die eine Ab­wei­chung von dem für selbständige Un­ter­neh­men gel­ten­den Grund­satz recht­fer­tig­ten.

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