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BGH: Habilitationsverfahren verlängert nicht die Dauer des Anspruches auf Betreuungsunterhalt

Urteil des BGH vom 8.8.2012 - XII ZR 97/10

Die Be­las­tung des be­treu­en­den El­tern­teils durch be­ruf­li­che Aus­bil­dungs-, Fort­bil­dungs- oder Qua­li­fi­zie­rungsmaßnah­men (hier: Ha­bi­li­ta­ti­ons­ver­fah­ren) stellt kei­nen el­tern­be­zo­ge­nen Grund i.S.v. § 1570 Abs. 2 BGB hin­sicht­lich der Verlänge­rung des Be­treu­ungs­un­ter­halts dar. Maßge­bend können sol­che Umstände viel­mehr für die Frage ei­ner an­ge­mes­se­nen Er­werbstätig­keit oder für die Gewährung von Aus­bil­dungs­un­ter­halt sein.

Der Sach­ver­halt:
Die Par­teien hat­ten 1997 ge­hei­ra­tet und sind mitt­ler­weile ge­schie­den. Aus der Ehe ist eine zum Kla­ge­zeit­punkt (No­vem­ber 2008) zehnjährige Toch­ter her­vor­ge­gan­gen. Das Kind hat sei­nen Le­bens­mit­tel­punkt im Haus­halt der be­klag­ten Mut­ter. Diese ist pro­mo­vierte Kunst­his­to­ri­ke­rin und ar­bei­tete bis Fe­bruar 2010 halb­schich­tig als An­ge­stellte an der Uni­ver­sität. Seit­dem war sie ar­beits­los. Be­reits vor der Ehe hatte die Be­klagte da­mit be­gon­nen, sich zu ha­bi­li­tie­ren. Die Ha­bi­li­ta­ti­ons­schrift hat sie im Juni 2010 vor­ge­legt.

Das OLG hatte den kla­gen­den Ex-Ehe­mann im Juni 2007 u.a. dazu ver­ur­teilt, an die Be­klagte vom Juni 2007 bis Ende 2013 Be­treu­ungs­un­ter­halt i.H.v. mo­nat­lich 1.173 €, ein­schließlich ei­nes Auf­sto­ckungs­un­ter­hal­tes i.H.v. mo­nat­lich 1.383 € bis Ende 2011 zu zah­len. Da­bei wurde ein zeit­weise fik­ti­ves Er­werbs­ein­kom­men der Be­klag­ten aus ei­ner halb­schich­ti­gen Tätig­keit nach Ab­zug ei­nes Er­werbstäti­gen­bo­nus so­wie Zins­einkünfte an­ge­rech­net, so dass ein of­fe­ner Be­darf von rund 2.556 € ver­blieb.

Mit sei­ner Klage er­strebte der Kläger den Weg­fall der Un­ter­halts­pflicht für die Zeit ab Ja­nuar 2008. Er ver­trat die Auf­fas­sung, im Hin­blick auf die zu die­sem Zeit­punkt in Kraft ge­tre­te­nen Ände­run­gen des Un­ter­halts­rechts nicht mehr zu Leis­tun­gen an die Be­klagte ver­pflich­tet zu sein.

AG und OLG wie­sen die Klage ab. Auf die Re­vi­sion des Klägers hob der BGH die Ent­schei­dung hin­sicht­lich des Zeit­raums ab 13.11.2008 auf und wies die Sa­che in­so­weit zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das OLG zurück.

Die Gründe:
So­weit die Be­treu­ung des Kin­des si­cher­ge­stellt ist oder die­ses im Hin­blick auf seine Ent­wick­lung zeit­weise sich selbst über­las­sen wer­den kann, verlängert sich der Un­ter­halts­an­spruch, wenn dies un­ter Berück­sich­ti­gung der Ge­stal­tung von Kin­des­be­treu­ung und Er­werbstätig­keit in der Ehe so­wie der Dauer der Ehe der Bil­lig­keit ent­spricht. In­so­weit können ei­ner Er­werbs­ob­lie­gen­heit des be­treu­en­den El­tern­teils el­tern­be­zo­gene Gründe ent­ge­gen­ste­hen. Die­sen Vor­ga­ben trug die an­ge­foch­tene Ent­schei­dung al­ler­dings nicht in je­der Hin­sicht Rech­nung.

So­weit das Be­ru­fungs­ge­richt an­ge­nom­men hatte, eine Verlänge­rung des Be­treu­ungs­un­ter­halts ent­spre­che aus el­tern­be­zo­ge­nen Gründen der Bil­lig­keit, be­geg­nete dies durch­grei­fen­den recht­li­chen Be­den­ken. Die hierfür an­geführte zusätz­li­che Be­las­tung der Be­klag­ten durch das Ha­bi­li­ta­ti­ons­ver­fah­ren stellte in die­sem Zu­sam­men­hang kei­nen Grund dar, der eine längere Dauer des Be­treu­ungs­un­ter­halts recht­fer­tigte. Nach dem Wort­laut des Ge­set­zes muss es sich um Umstände han­deln, die un­ter Berück­sich­ti­gung der Ge­stal­tung von Kin­der­er­zie­hung und Er­werbstätig­keit in der Ehe von Be­deu­tung sind. Die Be­klagte hat von ei­ner wei­ter­ge­hen­den Er­werbstätig­keit aber nicht al­lein im In­ter­esse des Kin­des ab­ge­se­hen, son­dern auch um ihre Ha­bi­li­ta­ti­ons­schrift fer­tig stel­len zu können.

Der zeit­li­che Auf­wand und der Ein­satz, die sie in­so­weit von ei­ner Er­werbstätig­keit ha­ben ab­se­hen las­sen, dien­ten ih­ren ei­ge­nen be­ruf­li­chen In­ter­es­sen und nicht den­je­ni­gen des Kin­des. In­fol­ge­des­sen stel­len Aus­bil­dungs-, Fort­bil­dungs- oder Qua­li­fi­zie­rungsmaßnah­men kei­nen el­tern­be­zo­ge­nen Grund i.S.d. § 1570 Abs. 2 BGB dar. Maßge­bend können sol­che Umstände viel­mehr für die Frage ei­ner an­ge­mes­se­nen Er­werbstätig­keit i.S.v. § 1574 BGB oder für die Gewährung von Aus­bil­dungs­un­ter­halt nach § 1575 BGB sein. Im Zu­sam­men­hang mit ei­ner Verlänge­rung des Be­treu­ungs­un­ter­halts kommt hier auch dem Ge­sichts­punkt ei­ner über­ob­li­ga­ti­onsmäßigen Be­las­tung keine Be­deu­tung zu.

Link­hin­weis:
  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BGH veröff­ent­licht.
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