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BGH: Dem Zeichen "Kaleido" fehlt für die Ware "Spielzeug" nicht jegliche Unterscheidungskraft i.S.v. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG

Beschluss des BGH vom 22.11.2012 - I ZB 72/11

All­ge­meine sprach­wis­sen­schaft­li­che Er­kennt­nisse, die da­von aus­ge­hen, dass als Abkürzung er­kannte Be­griffe in einem vom Zu­sam­men­hang vor­ge­ge­be­nen Sinn as­so­zia­tiv ergänzt wer­den, können nicht ohne wei­te­res für die als Rechts­frage zu be­ant­wor­tende Be­ur­tei­lung der Un­ter­schei­dungs­kraft her­an­ge­zo­ge­nen wer­den. Viel­mehr sind in ers­ter Li­nie die Umstände der kon­kret zu be­ur­tei­len­den Be­zeich­nung und die Kenn­zei­chen­ge­wohn­hei­ten der maßge­ben­den Bran­che zu berück­sich­ti­gen.

Der Sach­ver­halt:
Für die Mar­ken­in­ha­be­rin ist seit Fe­bruar 2007 die Wort­marke Ka­leido für die Wa­ren und Dienst­leis­tun­gen der Klasse 16
Lehr- und Un­ter­richts­mit­tel (aus­ge­nom­men Ap­pa­rate);
Klasse 28
Spiele, Spiel­zeug;
Klasse 35
Be­stel­lan­nahme, Lie­fer­auf­trags­ser­vice und Rech­nungs­ab­wick­lung, auch im Rah­men von e-com­merce ein­ge­tra­gen.

Die An­trag­stel­le­rin be­an­tragte beim Deut­schen Pa­tent- und Mar­ken­amt (DPMA) die Löschung der Marke. Diese sei nicht un­ter­schei­dungskräftig und frei­hal­te­bedürf­tig, weil die Be­zeich­nung "Ka­leido" eine übli­che Abkürzung der Sach­be­zeich­nung "Ka­lei­do­skop" sei.

Das DPMA wies den Löschungs­an­trag zurück. Das BPatG hob den Be­schluss des DPMA auf, so­weit der Löschungs­an­trag für die Ware der Klasse 28 "Spiel­zeug" zurück­ge­wie­sen wurde. In­so­weit wies es das DPMA an, die Löschung der an­ge­grif­fe­nen Marke an­zu­ord­nen. Auf die Rechts­be­schwerde der Mar­ken­in­ha­be­rin hob der BGH den Be­schluss auf und ver­wies die Sa­che zur an­der­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das BPatG zurück.

Die Gründe:
Die Be­ur­tei­lung des BPatG, das an­ge­mel­dete Wort "Ka­leido" sei für die Ware "Spiel­zeug" nicht un­ter­schei­dungskräftig, hält der recht­li­chen Nachprüfung nicht stand.

Ent­ge­gen der An­nahme des BPatG wird der durch die Be­zeich­nung von Spiel­zeug an­ge­spro­chene nor­mal in­for­mierte, an­ge­mes­sen auf­merk­same und verständige Durch­schnitts­ver­brau­cher die Be­zeich­nung "Ka­leido" nicht stets als verkürzte Be­schrei­bung der Ware "Ka­lei­do­skop" ver­ste­hen. Das BPatG hat nicht fest­ge­stellt, dass die Be­zeich­nung "Ka­leido" eine gebräuch­li­che Be­zeich­nung oder Wer­be­aus­sage der deut­schen oder ei­ner im In­land be­kann­ten Fremd­spra­che ist. Die An­nahme ei­ner im In­land gebräuch­li­chen Abkürzung lässt sich auch nicht dar­auf stützen, dass der fast gleich­lau­tende und fast gleich ge­schrie­bene eng­lisch­spra­chige Be­griff "ka­lei­do­scope" mit "ka­leido" ab­gekürzt wird.

Auch die An­nahme des BPatG, die Be­zeich­nung "Ka­leido" werde im deut­schen Sprach­raum tatsäch­lich als Abkürzung für Ka­lei­do­skope oder de­ren spe­zi­fi­sche Ei­gen­schaf­ten be­nutzt, wird von den dazu ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen nicht ge­tra­gen. Durch­grei­fen­den recht­li­chen Be­den­ken be­geg­net auch die An­nahme des BPatG, bei "Ka­leido" han­dele es sich um eine Ab­wand­lung von "Ka­lei­do­skop", die zwar als sol­che wahr­ge­nom­men werde, aber als ge­ringfügig an­zu­se­hen sei. Der Ver­kehr werde die an­ge­grif­fene Be­zeich­nung ohne wei­te­res als An­gabe für "Ka­lei­do­skop" er­ken­nen, weil sich "Ka­leido" in der deut­schen Sprache stets nur auf "Ka­lei­do­skop" be­zie­hen könne.

Das BPatG hat an­ge­nom­men, seine Be­ur­tei­lung werde auch durch die Er­kennt­nisse der Lin­gu­is­tik im Rah­men der so­ge­nann­ten "As­so­zia­ti­ons­theo­rie" oder "Pro­to­ty­pen­theo­rie" gestützt, wo­nach der Wahr­neh­mungs- und Verständ­nis­hori­zont der Hören­den und Se­hen­den bei Feh­len ei­nes Wor­tes, aber auch bei Feh­len von Wort­tei­len dar­auf aus­ge­rich­tet sei, das Wort in der Weise zu ergänzen, wie es sehr häufig in der All­ge­mein­spra­che vor­komme und in Be­zug auf den im Kon­text vor­ge­ge­be­nen Sinn hier in Be­zug auf die Ware "Spiel­zeug" be­kannt sei. Auch diese Ausführun­gen hal­ten den An­grif­fen der Rechts­be­schwerde nicht stand.

Sprach­wis­sen­schaft­li­che Er­kennt­nisse, die auf der An­nahme ei­ner as­so­zia­ti­ven Ergänzung von als Abkürzung er­kann­ten Be­grif­fen in einem vom Kon­text vor­ge­ge­be­nen Sinn be­ru­hen, können nicht ohne wei­te­res für die als Rechts­frage zu be­ant­wor­tende Be­ur­tei­lung der Un­ter­schei­dungs­kraft her­an­ge­zo­ge­nen wer­den. Wie dar­ge­legt, ist für die Ver­nei­nung der Un­ter­schei­dungs­kraft ein im Vor­der­grund ste­hen­der be­schrei­ben­der Be­griff­sin­halt er­for­der­lich. Hin­sicht­lich der Un­ter­schei­dungs­kraft sind viel­mehr die Umstände der kon­kret zu be­ur­tei­len­den Be­zeich­nung und die Kenn­zei­chen­ge­wohn­hei­ten der maßge­ben­den Bran­che in den Blick zu neh­men.

Link­hin­weis:
  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
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