Die Klägerin ist eine GbR, die eine Zahnarztpraxis betreibt. Im vorliegenden Fall ging es materiell-rechtlich um den Abzug von Schuldzinsen und Rechnungsabschlusskosten im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte des Streitjahrs 2002. Im Rahmen einer Außenprüfung gelangte die Betriebsprüferin zu der Auffassung, dass verschiedene Finanzkonten nicht aus betrieblichen Gründen eingerichtet worden waren und die im Zusammenhang damit verbuchten Schuldzinsen und Rechnungsabschlusskosten keine Betriebsausgaben darstellten.
Daraufhin erließ das Finanzamt einen auf § 164 Abs. 2 AO i.V.m. § 129 AO gestützten Änderungsbescheid für das Streitjahr, mit dem die Einkünfte aus selbständiger Arbeit entsprechend höher festgestellt wurden, obwohl der ursprüngliche Bescheid keinen Nachprüfungsvorbehalt enthielt. Die Klägerin bestritt die rechtliche Möglichkeit einer Änderung der Einkünftefeststellung. Das FG gab der Klage statt. Auf die Revision des Finanzamtes hob der BFH die Entscheidung auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
Die Gründe:
Ein Steuerbescheid, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist, kann aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen jederzeit geändert werden, solange der Vorbehalt wirksam ist. Dieser ist eine Nebenbestimmung i.S.v. § 120 AO, die mit dem Bescheid ergeht, mithin Teil des Bescheids wird. Entscheidend ist der bekanntgegebene Inhalt des Bescheids.
Weist der dem Steuerpflichtigen bekanntgegebene Steuerbescheid den Vorbehalt der Nachprüfung versehentlich nicht aus, kann der Bescheid nach ständiger BFH-Rechtsprechung in diesem Punkt wegen einer offenbaren Unrichtigkeit nach § 129 AO korrigiert werden, wenn die unterbliebene Aufnahme des Vorbehalts in dem Steuerbescheid auf einem mechanischen Fehler - ähnlich den im Gesetz ausdrücklich aufgeführten Schreib- und Rechenfehlern - beruht. Der § 129 AO erfasst somit die Fälle, in denen der bekanntgegebene Inhalt des Verwaltungsakts aus Versehen vom offensichtlich gewollten materiellen Regelungsinhalt abweicht und die Möglichkeit eines Tatsachen- oder Rechtsirrtums, eines Denkfehlers oder unvollständiger Sachverhaltsaufklärung in Bezug auf den Fehler ausgeschlossen werden kann.
Offenbar ist eine Unrichtigkeit dann, wenn der Fehler bei Offenlegung des Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und eindeutig als Unrichtigkeit erkennbar ist. Ob ein mechanisches Versehen vorlag, ist folglich anhand der objektiv gegebenen und erkennbaren Umstände zu beurteilen, d.h. insbesondere - aber nicht nur - unter Einbeziehung des gesamten Inhalts der Steuerakten. Darauf, ob der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit anhand des Bescheids und der ihm vorliegenden Unterlagen erkennen konnte, kommt es nicht an. Ist hinsichtlich der versehentlich unterbliebenen Anordnung des Nachprüfungsvorbehalts eine offenbare Unrichtigkeit zu bejahen, muss das Finanzamt den betroffenen Bescheid nicht zunächst nach § 129 AO berichtigen, um ihn anschließend nach § 164 Abs. 2 AO ändern zu können; vielmehr kann in einem derartigen Fall eine unmittelbare Änderung nach § 164 Abs. 2 AO erfolgen.
Da die angefochtene Entscheidung des FG nicht diesen Maßstäben entsprach, war sie aufzuheben. Ausgehend von seiner Rechtsauffassung hat das FG nicht festgestellt, wer die Eintragungen im Veranlagungsspiegel vorgenommen hatte und ob dies "beim Erlass" des betreffenden Bescheids geschehen war. Es hat in diesem Zusammenhang auch keine Feststellungen dazu getroffen, ob diese Eintragungen bei Eingabe der Daten für den Feststellungsbescheid automatisch (programmgesteuert) erfolgen, was prima facie gegen die Möglichkeit einer Abweichung des bekanntgegebenen Bescheids vom Inhalt des Veranlagungsspiegels sprechen würde, oder ob die Eintragungen im Veranlagungsspiegel im Streitfall (noch) persönlich vorgenommen worden waren. Bei den verbleibenden Ungewissheiten muss das FG klären, ob der Vermerk auf dem der Feststellungserklärung angehefteten Notizzettel bei Erlass des ursprünglichen Bescheids oder aber erst danach gefertigt wurde.
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