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BFH zur Teilverjährung festzustellender Besteuerungsgrundlagen

Urteil des BFH vom 20.11.2012 - IX R 30/12

Der Ab­lauf der Frist zur Fest­stel­lung von pri­va­ten Veräußerungs­ver­lus­ten wird nicht durch § 10d Abs. 4 S. 6, 1. Halbs. i.V.m. § 23 Abs. 3 S. 8 EStG ge­hemmt, so­weit die Fest­set­zungs­frist für den Ver­an­la­gungs­zeit­raum zwar we­gen Hin­ter­zie­hung der auf Einkünfte aus Ka­pi­tal­vermögen ent­fal­len­den Ein­kom­men­steuer verlängert ist, die fest­zu­stel­len­den Be­steue­rungs­grund­la­gen (Ver­luste aus pri­va­ten Veräußerungs­ge­schäften) die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Steu­er­hin­ter­zie­hung aber nicht erfüllen (Prin­zip der Teil­verjährung).

Der Sach­ver­halt:
Die Kläger sind Ehe­leute, die im Streit­jahr (2002) auf der Grund­lage ih­rer im Mai 2003 ein­ge­reich­ten Ein­kom­men­steu­er­erklärung zu­letzt mit Be­scheid vom Au­gust 2006 zur Ein­kom­men­steuer zu­sam­men ver­an­lagt wur­den. Im Rah­men ei­ner straf­be­frei­en­den Selbst­an­zeige erklärte der Kläger im Jahr 2010 bis­lang nicht erklärte Einkünfte aus Ka­pi­tal­vermögen und pri­va­ten Veräußerungs­ge­schäften für die Jahre 1999 bis 2008 nach. Auf das Streit­jahr ent­fie­len Einkünfte aus Ka­pi­tal­vermögen i.H.v. rd. 13.500 € und ne­ga­tive Einkünfte aus pri­va­ten Veräußerungs­ge­schäften von rd. 30.000 €.

Im geänder­ten Ein­kom­men­steu­er­be­scheid für das Streit­jahr vom Sep­tem­ber 2010 berück­sich­tigte das Fi­nanz­amt die Einkünfte aus Ka­pi­tal­vermögen, die Ver­luste aus pri­va­ten Veräußerungs­ge­schäften man­gels Ver­re­chen­bar­keit mit eben­sol­chen Ge­win­nen aber nicht. Mit Schrei­ben vom Ok­to­ber 2010 be­an­trag­ten die Kläger, auf den 31.12.2002 einen ver­blei­ben­den Ver­lust­vor­trag hin­sicht­lich der Einkünfte aus pri­va­ten Veräußerungs­ge­schäften von 30.000 € fest­zu­stel­len. Dies lehnte das Fi­nanz­amt mit Be­scheid vom No­vem­ber 2010 we­gen ein­ge­tre­te­ner Verjährung ab.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Auf die Re­vi­sion des Fi­nanz­amts hob der BFH das Ur­teil auf und wies die Klage ab.

Die Gründe:
Das FG hat das Fi­nanz­amt un­zu­tref­fend dazu ver­pflich­tet, ver­blei­bende Ver­luste aus pri­va­ten Veräußerungs­ge­schäften des Klägers i.H.v. 30.000 € fest­zu­stel­len. Ein der­ar­ti­ger An­spruch aus dem Steu­er­schuld­verhält­nis (§ 23 Abs. 3 S. 9 EStG) ist durch Verjährung (§§ 169 bis 171 AO) er­lo­schen, § 47 AO. Die Fest­stel­lungs­frist wäre ohne Berück­sich­ti­gung des § 10d Abs. 4 S. 6, 1. Halbs. EStG am 31.12.2009 ab­ge­lau­fen. Die Be­tei­lig­ten strei­ten nur darüber, ob die be­son­dere Ab­lauf­hem­mung des § 10d Abs. 4 S. 6, 1. Halbs. EStG ein­greift. In­des ist auch die Fest­set­zungs­frist für den Ver­an­la­gungs­zeit­raum des Streit­jah­res ab­ge­lau­fen, so dass die Vor­aus­set­zun­gen der be­son­de­ren Ab­lauf­hem­mung nicht vor­lie­gen.

Die Fest­set­zungs­frist verlängert sich nicht auf zehn Jahre. § 169 Abs. 2 S. 2 AO ist nicht an­wend­bar. Nach die­ser Vor­schrift beträgt die Fest­set­zungs­frist zehn Jahre, so­weit eine Steuer hin­ter­zo­gen wor­den ist. Hin­ter­zo­gen wurde im Streit­fall nur die Ein­kom­men­steuer, die auf Einkünfte aus Ka­pi­tal­vermögen entfällt. Aus dem Ge­setz folgt um­ge­kehrt: So­weit die Steuer nicht hin­ter­zo­gen ist, bleibt es bei der re­gulären Fest­set­zungs­frist. Da­mit kommt in Be­zug auf die Einkünfte aus pri­va­ten Veräußerungs­ge­schäften die nicht durch § 169 Abs. 2 S. 2 AO verlängerte vierjährige Fest­set­zungs­frist des § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO zum Zuge. Die­ser aus dem Ge­setz ab­ge­lei­tete Grund­satz der Teil­verjährung er­gibt sich schon aus dem Wort­laut des § 169 Abs. 2 S. 2 AO und der dort ver­wen­de­ten re­strik­ti­ven Kon­junk­tion "so­weit". Eine un­ter­schied­li­che Verjährung ein­zel­ner Teil­beträge des­sel­ben Steu­er­an­spruchs ist da­nach möglich.

Ent­ge­gen dem FG lässt sich da­mit eine ent­spre­chende Ein­schränkung aus § 10d Abs. 4 S. 6 EStG ent­neh­men, in­dem diese Vor­schrift mit der "Fest­set­zungs­frist für den Ver­an­la­gungs­zeit­raum" auf die §§ 169 ff. AO ver­weist, an die dort ge­re­gel­ten Tat­bestände anknüpft und ins­bes. die Teil­verjährung des § 169 Abs. 2 S. 2 AO in sich auf­nimmt. Verlängert sich die Fest­set­zungs­frist nur für Steu­ern, so­weit sie hin­ter­zo­gen wur­den, wird auch der Ab­lauf der Fest­stel­lungs­frist dann nicht ge­hemmt, so­weit es um die Fest­stel­lung von Be­steue­rungs­grund­la­gen geht, wel­che die Vor­aus­set­zun­gen ei­ner Steu­er­hin­ter­zie­hung nicht erfüllen. Da­mit ist auch die sys­te­ma­ti­sche Ar­gu­men­ta­tion des Klägers hinfällig: Wenn das Ge­setz auf die ge­sam­ten in § 169 AO ent­hal­te­nen Re­ge­lun­gen ver­weist, so auch auf die in § 169 Abs. 2 S. 2 AO ent­hal­te­nen Re­strik­tio­nen.

Das be­deu­tet vor­lie­gend, dass die Fest­set­zungs­frist nach § 169 Abs. 2 S. 2 AO le­dig­lich in Be­zug auf die Ein­kom­men­steuer noch nicht ab­ge­lau­fen ist, die auf die Einkünfte aus Ka­pi­tal­vermögen entfällt. In­fol­ge­des­sen ist i.Ü. Fest­set­zungs­verjährung ein­ge­tre­ten (nämlich schon mit Ab­lauf des Jah­res 2007), mit der wei­te­ren Folge, dass die be­son­dere Ab­lauf­hem­mung für die Fest­stel­lungs­frist gem. § 23 Abs. 3 S. 9 i.V.m. § 10d Abs. 4 S. 6 EStG nicht ein­greift und die Fest­stel­lungs­frist am 31.12.2009 ab­ge­lau­fen war. Da die Vor­ent­schei­dung die­sen Maßstäben nicht ent­spricht, war sie auf­zu­he­ben. Die Klage war ab­zu­wei­sen. Da die re­guläre Fest­stel­lungs­frist un­strei­tig Ende 2009 ab­lief, war Fest­stel­lungs­verjährung ein­ge­tre­ten und eine ge­son­derte Fest­stel­lung der Ver­luste aus pri­va­ten Veräußerungs­ge­schäften des Streit­jah­res darf nicht mehr er­ge­hen.

Link­hin­weis:
  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf den Web­sei­ten des BFH veröff­ent­licht.
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