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BFH zur Verfassungsmäßigkeit der sog. Zinsschranke nach § 8a Abs. 2 Alternative 3 KStG 2002 n.F.

Beschluss des BFH vom 13.3.2012 - I B 111/11

Es be­ste­hen ver­fas­sungs­recht­li­che Zwei­fel, so­weit durch die Rück­aus­nahme der sog. Zins­schranke nicht nur Um­ge­hungs­ge­stal­tun­gen er­fasst wer­den, bei de­nen die Ge­fahr ei­ner Ver­la­ge­rung von Steu­er­sub­strat be­steht, son­dern auch Zins­auf­wen­dun­gen für übli­che, le­dig­lich durch Bürg­schaf­ten ge­si­cherte Bank­dar­le­hen. In­so­weit könnte es an der aus­rei­chend ziel­ge­nauen For­mu­lie­rung der Re­ge­lung als Miss­brauchs­ty­pi­sie­rung feh­len.

Der Sach­ver­halt:
Die An­trag­stel­le­rin ist eine AG, die in den Streit­jah­ren 2008 bis 2010 Ei­gentüme­rin von fünf Im­mo­bi­li­en­ob­jek­ten war, de­ren Er­werb sie zum über­wie­gen­den Teil fremd­fi­nan­zierte. Die Fi­nan­zie­rung er­folgte im We­sent­li­chen durch Bank­kre­dite. Es han­delte sich um größten­teils lang­fris­tige und ob­jekt­be­zo­gene Fi­nan­zie­run­gen, die erst nach der Fer­tig­stel­lung der Ob­jekte und ih­rer planmäßigen Nut­zung lang­fris­tig aus den Mietüber­schüssen zurück­geführt wer­den soll­ten.

Die An­trag­stel­le­rin war kein ver­bun­de­nes Un­ter­neh­men i.S.d. § 271 Abs. 2 HGB. Sie wurde ins­be­son­dere nicht in den Kon­zern­ab­schluss ei­nes ih­rer Ak­tionäre ein­be­zo­gen. Um die hohe Fremd­fi­nan­zie­rung zu er­rei­chen, verbürg­ten sich zu­dem ein Ak­tionär so­wie ein mit­tel­ba­rer Ge­sell­schaf­ter.

Das Fi­nanz­amt ließ die von der An­trag­stel­le­rin ge­zahl­ten Schuld­zin­sen un­ter Hin­weis auf die sog. Zins­schranke nur teil­weise als Be­triebs­aus­ga­ben der je­wei­li­gen Streit­jahre zum Ab­zug zu. Die al­lein da­durch ein­ge­tre­tene Steu­er­be­las­tung be­trug über 1,1 Mio. €. Die Par­teien wa­ren sich darüber ei­nig, dass in den Streit­jah­ren die Re­ge­lun­gen der § 8a Abs. 1 KStG i.V.m. § 4h EStG bei der Be­steue­rung der An­trag­stel­le­rin zur An­wen­dung kom­men sollte. In der Fol­ge­zeit stritt sie über die Aus­set­zung bzw. Auf­he­bung der Voll­zie­hung von Be­schei­den we­gen ver­fas­sungs­recht­li­cher Zwei­fel an der Rechtmäßig­keit der sog. Zins­schranke.

Das FG lehnte eine Aus­set­zung der Voll­zie­hung (AdV) ab. Auf die Be­schwerde der An­trag­stel­le­rin hob der BFH den Be­schluss auf und gab dem An­trag auf Gewährung vorläufi­gen Rechts­schut­zes über­wie­gend statt.

Die Gründe:
Bei der im Ver­fah­ren auf AdV ge­bo­te­nen sum­ma­ri­schen Prüfung der Sach- und Rechts­lage war ernst­lich zwei­fel­haft, ob es rechtmäßig war, dass das Fi­nanz­amt die von der An­trag­stel­le­rin ge­zahl­ten Schuld­zin­sen un­ter Hin­weis auf die sog. Zins­schranke nur teil­weise als Be­triebs­aus­ga­ben der je­wei­li­gen Streit­jahre zum Ab­zug zu­ge­las­sen hatte.

Die Zins­schranke ver­hin­dert den vollständi­gen Ab­zug be­trieb­li­cher Zins­auf­wen­dun­gen, um kon­zern­in­ter­nen Fremd­ka­pi­tal­fi­nan­zie­run­gen mit dem Ziel der Ge­winn­ver­la­ge­rung ins Aus­land zu be­geg­nen. Von die­sem Ziel aus­ge­hend gilt sie kon­se­quen­ter­weise grundsätz­lich nicht, wenn der Be­trieb nicht oder nur an­teilsmäßig zu einem Kon­zern gehört (sog. Stand-alone-Klau­sel). Diese Aus­nahme von der Re­gel traf zwar auch auf die An­trag­stel­le­rin für ihre hier fremd­fi­nan­zier­ten Im­mo­bi­li­en­ob­jekte zu. Es gibt aber für sol­che Fälle eine Rück­aus­nahme:

Weil es sich um eine AG han­delte, wäre die Zins­schranke nur dann un­an­wend­bar ge­we­sen, wenn die Bank, die die Zins­zah­lun­gen er­hielt, nicht i.H.v. mehr als 10 % des Zins­sal­dos auf einen zu mehr als 25 % un­mit­tel­bar oder mit­tel­bar an der AG Be­tei­lig­ten hätte Rück­griff neh­men können; dies war aber auf­grund von Bürg­schaf­ten ei­nes Ak­tionärs und ei­nes mit­tel­ba­ren Ge­sell­schaf­ters der Fall.

Den­noch war dem An­trag über­wie­gend statt­zu­ge­ben. Hierfür mus­ste auch nicht auf die viel dis­ku­tierte Frage ei­ner Ver­fas­sungs­wid­rig­keit der Zins­schranke im All­ge­mei­nen ein­ge­hen. Es genügten ver­fas­sungs­recht­li­che Zwei­fel an der für Körper­schaf­ten gel­ten­den Rück­aus­nahme von der Stand-alone-Klau­sel. Sol­che Zwei­fel wa­ren an­zu­neh­men, so­weit durch die Rück­aus­nahme nicht nur Um­ge­hungs­ge­stal­tun­gen er­fasst wer­den, bei de­nen die Ge­fahr ei­ner Ver­la­ge­rung von Steu­er­sub­strat be­steht, son­dern auch Zins­auf­wen­dun­gen für übli­che, le­dig­lich durch Bürg­schaf­ten ge­si­cherte Bank­dar­le­hen. In­so­weit könnte es nämlich an der aus­rei­chend ziel­ge­nauen For­mu­lie­rung der Re­ge­lung als Miss­brauchs­ty­pi­sie­rung feh­len.

Der Auf­fas­sung des erst­in­stanz­li­chen Fi­nanz­ge­richts, das den An­trag schon we­gen ei­nes über­wie­gen­den öff­ent­li­chen In­ter­es­ses an ei­ner ge­ord­ne­ten Haus­haltsführung ab­ge­lehnt hatte, konnte nicht ge­folgt wer­den. Die al­lein durch die Zins­schranke ein­tre­tende Steu­er­be­las­tung von über 1,1 Mio. € begründete nämlich auch ohne kon­krete Exis­tenz­gefähr­dung ein Aus­set­zungs­in­ter­esse der An­trag­stel­le­rin, das das öff­ent­li­che In­ter­esse an ei­ner ge­ord­ne­ten Haus­haltsführung über­wog.

Link­hin­weis:
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