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BFH zur Steuerfreiheit von Behindertenfahrdiensten (Umsatzsteuer)

Urteil des BFH vom 15.9.2011 - V R 16/11

Die Leis­tun­gen des Mit­glieds ei­nes Wohl­fahrt­ver­ban­des kom­men dem begüns­tig­ten Per­so­nen­kreis auch dann un­mit­tel­bar i.S.v. § 4 Nr. 18b UStG zu­gute, wenn es Fahr­dienst­leis­tun­gen ohne Zwi­schen­schal­tung Drit­ter an Men­schen mit Be­hin­de­rung er­bringt und da­bei auf­grund ei­nes mit ei­ner an­de­ren Per­son ab­ge­schlos­se­nen Ver­tra­ges tätig wird. Für die Steu­er­frei­heit kommt es da­bei nicht auf die Zweck­be­triebs­vor­aus­set­zun­gen des § 66 AO an.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger ist ein ein­ge­tra­ge­ner Ver­ein, der als Mit­glied im Deut­schen Pa­ritäti­schen Wohl­fahrts­ver­band-Ge­samt­ver­band e.V. bei der Kin­der-, Ju­gend-, Fa­mi­lien-, Al­ten-, Be­hin­der­ten- und Ge­sund­heits­hilfe tätig ist. Er be­trieb in den Streit­jah­ren 1998 bis 2001 einen Fahr­dienst. Auf­grund von Verträgen mit ge­meinnützi­gen Körper­schaf­ten, dem Amt für Kin­der­ta­gesstätten, dem Ju­gend­amt und dem Schul­amt beförderte der Kläger Men­schen mit Be­hin­de­run­gen zu den ent­spre­chen­den Ein­rich­tun­gen. Da­bei setzte er über­wie­gend roll­stuhl­ge­rechte Fahr­zeuge ein. Die Fahrgäste wur­den durch Zi­vil­dienst­leis­tende oder eh­ren­amt­li­che Mit­glie­der be­glei­tet.

Darüber hin­aus führte der Kläger Fahr­ten für das So­zi­al­amt, das Ar­beits­amt oder für Al­ten­heim­be­woh­ner durch. Die meis­ten Fahr­ten ent­fie­len da­bei auf Per­so­nen, die hilfs­bedürf­tig und nach der Sat­zung des Klägers begüns­tigt wa­ren.

Das Fi­nanz­amt ord­nete die Umsätze des Klägers mit den Fahr­diens­ten einem wirt­schaft­li­chen Ge­schäfts­be­trieb zu, der kein Zweck­be­trieb sei, als Fahr­ten für Men­schen mit Be­hin­de­run­gen ohne Spe­zi­al­fahr­zeuge oder ohne Be­gleit­per­so­nal durch­geführt wur­den. § 4 Nr. 18b UStG setze hin­ge­gen im Hin­blick auf die Steu­er­frei­heit vor­aus, dass die Leis­tun­gen tatsäch­lich der freien Wohl­fahrts­pflege dien­ten.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Die Re­vi­sion des Fi­nanz­am­tes blieb vor dem BFH er­folg­los.

Die Gründe:
Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Fi­nanz­am­tes lag die gem. § 4 Nr. 18b UStG er­for­der­li­che Un­mit­tel­bar­keit vor, wes­halb die Leis­tun­gen des Klägers steu­er­frei wa­ren.

Die Leis­tun­gen des Mit­glieds ei­nes Wohl­fahrt­ver­ban­des kom­men dem begüns­tig­ten Per­so­nen­kreis auch dann un­mit­tel­bar i.S.v. § 4 Nr. 18b UStG zu­gute, wenn es Fahr­dienst­leis­tun­gen ohne Zwi­schen­schal­tung Drit­ter an Men­schen mit Be­hin­de­rung er­bringt und da­bei auf­grund ei­nes mit ei­ner an­de­ren Per­son ab­ge­schlos­se­nen Ver­tra­ges tätig wird. Das Merk­mal der Un­mit­tel­bar­keit i.S.d. Vor­schrift ist nach BFH-Recht­spre­chung leis­tungs­be­zo­gen aus­zu­le­gen. In­fol­ge­des­sen muss die Leis­tung dem nach der Sat­zung begüns­tig­ten Per­so­nen­kreis selbst un­mit­tel­bar und nicht nur mit­tel­bar zu­gute kom­men. So­mit liegt etwa keine steu­er­freie Leis­tung vor, wenn ein un­ter § 4 Nr. 18 S. 1a UStG fal­len­der Un­ter­neh­mer in sei­ner Kran­ken­hauswäsche­rei Wäsche für ein frem­des Kran­ken­haus wäscht. Als un­schädlich gilt al­ler­dings die Auf­nahme von Per­so­nen in ein Ob­dach­lo­sen­heim, wenn die Per­so­nen durch das So­zi­al­amt zu­ge­wie­sen wer­den.

Das FG ging da­von aus, dass es für das un­mit­tel­bare Zu­gu­te­kom­men nicht dar­auf an­komme, wer Ver­trags­part­ner sei. Ent­schei­dend sei, dass der Kläger durch seine Hilfs­per­so­nen die Fahr­dienst­leis­tun­gen ohne Zwi­schen­schal­tung Drit­ter - tatsäch­lich - an die Men­schen mit Be­hin­de­rung selbst er­bracht habe. Dies ent­spricht durch­aus der Recht­spre­chung des Se­nats.

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Fi­nanz­am­tes kam es auch nicht dar­auf an, ob die Zweck­be­triebs­vor­aus­set­zun­gen nach § 66 AO vor­la­gen. Schließlich wird das Merk­mal der Un­mit­tel­bar­keit durch die je­wei­li­gen Leis­tungs­be­zie­hun­gen be­stimmt, so dass Erwägun­gen des Ge­meinnützig­keits­rechts der AO zur Aus­le­gung des § 4 Nr. 18 UStG in­so­weit nicht her­an­zu­zie­hen sind. So­weit sich aus Ab­schnitt 103 Abs. 12 der Um­satz­steuer-Richt­li­nien 1996/2000 (jetzt Ab­schn. 4.18.1 Abs. 12 des Um­satz­steuer-An­wen­dungs­er­las­ses) Ab­wei­chen­des er­ge­ben sollte, schließt sich der Se­nat dem nicht an.

Link­hin­weis:
  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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