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BGH: Kfz-Haftpflichtversicherer können bei absoluter Fahruntüchtigkeit die Leistung vollständig versagen

Urteil des BGH vom 11.1.2012 - IV ZR 251/10

Ver­si­che­run­gen können bei grob fahrlässi­ger Ver­let­zung ei­ner ver­trag­li­chen Ob­lie­gen­heit durch den Ver­si­che­rungs­neh­mer in Aus­nah­mefällen die Leis­tung vollständig ver­sa­gen (hier: Kürzung auf null bei ab­so­lu­ter Fahr­untüch­tig­keit). Dazu be­darf es al­ler­dings stets ei­ner Abwägung der Umstände des Ein­zel­fal­les.

Der Sach­ver­halt:
Der Be­klagte war ge­gen 17.15 Uhr mit sei­nem PKW ge­ra­de­aus in eine Grundstücks­mauer ge­fah­ren. Eine ihm um 18.27 Uhr ent­nom­mene Blut­probe er­gab eine mitt­lere Blut­al­ko­hol­kon­zen­tra­tion von 2,10 Pro­mille. Die kla­gende Kfz-Haft­pflicht­ver­si­che­rung ver­langte vom Be­klag­ten anläss­lich der Trun­ken­heits­fahrt im Zu­stand ab­so­lu­ter Fahr­untüch­tig­keit Er­stat­tung des von ihr re­gu­lier­ten Ge­samt­scha­dens i.H.v. 4.657 €. Dem Ver­si­che­rungs­verhält­nis la­gen die AKB 2008 zu­grunde.

Der Be­klagte er­kannte al­ler­dings nur einen Teil­be­trag von 1.877 € an. Ihm könne keine vorsätz­li­che Trun­ken­heits­fahrt nach­ge­wie­sen wer­den und er habe we­gen des Aus­schlus­ses ei­ner Leis­tungskürzung auf null bei § 28 Abs. 2 S. 2 VVG für den Scha­den nur zur Hälfte ein­zu­ste­hen. Wei­ter­hin sei die Be­stim­mung über die Leis­tungskürzung bei Ver­let­zung von Ob­lie­gen­hei­ten in D.3.1 AKB 2008 in­trans­pa­rent.

Das AG gab der Klage im vollen Um­fang statt. Be­ru­fung und Re­vi­sion des Be­klag­ten blie­ben er­folg­los.

Die Gründe:
Das Ver­hal­ten des Be­klag­ten hat aus­nahms­weise eine Leis­tungskürzung auf null ge­recht­fer­tigt.

Für § 81 Abs. 2 VVG ist die Frage der Möglich­keit ei­ner Leis­tungskürzung auf null in Aus­nah­mefällen durch be­reits geklärt (BGH-Urt. v. 22.6.2011, Az.: IV ZR 225/10). Dem­nach steht die dort ge­re­gelte Rechts­folge, wo­nach der Ver­si­che­rer be­rech­tigt ist, "seine Leis­tung in einem der Schwere des Ver­schul­dens des Ver­si­che­rungs­neh­mers ent­spre­chen­den Verhält­nis zu kürzen", ei­ner vollständi­gen Ver­sa­gung der Leis­tung in Aus­nah­mefällen nicht ent­ge­gen. Es be­darf da­bei stets ei­ner Abwägung der Umstände des Ein­zel­fal­les. Auch der mit der Ab­schaf­fung des Al­les-oder-Nichts-Prin­zips ver­folgte Ge­set­zes­zweck führt nicht zur Un­zulässig­keit der vollständi­gen Leis­tungs­frei­heit. Dies gilt ins­be­son­dere in den Fällen, in de­nen sich der Schwe­re­grad der gro­ben Fahrlässig­keit dem Vor­satz annähert.

Diese Grundsätze tref­fen ebenso auf die Re­ge­lung des § 28 Abs. 2 VVG zu. Denn hin­sicht­lich der Rechts­folge wei­sen beide Vor­schrif­ten einen iden­ti­schen Wort­laut auf. Sie tei­len die­selbe Ent­ste­hungs­ge­schichte. In­so­fern war das Be­ru­fungs­ge­richt bei sei­ner Abwägung al­ler Umstände des kon­kre­ten Falls auch be­an­stan­dungs­frei zu ei­ner Leis­tungskürzung auf null ge­langt. Es hatte ins­be­son­dere zu­tref­fend zu­grunde ge­legt, dass der Be­klagte deut­lich über der Grenze der dafür maßgeb­li­chen Grenze von 1,1 Pro­mille ab­so­lut fahr­untüch­tig war und das Führen in einem al­ko­hol-be­dingt fahr­untüch­ti­gen Zu­stand zu den schwers­ten Ver­kehrs­verstößen über­haupt zählt.

Letzt­lich war auch der Ein­wand des Be­klag­ten, die ver­trag­li­che Re­ge­lung über die Leis­tungskürzung bei Ver­let­zung von Ob­lie­gen­hei­ten in D.3.1 AKB 2008 sei we­gen feh­len­der Trans­pa­renz gem. § 307 Abs. 1 BGB un­wirk­sam, un­er­heb­lich. Denn die­ser Be­stim­mung, die sich im Kern le­dig­lich dem Ge­set­zes­wort­laut an­schließt, kann der durch­schnitt­li­che Ver­si­che­rungs­neh­mer ent­neh­men, dass eine Leis­tungskürzung auf null in Fällen gro­ber Fahrlässig­keit nicht aus­ge­schlos­sen ist.

Link­hin­weis:
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