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BGH: Sanierungen müssen allgemein anerkannten aktuellen Stand der Technik beachten

Urteil des BGH vom 24.5.2013 - V ZR 182/12

Bei Vor­lie­gen gra­vie­ren­der Mängel der Bau­sub­stanz genügt den Grundsätzen ei­ner ord­nungs­gemäßen Ver­wal­tung (§ 21 Abs. 3 WEG) nur eine den all­ge­mein an­er­kann­ten Stand der Tech­nik so­wie die Re­geln der Bau­kunst be­ach­tende Sa­nie­rung. DIN-Nor­men tra­gen die Ver­mu­tung in sich tra­gen, dass sie den Stand der all­ge­mein an­er­kann­ten Re­geln der Tech­nik wie­der­ge­ben, wes­halb sol­che Sa­nie­run­gen grundsätz­lich DIN-ge­recht aus­zuführen sind.

Der Sach­ver­halt:
Die Par­teien bil­den eine Woh­nungs­ei­gentümer­ge­mein­schaft. Die Kläge­rin be­ab­sich­tigte die früher als Tro­cken­bo­den ge­nutzte Ein­heit zu ei­ner Woh­nung aus­zu­bauen. Nach § 21 der Tei­lungs­erklärung ist der je­wei­lige Ei­gentümer ei­ner sol­chen Ein­heit un­ter näher be­zeich­ne­ten Vor­aus­set­zun­gen be­fugt, die sei­ner Be­rech­ti­gung un­ter­lie­gen­den Dach­ge­schoss­be­rei­che auf ei­gene Kos­ten zu Wohn­zwe­cken aus­zu­bauen und die neu ge­schaf­fe­nen Räume von Teil­ei­gen­tum in Woh­nungs­ei­gen­tum um­zu­wan­deln.

Nach einem von der Kläge­rin ein­ge­hol­ten Gut­ach­ten der Sach­verständi­gen S. war die Dach- und De­cken­kon­struk­tion mit "ech­tem Haus­schwamm" und sons­ti­gen holz­zerstören­den Pil­zen be­fal­len. Es wurde eine Sa­nie­rung nach DIN 68800 emp­foh­len. Dem­ge­genüber kam der von der be­klag­ten Woh­nungs­ei­gentümer­ge­mein­schaft be­auf­tragte Sach­verständige M. zu dem Er­geb­nis, es lägen al­len­falls leichte Schäden der De­cken­kon­struk­tion vor. Die von ihm emp­foh­le­nen Sa­nie­rungsmaßnah­men seien fach­lich nicht auf das Not­wen­dige be­schränkt. In­fol­ge­des­sen wurde auf der Ei­gentümer­ver­samm­lung im Sep­tem­ber 2009 eine von der DIN 68800 ab­wei­chende Sa­nie­rung "gemäß den Vor­ga­ben des Sach­verständi­gen M." be­schlos­sen.

AG und LG ga­ben der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage wei­test­ge­hend statt. Auf die Re­vi­sion der Be­klag­ten hob der BGH die Ent­schei­dun­gen auf und wies die Sa­che zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das LG zurück.

Gründe:
Die Frage, ob nur eine Sa­nie­rung nach der DIN 68800 den Grundsätzen ei­ner ord­nungs­gemäßen Ver­wal­tung ent­spricht, ist un­ter Her­an­zie­hung der je­weils ak­tu­el­len Fas­sung der DIN-Norm zu klären. Je­den­falls bei noch vor­zu­neh­men­den Sa­nie­rungs­ar­bei­ten trägt nur die ak­tu­elle Fas­sung die Ver­mu­tung in sich, dass der Stand der all­ge­mein an­er­kann­ten Re­geln der Tech­nik wie­der­ge­ben wird, zu­mal den Grundsätzen ei­ner ord­nungs­gemäßen Ver­wal­tung in al­ler Re­gel nur genügt sein wird, wenn Sa­nie­rungsmaßnah­men den im Zeit­punkt ih­rer Durchführung maßge­ben­den Stan­dards ent­spre­chen.

Da DIN-Nor­men die Ver­mu­tung in sich tra­gen, dass sie den Stand der all­ge­mein an­er­kann­ten Re­geln der Tech­nik wie­der­ge­ben, führte dies im recht­li­chen Aus­gangs­punkt dazu, dass sol­che Sa­nie­run­gen nur dann ord­nungs­gemäßer Ver­wal­tung ent­spre­chen, wenn sie DIN-ge­recht durch­geführt wer­den. Diese Ver­mu­tung kann je­doch entkräftet wer­den. Nur wenn dies ge­lingt, bleibt bei der Ausübung des den Woh­nungs­ei­gentümern (§ 21 Abs. 3 WEG) bzw. dem Rich­ter (§ 21 Abs. 8 WEG) ein­geräum­ten Ge­stal­tungs­er­mes­sens Raum für eine von DIN-Nor­men ab­wei­chende Sa­nie­rung.

DIN-Nor­men sind keine Rechts­nor­men, son­dern pri­vate tech­ni­sche Re­ge­lun­gen mit Emp­feh­lungs­cha­rak­ter, die hin­ter den an­er­kann­ten Re­geln der Tech­nik zurück­blei­ben können, weil tech­ni­sche Ent­wick­lung und wis­sen­schaft­li­che Er­kennt­nis in einem ständi­gen Wan­del be­grif­fen sind. Von da­her liegt es in der Na­tur der Sa­che, dass in DIN-Nor­men emp­foh­lene Maßnah­men zur Schädlings­bekämp­fung nicht mehr die an­er­kann­ten Re­geln der Tech­nik be­schrei­ben, wenn auf­grund neuer Er­kennt­nisse an­dere - ge­eig­ne­ter er­schei­nende - Me­tho­den an de­ren Stelle tre­ten, was zur Ver­teue­rung, aber auch zur Ver­bil­li­gung von Sa­nie­run­gen führen kann. Ob es sich so verhält, kann zu­verlässig nur durch Ein­ho­lung ei­nes Sach­verständi­gen­gut­ach­tens geklärt wer­den.

So lag der Fall auch hier. Die Re­vi­sion ver­wies dar­auf, dass die Be­klag­ten im Hin­blick auf neuere - für den Sa­nie­rungs­auf­wand ent­schei­dende - bio­lo­gi­sche Er­kennt­nisse über Holz­schädlinge be­strit­ten, dass die DIN 68800 (noch) die "all­ge­mein an­er­kann­ten Kon­struk­ti­ons­grundsätze" wie­der­gab, und dies un­ter Sach­verständi­gen­be­weis ge­stellt wurde. Zwar kann ein Ge­richt von der an sich er­for­der­li­chen Ein­ho­lung ei­nes Sach­verständi­gen­gut­ach­tens bei Vor­lie­gen ei­ge­ner Sach­kunde ab­se­hen. Das setzt je­doch vor­aus, dass die Sach­kunde des Ge­richts den Par­teien vor der Ent­schei­dung be­kannt ge­macht und zu­dem im Ur­teil im Ein­zel­nen dar­ge­legt wurde. Daran fehlte es hier al­ler­dings. Ebenso ver­hielt es sich, so­weit das Be­ru­fungs­ge­richt seine Erwägun­gen auf ge­richts­be­kannte Tat­sa­chen stützte. So­mit konn­ten die Be­ru­fungs­ur­teile kei­nen Be­stand ha­ben.

Link­hin­weis:
  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BGH veröff­ent­licht.
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