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BFH zur zeitlichen Einschränkung eines Kindergeldantrags

Urteil des BFH vom 9.2.2012 - III R 45/10

Ein zeit­lich nicht be­schränk­ter Kin­der­geld­an­trag ist zwar nach sei­nem ob­jek­ti­ven In­halt in der Re­gel da­hin zu ver­ste­hen, dass die Fest­set­zung von Kin­der­geld für den längstmögli­chen Zeit­raum so­mit auch für die Zeit vor der An­trag­stel­lung be­gehrt wird. Den­noch kann ein sol­cher An­trag auf­grund sei­nes ob­jek­ti­ven Erklärungs­in­halts da­hin aus­zu­le­gen sein, dass die Fest­set­zung ab dem Mo­nat be­an­tragt wird, in dem erst­mals die für nicht freizügig­keits­be­rech­tigte Ausländer er­for­der­li­chen ausländer­recht­li­chen Vor­aus­set­zun­gen vor­lie­gen.

Der Sach­ver­halt:
Der aus Viet­nam stam­mende Kläger war seit No­vem­ber 1997 im Be­sitz ei­ner un­be­fris­te­ten Auf­ent­halts­er­laub­nis. Un­ter Ver­wen­dung des amt­li­chen Vor­drucks, in dem keine Ein­tra­gun­gen für eine zeit­li­che Ein­schränkung vor­ge­se­hen sind, be­an­tragte er dar­auf­hin die Fest­set­zung von Kin­der­geld für seine bei­den Kin­der. Dem An­trag war eine Ko­pie der kurz zu­vor er­teil­ten Auf­ent­halts­er­laub­nis bei­gefügt (§ 15 AuslG 1990). Die be­klagte Fa­mi­li­en­kasse zahlte das Kin­der­geld auf­grund ei­ner Kas­sen­an­ord­nung von Ja­nuar 1998 ab No­vem­ber 1997 aus. Einen ausdrück­li­chen Fest­set­zungs­be­scheid er­ließ sie nicht.

Im Juli 2008 be­an­tragte der Kläger un­ter Hin­weis auf den Be­schluss des BVerfG vom 6.7.2004 (1 BvL 4/97) die Fest­set­zung von Kin­der­geld für den Zeit­raum Sep­tem­ber 1993 bis No­vem­ber 1997. Das BVerfG hatte ent­schie­den, dass die Re­ge­lung der Kin­der­geld­be­rech­ti­gung nicht freizügig­keits­be­rech­tig­ter Ausländer in § 1 Abs. 3 des Bun­des­kin­der­geld­ge­set­zes i.d.F. des Ers­ten Ge­set­zes zur Um­set­zung des Spar-, Kon­so­li­die­rungs- und Wachs­tums­pro­gramms vom 21.12.1993, der mit der früheren ein­kom­men­steu­er­recht­li­chen Re­ge­lung der Kin­der­geld­be­rech­ti­gung von Ausländern na­hezu wort­gleich war, ver­fas­sungs­wid­rig sei.

Der Kläger ist der An­sicht, nach der gem. § 52 Abs. 61a EStG rück­wir­kend an­zu­wen­den­den Neu­re­ge­lung des § 62 Abs. 2 EStG habe er auch für Zeiträume vor No­vem­ber 1997 einen An­spruch auf Kin­der­geld. Die Fa­mi­li­en­kasse lehnte eine nachträgli­che Fest­set­zung ab, da nach ih­rer An­sicht Fest­set­zungs­verjährung ein­ge­tre­ten war. Mit sei­ner Klage be­gehrt der Kläger Kin­der­geld für den Zeit­raum Mai bis Ok­to­ber 1997.

Das FG wies die Klage ab. Die Re­vi­sion des Klägers hatte vor dem BFH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Der An­spruch auf Kin­der­geld war be­reits verjährt, als der Kläger im Juli 2008 die Aus­zah­lung für den Zeit­raum Mai bis Ok­to­ber 1997 be­gehrte.

Die Fest­set­zungs­frist für Steu­er­vergütun­gen beträgt vier Jahre (§ 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO) und war im Juli 2008, als der Kläger das Kin­der­geld für die Mo­nate vor No­vem­ber 1997 be­gehrte, be­reits ab­ge­lau­fen. Der Ab­lauf der Verjährungs­frist wurde nicht nach § 171 Abs. 3 AO durch den im No­vem­ber 1997 ge­stell­ten Kin­der­geld­an­trag ge­hemmt. Die­ser An­trag war ent­ge­gen der Rechts­an­sicht des Klägers und des FG nicht da­hin zu ver­ste­hen, dass der Kläger auch für ver­gan­gene Zeiträume Kin­der­geld be­gehrte.

Ein zeit­lich nicht be­schränk­ter An­trag ist zwar nach sei­nem ob­jek­ti­ven In­halt in der Re­gel da­hin zu ver­ste­hen, dass die Fest­set­zung von Kin­der­geld für den längstmögli­chen Zeit­raum und so­mit auch für die Zeit vor der An­trag­stel­lung be­gehrt wird. Ein Be­scheid, durch den ein zeit­lich nicht ein­ge­schränk­ter An­trag auf Kin­der­geld be­standskräftig ab­ge­lehnt wird, er­fasst dem­nach nicht nur den Mo­nat der An­trag­stel­lung und die dar­auf­fol­gende Zeit bis zum Mo­nat der Be­kannt­gabe der Ab­leh­nungs­ent­schei­dung oder ggf. der dazu er­gan­ge­nen Ein­spruchs­ent­schei­dung, son­dern auch den Zeit­raum vor der An­trag­stel­lung.

Un­ge­ach­tet des­sen kann im Ein­zel­fall die Aus­le­gung ei­nes Kin­der­geld­an­trags hin­sicht­lich des Zeit­raums, für den Kin­der­geld be­gehrt wird, er­for­der­lich sein. Das FG hat im Streit­fall eine Aus­le­gungs­bedürf­tig­keit des im No­vem­ber 1997 ge­stell­ten Kin­der­geld­an­trags still­schwei­gend ver­neint, weil die­ser nicht ausdrück­lich zeit­lich be­schränkt war. Eine Aus­le­gung des An­trags durfte je­doch nicht un­ter­blei­ben. Vor­lie­gend konnte der Kin­der­geld­an­trag nach sei­nem ein­deu­ti­gen Erklärungs­in­halt nur da­hin ver­stan­den wer­den, dass der Kläger die Fest­set­zung ab dem Mo­nat be­gehrte, in dem er erst­mals die ausländer­recht­li­chen Vor­aus­set­zun­gen erfüllte, die nach der im Jahr 1997 gel­ten­den Fas­sung des § 62 Abs. 2 S. 1 EStG vor­lie­gen muss­ten.

Hier­nach hatte ein nicht freizügig­keits­be­rech­tig­ter Ausländer nur dann einen An­spruch auf Kin­der­geld, wenn er im Be­sitz ei­ner Auf­ent­halts­be­rech­ti­gung oder Auf­ent­halts­er­laub­nis war. Der Kläger hatte sei­nem Kin­der­geld­an­trag eine Ko­pie der erst kurz zu­vor er­teil­ten Auf­ent­halts­er­laub­nis bei­gefügt. Da­mit wollte er of­fen­sicht­lich ge­genüber der Fa­mi­li­en­kasse zum Aus­druck brin­gen, dass nun­mehr die ausländer­recht­li­chen Vor­aus­set­zun­gen für eine Kin­der­geld­be­rech­ti­gung erfüllt wa­ren. Die Fa­mi­li­en­kasse hatte kei­nen An­halts­punkt dafür, den Kin­der­geld­an­trag, auch wenn er keine ausdrück­li­che zeit­li­che Ein­schränkung ent­hielt, da­hin aus­zu­le­gen, dass auch für die Zeit vor No­vem­ber 1997 Kin­der­geld be­gehrt wer­den sollte.

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