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BFH: Tarifbegünstigung kommt auch bei Rechtsberatungsverträgen in Betracht

Urteil des BFH vom 10.7.2012 - VIII R 48/09

Die Recht­spre­chung hat § 24 Nr. 1a EStG bei den Einkünf­ten aus nicht­selbständi­ger Ar­beit stets sehr großzügig ge­hand­habt. In Fällen, in de­nen ein Rechts­an­walt seine Leis­tung trotz Bei­be­hal­tung der recht­li­chen Selbständig­keit auf­grund ei­nes Be­ra­tungs­ver­trags im We­sent­li­chen wie ein Ar­beit­neh­mer schul­det, kommt des­halb im Zu­sam­men­hang mit die­sem Ver­trag eine Ent­schädi­gung i.S.v. § 24 Nr. 1a EStG bei ihm nach den Grundsätzen in Be­tracht, die für Ar­beit­neh­mer gel­ten.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger war als Rechts­an­walt und No­tar selbständig tätig. 1979 hatte er mit ei­ner GmbH einen Rechts­be­ra­tungs­ver­trag ab­ge­schlos­sen und sich darin ver­pflich­tete, un­ter Bei­be­hal­tung sei­ner Selbständig­keit als Rechts­an­walt und No­tar die lau­fende Rechts­be­ra­tung der Ge­sell­schaft zu über­neh­men. Im Ge­gen­zug ver­pflich­tete sich die GmbH, an den Kläger mo­nat­lich 5.000 DM zu zah­len und sagte ihm eine be­trieb­li­che Al­ters­ver­sor­gung wie einem Ge­schäftsführer zu. Im De­zem­ber 1994 schlos­sen beide Sei­ten einen neuen Rechts­be­ra­tungs­ver­trag un­ter ähn­li­chen Be­din­gun­gen. Der neue Ver­trag hatte eine feste Lauf­zeit bis Ende 2008.

Im Au­gust 1996 kündigte die GmbH den Be­ra­tungs­ver­trag mit so­for­ti­ger Wir­kung. Dem wi­der­sprach der Kläger. Vor dem OLG ei­nigte man sich schließlich ver­gleichs­weise auf die Auf­he­bung des Ver­trags zum Ende des Mo­nats Au­gust 1996. Die GmbH ver­pflich­tete sich, an den Kläger ein­ma­lig eine Ent­schädi­gung i.H.v. 1,7 Mio. DM zu zah­len. Die Ru­he­ge­halts­zu­sage sollte ab Ja­nuar 2012 mo­nat­lich 9.000 DM be­tra­gen. Die GmbH zahlte den Ver­gleichs­be­trag noch im Jahr 1998 aus.

Im Ein­kom­men­steu­er­be­scheid für 1998 gewährte das Fi­nanz­amt zunächst die Ta­rif­begüns­ti­gung. Später hob die Steu­er­behörde den Vor­be­halt der Nachprüfung al­ler­dings auf. Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Auf die Re­vi­sion des Klägers hob der BFH das Ur­teil auf und wies die Sa­che zur er­neu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das FG zurück.

Die Gründe:
Das FG hatte zu Un­recht die An­wen­dung der Ta­rif­begüns­ti­gung ver­sagt.

Die Recht­spre­chung hat § 24 Nr. 1a EStG bei den Einkünf­ten aus nicht­selbständi­ger Ar­beit stets sehr großzügig ge­hand­habt. Bei Ar­beit­neh­mern wird die Vor­schrift be­reits dann an­ge­wen­det, wenn die Zah­lung un­mit­tel­bar durch den Ver­lust von steu­er­ba­ren Ein­nah­men be­dingt (ver­an­lasst) und dazu be­stimmt ist, die­sen Ver­lust aus­zu­glei­chen. Sie muss außer­dem (funk­tio­nal) auf ei­ner neuen Rechts- oder Bil­lig­keits­grund­lage be­ru­hen. Nicht (mehr) er­for­der­lich ist, dass der Ar­beit­neh­mer seine Tätig­keit vollständig ein­stellt. Es wird auch nicht vor­aus­ge­setzt, dass die Ent­schädi­gung für den vollständi­gen Ver­lust der ein­zi­gen Ein­kunfts­quelle ge­leis­tet wird. Viel­mehr ist ein "be­son­de­res Er­eig­nis" schon dann an­zu­neh­men, wenn die Be­en­di­gung oder Ände­rung des Ver­trags vom Ar­beit­ge­ber aus­geht oder wenn der Ar­beit­neh­mer beim Ab­schluss ei­ner Auf­he­bungs- oder Ände­rungs­ver­ein­ba­rung un­ter einem nicht un­er­heb­li­chen Druck ge­han­delt hat.

Nach die­sen Maßstäben käme im Streit­fall eine Ent­schädi­gung i.S.v. § 24 Nr. 1a EStG in Be­tracht, denn die strei­tige Zah­lung war durch den Weg­fall der künf­ti­gen Ein­nah­men aus dem Be­ra­tungs­ver­trag ver­an­lasst und be­ruhte auf ei­ner neuen Rechts­grund­lage (Ver­gleich). Ebenso wäre ein "be­son­de­res Er­eig­nis" an­zu­neh­men, denn der Kläger stand beim Ab­schluss des Ver­gleichs un­ter Druck. Hierzu hat der IX. Se­nat des BFH jüngst ent­schie­den, dass es nicht dem Zweck des von der Recht­spre­chung ent­wi­ckel­ten Merk­mals der Zwangs­si­tua­tion ent­spricht, al­lein we­gen ei­ner gütli­chen Ei­ni­gung in ei­ner kon­fli­gie­ren­den In­ter­es­sen­lage zwi­schen Ar­beit­ge­ber und Ar­beit­neh­mer einen tatsäch­li­chen Druck in Frage zu stel­len.

Das hier­durch be­schrie­bene Span­nungs­verhält­nis ist in der Weise auf­zulösen, dass bei der An­wen­dung von § 24 Nr. 1a EStG die für Ar­beit­neh­mer gel­ten­den Grundsätze (ana­log) zu be­ach­ten sind, wenn im Rah­men der selbständi­gen Tätig­keit ei­nes Rechts­an­walts ein Ge­schäfts­be­sor­gungs- oder Rechts­be­ra­tungs­ver­trag ar­beit­neh­merähn­lich aus­ge­stal­tet ist. Dies ge­bie­tet die recht­li­che Gleich­be­hand­lung von we­sent­lich Glei­chem. In­fol­ge­des­sen muss im wei­te­ren Ver­fah­ren geprüft wer­den, ob das Be­ra­tungs­ver­trags­verhält­nis des Klägers mit der GmbH ar­beit­neh­merähn­lich aus­ge­stal­tet war und wie ver­ein­bart tatsäch­lich durch­geführt wurde.

Link­hin­weis:
  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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