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BGH: Allein aus § 286 ZPO lässt sich kein Besichtigungsanspruch des beweisbelasteten Klägers herleiten

Beschluss des BGH vom 18.12.2012 - X ZR 7/12

In Pa­tent­ver­let­zungs­pro­zes­sen lässt sich al­lein aus § 286 ZPO nicht die Pflicht des Ge­richts her­lei­ten, die Be­gut­ach­tung ei­nes Ge­gen­stan­des an­zu­ord­nen, der sich in der Verfügungs­ge­walt der nicht be­weis­be­las­te­ten Par­tei oder ei­nes Drit­ten be­fin­det. Das Ge­richt ist al­len­falls dann ver­pflich­tet, gem. § 142 ZPO die Vor­lage ei­ner Ur­kunde durch die nicht be­weis­be­las­tete Par­tei an­zu­ord­nen, wenn die Vor­aus­set­zun­gen für einen ent­spre­chen­den An­spruch des Geg­ners aus § 140c PatG erfüllt sind.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist nach ih­rem Vor­brin­gen In­ha­be­rin ei­nes aus­schließli­chen Nut­zungs­rechts an dem Kla­ge­pa­tent, das ein Ver­fah­ren zur Her­stel­lung ei­nes dop­pel­wan­di­gen Roh­res aus ther­mo­plas­ti­schem Ma­te­rial, das eine ge­wellte Außen­wand, eine glatte In­nen­wand und eine Rohr­muffe auf­weist, be­inhal­tet. Die Be­klagte pro­du­ziert und ver­treibt Kunst­stoff­rohre mit an­ge­form­ter Rohr­muffe. Die Kläge­rin machte gel­tend, dass die Be­klagte diese Kunst­stoff­rohre nach dem im Kla­ge­pa­tent ge­schütz­ten Ver­fah­ren her­stelle.

Das LG wies die Klage auf Un­ter­las­sung, Aus­kunft, Rech­nungs­le­gung und Fest­stel­lung der Scha­dens­er­satz­pflicht ab. Auch die Be­ru­fung, mit der die Kläge­rin zusätz­lich zu ih­rem erst­in­stanz­li­chen Be­geh­ren einen An­spruch auf Be­sich­ti­gung in An­we­sen­heit ih­res Präsi­den­ten, hilfs­weise in An­we­sen­heit ih­rer zur Ge­heim­hal­tung ver­pflich­te­ten rechts- und pa­ten­tan­walt­li­chen Ver­tre­ter, und auf Her­aus­gabe ei­nes auf­grund der Be­sich­ti­gung zu er­stel­len­den Sach­verständi­gen­gut­ach­tens gel­tend ge­macht hatte, blieb er­folg­los. Das Glei­che galt für die Nicht­zu­las­sungs­be­schwerde vor dem BGH.

Die Gründe:
Al­lein aus § 286 ZPO u. Art. 103 Abs. 1 GG ließ sich eine Pflicht zur An­ord­nung wei­te­rer Un­ter­su­chun­gen durch den ge­richt­li­chen Sach­verständi­gen nicht her­lei­ten.

§ 286 ZPO rich­tet sich al­lein an das Ge­richt und sta­tu­iert keine Pflich­ten für die Par­teien oder für nicht am Rechts­streit be­tei­ligte Dritte. Ein re­vi­si­ons­recht­lich re­le­van­ter Ver­fah­rens­feh­ler, der je­den­falls bei Über­ge­hen ent­spre­chen­der Be­weis­anträge der Kläge­rin zu­gleich als Ver­stoß ge­gen Art. 103 Abs. 1 GG an­ge­se­hen wer­den könnte, könnte des­halb nur dann vor­lie­gen, wenn das Be­ru­fungs­ge­richt ge­hal­ten ge­we­sen wäre, von den in §§ 142 ff. ZPO vor­ge­se­he­nen be­son­de­ren Be­fug­nis­sen Ge­brauch zu ma­chen. In­fol­ge­des­sen kam hier die An­ord­nung ei­ner zusätz­li­chen Un­ter­su­chung der an­ge­grif­fe­nen An­lage nach § 144 Abs. 1 S. 1 ZPO und eine auf § 144 Abs. 1 S. 3 ZPO gestützte Ver­pflich­tung der Be­klag­ten zur Dul­dung die­ser Maßnahme in Be­tracht.

Zwar hatte sich das Be­ru­fungs­ge­richt nicht ausdrück­lich mit § 144 ZPO be­fasst. Al­ler­dings hatte es sich rechts­feh­ler­frei mit den Vor­aus­set­zun­gen ei­nes Be­sich­ti­gungs­an­spruchs nach § 140c PatG aus­ein­an­der­ge­setzt, für den im We­sent­li­chen die­sel­ben Kri­te­rien maßgeb­lich sind. Die neue Rechts­lage nach In­kraft­tre­ten des § 140c PatG weicht ma­te­ri­ell we­der zu Las­ten des Schutz­rechts­in­ha­bers noch des mutmaßli­chen Ver­let­zers vom früheren Rechts­zu­stand nach Ab­lauf der Frist für die Um­set­zung der Richt­li­nie 2004/48/EG (Durch­set­zungs­richt­li­nie) ab. Dar­aus er­gibt sich, dass das Ge­richt nicht zur An­ord­nung ei­ner Ur­kun­den­vor­lage nach § 142 ZPO ver­pflich­tet ist, wenn die Vor­aus­set­zun­gen für einen An­spruch aus § 140c PatG nicht ge­ge­ben sind. Für die An­ord­nung ei­ner Be­gut­ach­tung gem. § 144 ZPO kann nichts an­de­res gel­ten.

Das Be­ru­fungs­ge­richt hatte einen Be­sich­ti­gungs­an­spruch der Kläge­rin gem. § 140c PatG mit der Begründung ver­neint, die Kläge­rin habe keine Anknüpfungs­tat­sa­chen vor­ge­tra­gen, die eine ge­wisse Wahr­schein­lich­keit für eine Ver­let­zung des Kla­ge­pa­tents begründe­ten. Hierzu hatte es auf seine Ausführun­gen zur Würdi­gung der er­ho­be­nen Be­weise, ins­be­son­dere des ein­ge­hol­ten Sach­verständi­gen­gut­ach­tens Be­zug ge­nom­men. Da­mit wurde ein Maßstab zu­grunde ge­legt, der mit der BGH-Recht­spre­chung grundsätz­lich übe­rein­stimmt.

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